Diagonale
Diagonale - Tag 2

Diagonale - Tag 2

Pipilotti Rist bringt Farbe ins Festival
von mau
Normalerweise werden relativ schnell thematische Schwerpunkte sichtbar. Der heutige Tag hat mir das Gegenteil bewiesen. Angefangen hat dieser mit dem Kurzspielfilmprogramm 2. Hier zeigen vier RegisseurInnene ganz unterschiedliche Werke. Anna Schwingenschuh erzählt im „Herzerlfresser“ in einfacher Weise über eine wahre Begebenheit aus dem 18.Jahrhundert. „A lian in einem Hotelzimmer“ von Chen Bo zeigt in steril blau gehaltenem Neonlicht-Geflackere den Alltag einer Prostituierten: Worte bleiben im Hintergrund. Ganz im Gegensatz dazu richtet Robert Cambrinus in „Commentary“ seinen Fokus auf die Sprache. Der Titel ist Programm: Der Regisseur, der schon seit 10 Jahren in London lebt, ironisiert das filmische Geschehen, indem er das Geschehen aus dem Off kommentiert und sich und sein Befinden spürbar werden lässt. „Marie“ von Bernadette Weigel dreht sich nur innere Vorgänge. Die Protagonisten durchlebt in ihren Alpträumen urmenschliche Ängste: Sie wird von gesichtslosen Männern verfolgt, kämpft mit Verlustängsten und ist Tötungsabsichten. Man merkt anhand der bühnenhaften Gestaltung des Settings, dass der Film aus dem Bereich der Angewandten und darstellenden Kunst kommt.

Ein wahrer Mind-Aufpepper war dann „Pepperminta“, das Erstlingswerk der weltbekannten Installationskünstlerin Pipilotti Rist. Die Schweizer Künstlerin, die auch einige Jahre in Wien studiert hat, setzt ihre als Farbenexplosionen zu bezeichnenden Bilder im Film eins zu eins um. Die Geschichte der Protagonistin Pepperminta, die sich allen Regeln widersetzt um Freude, Unordnung und Farbe in das Leben ihrer Mitmenschen zu bringen, scheint nebensächlich. Obwohl: Bei der Diskussion im Anschluss an die Filmvorführung ein Zuschauer das Handeln der Figuren als Aufruf zum Vandalismus verstand – dazu konnte der Produzent von Coop nur müde lächeln. Tim Burtons „Alice im Wunderland“ verblasst im Vergleich zur unendlich scheinenden Farbpalette in „Pepperminta“. Wer’s mag, wird’s lieben.

Auch beim Dokumentarfilm „Kralj Matjaz“ gibt’s einiges zu lachen, wenn Seppi, um die 50 Jahre alt, mit seinen langen Dreadslocks am Kärntner GTI-Treffen headbangt. Ziel des überdurchschnittlich intelligenten Kärntner Slowenen, der sich vollkommen von seiner Familie abgewendet hat: wie König Matthias die Menschheit zu verbessern. Ein Stück österreichischer Verrücktheit, also unbedingt anschauen.

Das gilt auch für das Kurzspielfilmprogramm 3. Die drei Kurzfilme erzählen von zwischenmenschlichen Beziehungen. Paul Meschuh erzählt in „Verschleißteile“ in leicht erziehend wirkendem Ton über den Beginn einer Beziehung; Marie Kreuzers „Ingrid“, schwarz-weiß gehalten, in ruhigem Ton und an Godard erinnernd, spricht über das Ende der Beziehung zwischen Michi (Pia Hierzegger) und Particia. „Elefantenhaut“ von Fiala Severin und Karin Putzer, hat schon beim Filmfestival in Oberhausen den Preis der ökumenischen Jury abgeräumt. Er erzählt ungeniert aber ohne die Würde und Integrität der Figuren zu verletzen, von Elfi und deren pflegebedürftigen Mutter.

Zusammenfassend ein überaus spannender Tag, der vielseitiger nicht hätte sein können. Ein Tipp am Rande: Vergesst’ nicht auf die Rahmenveranstaltungen der Diagonale, wie den täglichen Podiumsdiskussionen rund um das Thema Film. Es herrscht dort eine lockere Atmosphäre, die Raum für Fragen gibt.