Monkey Man

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Forumseintrag zu „Monkey Man“ von Filmgenuss

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Filmgenuss (12.04.2024 12:59) Bewertung
Vom wilden Affen gebissen
r fühlt sich an wie ein Bollywood-Actioner, ist es aber nicht. Monkey Man von und mit Dev Patel verortet sich zwar irgendwo in einer fiktiven indischen Megacity, genannt Yatana, trägt die Versatzstücke für einen Bollywood-Overkill aber, wie ihn moderne Subkontinent-Klassiker wie RRR bereits entfesselt haben, nicht wie einen Bauchladen vor sich her. Denn Dev Patel will nur eines: Dass sein Actionfilm sich selbst genügt und zu einer respektvollen und nicht verlachbaren Verbeugung vor jenen Mythen wird, mit denen er womöglich großgeworden ist. Und so taucht Monkey Man tief in die hinduistische Götterwelt ein, ohne Götter von irgendwo her aus ihren Parallelwelten zu rekrutieren. Diese bleiben Legenden, ohne sie vorführen zu müssen. All das, all diese Geschichten, nähren den Überlebenswillen des Monkey Man im Kopf. Mit dieser Motivation und jener, die er aus dem entsetzlichen Schmerz lukriert, den der gewaltsame Tod seiner geliebten Mutter mit sich gebracht hat, nimmt Dev Patel sein Schicksal und das vieler böser Jungs selbst in die Hand.

Was er entfacht, ist weitaus, dreckiger, blutiger und emotionaler, als es der stoische Keeanu Reeves mit dem Hang zur selbstironischen Übertreibung jemals angepeilt hätte. Bei John Wick sprechen die Projektilwaffen eine andere Sprache, nämlich die auf Distanz. Bei Monkey Man ist es der brachiale Nahkampf mit Fäusten, Scherben, Messern. Diese Nähe zum Gegner ist nicht nur Voraussetzung für intensive Martial Arts-Parcours, wie wir sie aus Gareth Evans‘ The Raid kennen, einem modernen Klassiker des asiatischen Metzelkinos, in welchem sich Uko Iwais durch ein ganzes Hochhaus schnetzelt. Diese Nähe zum Gegner entfesselt vor allem eine tiefgreifende, traumatisierte Sehnsucht: Die endgültige Konfrontation.

In diesem Willen und der manischen Pflicht, die Mörder seiner Mutter zu stellen, liegt die ganze Triebkraft von Dev Patels Film, der erstmals selbst Regie führt und gut daran getan hat, die Rolle des Kid gleichzeitig auch mit sich selbst zu besetzen. Auf diese Weise kann Patel die subjektive Idee seiner Figur ungefiltert ausleben und gestaltet diese zu einer Nemesis, die gut zu einer Underdog-Gesellschaft passen würde, die in der fiktiven DC-Metropole Gotham rund um Batman mit ihren eigenen Dämonen hadert.

In so einem Moloch verdingt sich Kid als affengesichtiger Prügelknabe bei illegalen Boxkämpfen. Stets muss er, so ist es mit seinem Auftraggeber Tiger (Sharlto Copley, die beiden kennen sich aus Chappie) vereinbart, auf die Matte gehen, ohne selbst zu gewinnen. Er tut dies, um erstens den eigenen Schmerz zu ersticken, und zweitens, um nebenher an einem Racheplan zu schmieden, der zum Ziel hat, den selbsternannten Guru Baba Shakti und seine rechte Hand, den Polizeichef Rana, welche die ganze Stadt unter ihre Kontrolle bringen wollen, hinzurichten. Dabei muss er sich im wahrsten Sinne des Wortes vom Tellerwäscher zum gnadenlosen Rächer hocharbeiten, knüpft Beziehungen, manipuliert und unterwandert das verkorkste Etablissement des King’s Club, der als Umschlagplatz für Drogen, Geld und für sinistre Machenschaften der beiden genannten Antagonisten dient. Es ist ein langer, steiniger Weg bis zum Tag X, an welchem die beiden Unmenschen dran glauben sollen.

Welche Action Dev Patel dabei entfesselt, ist, als hätte nicht S. S. Rajamouli, sondern einer wie Danny Boyle einen Slumdog Millionaire zum Slumdog Avenger werden lassen. Schnelle Schnitte, entfesselte Kamera, getaucht in Neonlicht, in den fahlgelben Schein müder Straßenlaternen, in Staub, Schweiß und Dreck. Mit erstaunlichem Gespür für Timing und von jenen gelernt, unter deren Regie er bislang gestanden hat, behält Dev Patel die konzentrierte Mitte zwischen exotischer Opulenz, weihrauchstäbchengeschwängertem Mystizismus und der sichtbaren Überanstrengung menschlicher Körper, deren physisches Potenzial bis an die Grenzen geht. Das sichtbar Indische in diesem Film wird zur Energiequelle, auf welche sich der Monkey Man erst besinnen muss, darüber hinaus ist alles andere jedoch ein ort- und zeitloses Stück Actionkino mit Event-Charakter, in welchem die unstillbare Wut eines der Zukunft beraubten Kindes im Körper eines Erwachsenen zu brüllen anfängt. Als wildgewordener Affe, der gerne auch mal zubeißt, wenn sonst nichts zur Hand ist, bleibt Patel wenig zimperlich. Tendenziell so brutal wie The Raid, aber immer noch gefälliger, sterben die Bösen explizite Tode. Die Unkaputtbarkeit eines John Wick weicht eines verausgabten, keuchenden Hanuman. Dass das Schauspiel durchaus immersiv wird, liegt auch an einem ausgewogenen, pointierten Score von Jed Kurzel, der indische Rhythmen mit erdigem Synthie-Score verbindet, manchmal gar mit Radio-Klassikern daherkommt und die gewaltsamen Szenen stimmig konterkariert.

Diese Stimmung ist es auch, die ihr Level hält. Natürlich können geradlinige Rachegeschichten wie diese, die nicht auf der Klaviatur melancholischer, französischer Noir-Gangsterfilme spielen, sondern Gut und Böse klar auf simple Weise voneinander trennen, nur zu einem einzigen Ziel führen, um zu entladen, was sich im Laufe der Handlung alles aufgestaut hat. Das ist ein gängiges Konzept, kann aber, wie man sieht, angenehm anders variiert werden. Man muss den Anti-Helden in seiner alles entpriorisierenden Todessehnsucht nicht überhöhen, man kann ihn Mensch oder Tier sein lassen, niederen Instinkten folgend, ohne ihn auf angeberische Weise seinen Krawattenknoten richten zu lassen, nachdem der Bösewicht besiegt ist. Monkey Man macht das. Sein tragischer Affe ist alles andere als Bingo Bongo, er könnte ein mythischer Superheld sein. Mit Kräften, die aus sich selbst heraus entstehen.



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