Home Sweet Home - Wo das Böse wohnt

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Forumseintrag zu „Home Sweet Home - Wo das Böse wohnt“ von cinemarkus

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cinemarkus (26.01.2024 10:55) Bewertung
Zuhause bleiben
Exklusiv für Uncut
Mal wieder ein Horrorfilm aus Deutschland? Und das ganze als One-Shot gedreht?? Um einen bekannten Tarantino-Charakter zu zitieren, „erst galt Ihnen meine Neugier, jetzt meine Aufmerksamkeit“. Leider gesellte sich dann ziemlich schnell Ernüchterung dazu.

In „Home Sweet Home“ von Thomas Sieben („Prey“) bezieht die hochschwangere Maria (Nilam Farooq) ihr neues Domizil, ein Landhaus, das ihr Ehemann (David Kross) geerbt hat. Der sitzt noch in einer wichtigen Besprechung, weswegen sie erst mal alleine klar kommen muss. Dann passieren plötzlich merkwürdige Dinge und schon bald beginnt ein Kampf ums Überleben.

Schon meine Zusammenfassung klingt (bewusst) nicht gerade revolutionär. Die erste Hälfte des Films ist schlicht ein Geisterhorrorfilm nach Schema F. Die funktionieren für mich generell sehr selten; Neueinsteiger könnten durchaus unterhalten werden, Alteingesessene werden schon allein mit der schieren Vorhersehbarkeit der Geschichte ein Problem haben. Leider kommt einfach nie wirklich Gruselstimmung auf, das Furchterregendste selbst ist eine Rückblende, in der das Grauen (wie Aficionados zu schätzen wissen) rein der Imagination des Zuschauers überlassen wird. Sonst passiert nicht viel, da kann auch die noch so passende Musik nicht helfen. Gleich zu Beginn macht der Film jedoch sinnbildlich den vielleicht größten Fehler, als plötzlich das Licht ausgeht und ein dunkler, verwinkelter Keller wartet - nur damit es Minuten später einfach wieder angeht??? Erst als der menschliche Aspekt dazukommt, wird das wahre Grauen der Geschichte entfesselt; Menschen sind nunmal die schlimmeren Monster.

Um den Elefanten im Raum zu adressieren: die One-Shot-Idee (so bezeichnet man einen Film, der ohne Schnitt bzw. sichtbaren Schnitt auskommt) war meines Erachtens vergeudete Müh. Sie ist durchaus kompetent umgesetzt; egal ob echt, oder mit versteckten Schnitten (von denen ich jedenfalls keine bemerkt hätte), die Arbeit verdient Respekt und wertet zusätzlich das überzeugende Schauspiel von Nilam Farooq auf. Die trägt figurativ wie wörtlich (in Form des Babybauchs) den Film. Alle anderen jedoch, inklusive David Kross, kommen schlichtweg viel zu kurz um einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen zu können, oder fallen überhaupt in die Kategorie Overacting.

Die kontinuierliche Kameraführung schadet jedoch mehr, als zur Atmosphäre beizutragen. Die an sich schon verhassten „Jumpscares“ werden hier nochmals abgewertet, weil ständig alles über Kameraschwenks gelöst wird, statt wie dem ursprünglichen Sinn entsprechend mit schnellen Sprüngen (wodurch viel unnütze Zeit der mit 84 Minuten eh schon kurz und knackig gehaltenen Lauflänge draufgeht). Da kann der mutmaßliche Geist der plötzlich im Hintergrund vorbei schlendert auch einfach nur ein verirrter Komparse sein, auf den irgendjemand vergessen hat.

Ich frage mich generell, was die Intention dahinter gewesen sein mag. Sam Mendes hat in „1917“ seine Schauspieler als Oneshot viel von hinten gefilmt, man hatte als Zuschauer ständig das Gefühl, man begleitet die Soldaten hautnah auf ihrer Mission. „Birdman“ (von Alejandro Gonzalez Inarritu) und zuletzt „Medusa Deluxe“ haben die Technik für fließende Perspektivenwechsel der verschiedenen Figuren genutzt. Actionszenen kann sie hektischer und dringlicher wirken lassen, wie beispielsweise in „Children of Men“ wo Alfonso Cuaron mehrere solche Plansequenzen in wahrlicher Perfektion inszeniert hat. Und der Master of Suspense höchtspersönlich Alfred Hitchcock hat in einem der wohl bekanntesten Oneshots und wörtlichen Kammerspiel „Cocktail für eine Leiche“ einen einzelnen Raum noch klaustrophobischer erscheinen lassen und gleichzeitig die Spannung hochgetrieben.
Hier begleiten wir einfach die Hauptfigur beim Telefonieren, durchs Haus Spazieren, um das Haus Wandern, dann wieder ins Haus und so weiter und sofort. Da kommt weniger Spannung auf, als dass es eher einer Reality-TV-Sendung gleicht. Der extreme Planungsaufwand, der hinter so einer Unternehmung stecken muss, führt außerdem dazu, dass alles automatisch sehr inszeniert wirkt. Ob die manchmal etwas steifen Dialoge, die vermutlich teilweise durchgewunken wurden, in der Angst nicht erneut anfangen zu müssen. Oder die gezwungene Art wie Nilam Farooq ihr Smartphone in die Kamera halten muss, damit man ja auch schön ihren Ehemann und Schwiegervater (Justus von Dohnanyi) genau im Bild hat. Wenn man die Kamera, die nur dem Geschehen folgt fast vor Augen hat, dann ists mit der Illusion halt dahin.

Positiv hervorheben möchte ich das Mysterium, das hinter den Ereignissen steckt. Es wird ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte eingearbeitet, das mich mit dem verbundenen Familienhintergrund recht gut bei der Stange gehalten hat. Das verleiht dem Film zumindest seinen eigenen Charakter, als wirkliche Aufarbeitung vergangener Kriegsverbrechen ist es aber zu wenig. Da hinter solch einem Film natürlich jede Menge Förderung steckt, frage ich mich ob Thomas Sieben selbst da möglicherweise etwas tiefer gehen wollte; wir werden es wohl nie erfahren. Zusätzlich stellt sich mir die Frage, ob die ohnehin überstrapazierte Idee von eingefangenen Flüchen aus fremden Kulturen, nicht lediglich deren Ausbeutung weiterführt.

Vor dem Film war ich erneut optimistisch, dass hier etwas Neues probiert wird. Aber wenn, wann immer ein deutscher Ausflug ins Genrekino gewagt wird, nur dieselben Klischees bedient werden die auch amerikanische Vertreter verhunzen, ist das Ganze vielleicht von vornherein schon zum Scheitern verurteilt.


Anmerkung mit geringen SPOILERN:
*** SPOILER ***

Im Film spielt unter anderem das Töten eines Kindes für das eigene Wohlergehen eine Rolle. Da könnte glatt eine Abtreibungsthematik eingestrickt sein, doch so viel Intelligenz gestehe ich dem Film nicht zu.

*** *** *** ***
 
 

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