The Lost King

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Forumseintrag zu „The Lost King“ von UR_000

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UR_000 (18.10.2023 20:46) Bewertung
Königliches Kino-Vergnügen
Ich bin versucht zu sagen, dass sie es können, die Briten, nämlich großes Kino mit den Geschichten kleiner Leute machen. „The Lost King“ ist wieder einmal so Film, der die Heldenreise einer dem Anschein nach unbedeutenden Frau auf unterhaltsame Art und Weise nachzeichnet. Stephen Frears‘ neuestes Werk beruht wie etwa „Philomena“ und „Florence Foster Jenkins“ auf einer wahren Begebenheit. Auf einem Stück Geschichte mit Geschichte sogar. „The Lost King“ erzählt von der Suche nach den sterblichen Überresten von König Richard III., der als buckeliger, grausamer Bösewicht verrufen ist. Und das vor allem dank Shakespeare.
 
Eine Aufführung des nach diesem berüchtigten König benannten Stückes löst in Philippa etwas aus. Selbst gerade aufgrund ihres Alters von einer jüngeren, hübscheren Kollegin im Job ausgebootet, fühlt sie die Ungerechtigkeit der Verknüpfung von Hässlichkeit und Bosheit. Ihre Verbundenheit zum angeblich deformierten Herrscher beziehungsweise Thronräuber basiert ebenso auf ihren eigenen Erfahrungen von Benachteiligung aufgrund ihres Gesundheitszustandes. Die Kämpferin in Philippa, die von Sally Hawkins verkörpert wird, erwacht. Sie beginnt heimlich zu recherchieren, möchte das Image des von Shakespeare verunglimpften Richard III. zum Besseren verändern. An ihrer Seite ist der König selbst, anfangs als stummer Begleiter, bald als Mutmacher.

Philippa entwickelt eine regelrechte Besessenheit, kümmert sich kaum noch um Haushalt und Kinder, verlässt sich auf ihren Ex-Ehemann. Dem sie somit so manches Date versaut. Eine Frau, die, wenn es im Job nicht so gut klappt, nicht ins Heim oder die Mutterrolle flüchtet, sondern sich ein eigenes Projekt sucht. Eines, bei dem sie gegen den akademischen Apparat kämpfen muss. Historiker wollen die Amateurin abwimmeln. Allerdings braucht einer von ihnen dann doch Geld. Also kann die Suche nach Sponsoren und die nach den Überresten des Königs losgehen.

Das Ende ist bekannt, wenn man die Suche in den Medien verfolgt hat. Der Weg dorthin, wenn man kein allzu hohes Tempo erwartet, ist recht spannend inszeniert. „The Lost King“ funktioniert als Heldengeschichte der schwachen Frau, die Mut und Stärke finden muss, um im konkreten Fall einen König und Gerechtigkeit für ihn zu finden. Von allen Seiten wird sie belächelt, wie das oft so ist, wenn Laien und / oder Frauen, etwas wagen wollen, was vom Establishment nicht als wichtig erachtet wird.

Der Film ist ebenso ein fast satirischer Blick auf die Wissenschaft, deren Aushöhlung durch wirtschaftliche Interessen und die Dominanz (alter) weißer Männer. Es ist an einer Frau, das System gehörig aufzumischen. Ihr dabei zuzusehen, macht Spaß. (Und im nächsten Augenblick wird einem die Bitterkeit dieses Systems bewusst, das von Gleichberechtigung weit entfernt ist.)

Schauspielerisch unterstützt wird Sally Hawkins in „The Lost King“ von einem eingespielten Ensemble rund um Steve Coogan, Mark Addy und Harry Lloyd. Dabei stimmt das komödiantische Timing, was die Geschichte mit viel britischem Humor auflockert, die sonst vielleicht allzu trocken daherkäme. Die Musik fügt sich nahtlos ein, dient immer der Erzählung. Eine genussvolle Untermalung, die nicht unerwähnt bleiben soll.

Ohne zu viel verraten zu wollen: Richard bekommt im Laufe der Geschichte sein Pferd aus Shakespeares bekanntem Zitat.

„The Lost King“ hält jedenfalls, was er verspricht. Beste Unterhaltung in britischer Manier.
 
 

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