The Last Duel

Bewertung durch Andretoteles  70% 
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Forumseintrag zu „The Last Duel“ von Andretoteles

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Andretoteles (20.02.2022 12:12) Bewertung
Zeitloser Sexismus
Ridley Scott, den ich für Blade Runner, Alien, American Gangster und Gladiator sehr schätze, dreht ein starkes Werk über einen Missbrauchsvorfall im Spätmittelalter des 14. Jahrhunderts in Frankreich. Gewohnt episch inszeniert (wobei etwas weniger Blut den Kampfszenen gut getan hätten) erzählt der Film die Handlung in einem originellen, dreigeteilten Plot. Für das intelligente Drehbuch sind die Best-Friends Matt Damon und Ben Affleck zuständig, die auch im Film eine Rolle bekleiden, sich für das Buch jedoch weibliche Unterstützung gesucht haben, um die Perspektive der vergewaltigten Marguerite zu entwickeln. Vor noch garnicht allzu langer Zeit wäre diese Perspektive nicht berücksichtigt worden. Wir leben in einem überfälligen, wenngleich sehr langsamen Wandel.

Abstriche gibt es für miserables Hairstyling: die Ziegenbärte von Damon und Affleck grenzen an eine Parodie. Genauso das Schauspiel von Affleck. Es ist nicht das erste Mal, das eine Nebenrolle von Ridley Scott unzureichend dargestellt wird. Selbst in diesem Jahr 2022 haben wir einen ähnlichen Fall bei Jared Leto in House Of Gucci erlebt. Affleck und Leto kämpfen deshalb zu Recht um eine güldene Himbeere für ihre fürchterlichen Darstellungen.
Leider kommt die Figur Marguerite etwas zu kurz. Im dreigeteilten Plot bekommt sie den letzten Teil, wohingegen die Männerfreundschaft zwischen Jean und Jacques vorher ausführlich behandelt wird. Ein Psychogramm der Beziehung von Jacques und Marguerite hätte den Fokus etwas verschoben und vorallem die Person ins Zentrum gestellt, um die es hätte gehen sollen: die Frau.

Vortrefflich inszeniert werden die sexistischen Machtstrukturen. Da gibt es zum einen die politisch legitimierten Machtinhaber, die über Seilschaften ihre Macht an männliche Nachfahren weitergeben (Patrilinearität!) und vorallem auch ihre Missbrauchshandlungen gegenseitig decken. In ähnlicher, moderner Weise haben wir dies in Promising Young Woman bereits gesehen. Hier sind es Pierre und Jacques, die alle Frauen objektifizieren und als Sexspielzeug erachten, aber keine Konsequenzen befürchten müssen. Der Grund dafür wiederum liegt in der männlichen Hegemonie im Recht. Auch die Anwälte sind männlich und interessieren sich im finalen Prozess mehr für den Orgasmus von Marguerite als für ihre Vergewaltigung. Widerlich.
Wir sehen außerdem die kontextabhängige Konstruktion einer Zuneigung, die auf falscher Wahrnehmung und Höflichkeit beruht. Die dreifach wiederholte Szene über das erste Treffen zwischen Jacques und Marguerite zeigt dies überdeutlich. Wo er sehnsüchtige verliebte Blicke ihrerseits erkennt, möchte sich in diesen für ihren Mann schwierigen Zeiten leidlich höflich lächeln. Dass sich Jacques folglich trotz ihrer Ablehnung ihres Körpers bemächtigt, liegt an der Macht durch Gewalt. Sobald die toxische Männlichkeit nicht mehr durch insitutionelle, politische oder soziologische Macht gewinnt, nutzen Männer einfach ihre körperliche Überlegenheit. Hier erfolgt die reine Reduktion auf die Physis und den Triebinstinkt, der alle Vernunft vergessen lässt.

Empfehlen kann ich diesem Kontext die Folgen 10.1, 10.2 und 10.3 von cogitamus:
cut.at/cogitamus101

Fazit: Ein wichtiger und ein guter Film, der gut gespielt, gut geschrieben, gut inszeniert ist, kleine Kritikpunkte ertragen muss, aber die Ideologie des zeitlosen Sexismus eindringlich darstellt. Smash Patriarchy!
 
 

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