Das freiwillige Jahr

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Forumseintrag zu „Das freiwillige Jahr“ von MrsBlonde

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MrsBlonde (27.10.2019 21:22) Bewertung
Costa Rica muss warten
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Vergangenes Jahr machte Ulrich Köhler mit seinem Endzeit-Drama „In My Room“ auf sich aufmerksam, in dem sich ein Mann alleine auf der Welt wiederfindet, nachdem die restliche Bevölkerung verschwunden ist. Für sein aktuelles Projekt widmete er sich einem ganz anderen Thema, nämlich dem Vergleich zwischen Provinzleben und dem Streben nach der Ferne. Aber auch zwischenmenschliche Beziehungsdynamiken werden genauer unter die Lupe genommen. Regie führte er dieses Mal gemeinsam mit Henner Winckler und auch das Drehbuch wurde zusammen verfasst. Eine Einladung für den Wettbewerb in Locarno folgte.

Es ist soweit: Jettes (Maj-Britt Klenke) freiwilliges soziales Jahr in Costa Rica steht bevor. Am Morgen des Abflugtages ist die Aufregung merklich spürbar. Diese wird jedoch bald verdrängt, nachdem das Mädchen gemeinsam mit ihrem Vater Urs (Sebastian Rudolph) mit so einigen Zwischenfällen konfrontiert wird, u.a. den Bruder des Vaters betreffend oder Jettes Ex-Freund Mario (Thomas Schubert). Denn der Bruder ist verschwunden und der Ex-Freund wird schnell wieder zum Freund. Ein beginnendes Zögern auf Seiten Jettes ist zu vernehmen und schnell fragt man sich:
Ist es wirklich Jettes Wunsch, nach Costa Rica zu gehen, oder nicht doch eher der ihres Vaters?

„Das freiwillige Jahr“ erzählt von dem Streben nach der Ferne, gerade aber auch von dessen Gegenteil. Und von dem Zögern und der Unentschlossenheit, wenn man nicht weiß, was man nun eigentlich will. Ein invertiertes Roadmovie sozusagen. Diese Ausgangssituation klingt zwar vielversprechend, leider schlug das Regie-Duo Köhler/Wickler dann jedoch eine Richtung ein, die etwas ganz anderes fokussiert. Denn nicht die unterschiedlichen Lebensvorstellungen werden ins Zentrum der Handlung gestellt, sondern überzeichnete Charaktere, die vor allem eines sind: äußerst anstrengend.

Sowohl der selbstgefällige Vater als auch die verantwortungslose Tochter sind mit der Zeit kaum mehr zu ertragen. Natürlich ist das einerseits bezweckt - man soll sich als ZuschauerIn sicherlich auch unwohl fühlen - der Film verlor damit dann aber endgültig den Boden unter den Füßen. Die Schauspieler versuchen zwar ihr Möglichstes, aber gerade Maj-Britt Klenke wirkt bei manchen Szenen etwas überfordert. So wirken viele Aspekte improvisiert – eine Annahme, die beim anschließenden Q&A im Zuge der Viennale dann auch bestätigt wurde. Gegen improvisierte Szenen sei per se nichts auszusetzten, aber wenn man diese, aufgrund ihrer Unsicherheiten, sofort ausmachen kann, erweisen sie sich dann vielleicht doch nicht als allzu gute Regieentscheidung.

Von der Machart her erinnert „Das freiwillige Jahr“ eher an einen Fernsehfilm als an eine deutsche Arthouse-Produktion. Abgesehen von den beiden nervigen Protagonisten, fühlt man sich dann streckenweise aber trotzdem ganz gut unterhalten. Am Schluss fragt man sich aber schon, was einem der Film letztendlich vermitteln wollte.
 
 

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