Geliebte Köchin

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Forumseintrag zu „Geliebte Köchin“ von UR_000


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UR_000 (09.02.2024 00:09) Bewertung
Eine sinnliche, aber prätentiöse Ode an die französische Küche
„Geliebte Köchin“ ist als französischer Beitrag für den Oscar 2024 (als Bester Internationaler Film) eingereicht worden. Regisseur Anh Hung Tran durfte sich schon im Vorjahr über den Preis für die Beste Regie in Cannes freuen. Vorschusslorbeeren also.

Eins vorweg: Hungrig sollte man eher nicht ins Kino gehen. Das im Film gezeigte Kochen ist wirklich beeindruckend. Kein Toast, Burger oder Spiegelei. Gerichte vom Feinsten, mit Liebe und Kreativität ausgewählt und aufwendig zubereitet. Unzählige Produkte, zahlreiche kleine Handgriffe, alles wird eingefangen für die große Leinwand. Eine Ode an die regionale Küche Frankreichs, wenn man so will. Und an die Küchenchefs.

Eingespieltes Team in der Küche
Ein solcher ist Dodin Bouffant (Benoît Magimel), der Herr in der Küche eines Chalets im ländlichen Frankreich. Unterstützt wird er von Eugénie (Juliette Binoche), einer kongenialen Partnerin am Herd. Die beiden verstehen einander ohne Worte, so klappt jeder Ablauf reibungslos, die Freunde können mit Köstlichkeiten wie Omelette à la Norvégienne verwöhnt werden. (Die Namen der vielen Gerichte können schnell entfallen, wenn man sich mit Gourmetküche nicht so gut auskennt.) Regisseur Anh Hung Tran setzt für das Porträt dieser Küchenmeister auf die Chemie der beiden Stars, die auch eine persönliche Anziehung zwischen den beiden transportieren müssen. Zu Recht.

Liebe geht durch den Magen
In der Küche brauchen Dodin und Eugénie kaum Worte. Und vielleicht ist sie gerade deshalb spürbar, die Anziehung, das blinde Vertrauen. Erst nach der Arbeit nähern sie sich einander an. Doch Eugénie will ihren Verehrer nicht gleich erhören. Erst muss er sie - wie könnte es in einem solchen Film anders sein – so richtig fein bekochen. Liebe führt also doch durch den Magen.

Zelebrieren der Kochkünste
Aber eigentlich sind die Figuren in „Geliebte Köchin“ nur Nebendarsteller. Das Kochen und die Gerichte sind im Mittelpunkt. Im Detail verfolgt die Kamera jeden Schritt des Rituals. Das Lesen der Rezepte, die Vorbereitung, die einzelnen Zutaten, das Zusammenspiel, das Erhitzen, Backen, alles. Und nicht zuletzt das Kosten. Küchenchefs (und -chefinnen) müssen einen besonderen Gaumen haben, jedes einzelne Element herausschmecken können. Sonst haben sie in der Küche nichts verloren.

Foodporn auf der Leinwand
Mit Präzision und voyeuristischem Blick ist die Kamera unterwegs, um … das Kochen einzufangen. Foodporn für die Kinoleinwand, um es deutlich zu sagen. Sinnlich in Szene gesetztes Arbeiten in der Küche und Porträtieren von unterschiedlichen Gerichten aus der gehobenen Küche. Vieles wird gustiös gezeigt, manchmal braucht man auch einen guten Magen. (Oder die Autorin dieser Zeilen ist etwas zu zartbesaitet für das Hantieren an Hühnchen & Co.) Aber es ist und bleibt Foodporn. Foodporn, für den künstlerischer Anspruch erhoben wird.

Beeindruckende Bilder, wenig Substanz
„Geliebte Köchin“ bietet durchaus beeindruckende Bilder. Fast kann man den Duft der Gerichte im Kinosaal riechen, so detailreich und sinnlich sind sie eingefangen. Schade eigentlich, dass man nicht selbst kosten kann. Regisseur Anh Hung Tran setzt allerdings ausschließlich auf die Kraft der Bilder aus der Küche. Die Figuren bleiben im Hintergrund, bekommen wenig Raum. Nur ganz selten dürfen sie Gespräche führen, in denen sich leichte Entwicklung andeutet. Meist sind es nur oberflächliche Diskussionen über Kochen, Essen und Geschmack. Nichts, was hängenbleibt. Elemente, die für Spannung sorgen, oder zumindest für eine Geschichte, die rund ist und sich fortbewegt, sind Mangelware. Außer der angedeuteten, schwierigen Liebesgeschichte ohne Happy End, der Frage nach der Ausbildung von Nachwuchs und einer Art Koch-Duell bietet das Drehbuch nicht viel. Wenn man sich für Menschen/Figuren und ihre Geschichten interessiert, ist das schon etwas dürftig.

Die Tücken der Überlänge
„Geliebte Köchin“ ist routiniert inszeniert und gut gespielt. Und überaus prätentiös. Mit einer Dauer von etwa 135 Minuten springt er – wie so viele in den letzten Jahren – auf den Überlängen-Zug auf. Der Film von Regisseur Anh Hung Tran entwickelt die dünne Geschichte langsam und breitet sie so aus, dass an Spannung kaum etwas übrigbleibt. Bilder, auch wenn es Foodporn ist, sind nicht alles. Mehr ist nicht immer mehr. Manchmal ist weniger besser, weniger Filmminuten. Die Ode an die französische Küche bietet durchaus interessante Aspekte wie die Liebesgeschichte und deren Entwicklung. Davon wird allerdings gar nicht so viel erzählt, zu wenig für so manche(n). Definitiv zu wenig, um Überlänge zu rechtfertigen.

Wohl nur für Fans von gekünstelter Langsamkeit und Foodporn ein großartiges Erlebnis. Sonst könnte ein köstliches Essen mehr Freude bereiten.
 
 

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