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  • Bewertung

    Ein bedächtiger Gang durchs Museum und Werk des Anselm Kiefer

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Zweimal gab es die 93-minütige Österreich-Premiere von Wim Wenders in Deutschland produziertem Film „Anselm. Das Rauschen der Zeit“ bei der Viennale 2023 zu sehen: in 3D im Gartenbau-Kino und in 2D im ausverkauften Urania-Kino.

    Der Film setzt einem der bekanntesten Künstler, dem 1945 geborenen Deutschen Anselm Kiefer ein Denkmal für sein Lebenswerk.

    Es wird fokussiert auf verschiedene temporäre Stationen seines Schaffens immer mit dem Kamerablick auf seine Kunstwerke, Malereien und Skulpturen, die immens und monumental sind, insbesonders in ihrer Größe. Mehrere Personen arbeiten daran. Anselm Kiefer ist öfters in Aktion zu sehen, auf einem Kran mit Feuer und Verbrennungen am Bild arbeitend. Er fährt mit dem Fahrrad in den riesigen Gebäuden, Containern, in denen er arbeitet von einem Kunstwerk zum nächsten. Sie konnten aus der Vogelperspektive wohl oft nur mit Drohnen gefilmt werden. Die Langsamkeit des Films ist durchdacht und genau, professionell choreographiert, sodass Zusehende in einen Sog gezogen und begeistert werden.

    Hitlergruß
    Im Zentrum dieses Films steht der Künstler Anselm Kiefer, der als Teil der Nachkriegsgeneration frühzeitig mit provokativen Performances die verschwiegenen Verbrechen des Nationalsozialismus thematisierte, indem er in der Wehrmachts-Uniform seines Vaters mit Hitlergruß parodierte, sowie in seinem späteren Werk immer wieder Krieg in Form des Argonauten-Mythos mit riesigen skulpturalen Flugzeugen aus Beton behandelte.

    Bald werden im Film die für Kiefer wichtigen künstlerischen Autor*innen, der jüdische Paul Celan, sowie Ingeborg Bachmann eingeführt, deren Texte von ihnen vorgetragen werden. Anselm Kiefer hält Paul Celans Buch in einer Einstellung an seinem Körper.

    Der Film zeichnet den Werdegang Kiefers nach, von jungen Jahren an, in denen er meiner Ansicht nach noch nicht dieselbe ausdrucksstarke, persönliche Wirkung vermittelte, wie in aktuellen älteren jetzt.

    Etwas selbstverliebt bewegt sich das Alter Ego in Kind-Person Kiefers immer wieder durchs Bild.

    Die Filmmusik rahmt das Geschehen gut ein. Filmmusik hat ja oft eine beeinflussende, manipulative Wirkung, bei „Anselm“ wird sie aber großteils dezent und stilvoll verwendet.

    Gender
    Oft taucht im Film ein Bild im Bild, also auf der Kino-Leinwand auf, wenn auf weiße Stoffe retrospektiv Bilder aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg projiziert werden, die die damalige Welt mit den u.a. Trümmerfrauen darauf zeigen. Diese veranschaulichen die Notwendigkeit der Interventionen von Anselm Kiefer und auch seinem Mentor Joseph Beuys, dessen Meisterschüler er war. Die „wilden Jungs“ der Kunstwelt, die sich Wichtiges getraut haben. Keine Reflexion fand damals allerdings zur Analyse des Patriarchats statt, der männlichen Dominanz am Kunstmarkt. Bezeichnend leider wird das auch in diesem Film reproduziert, was ihm für mich einen schalen, negativen Beigeschmack verleiht. Nahezu ausschließlich Männer bzw. vor allem „der eine“ Anselm Kiefer sind Protagonisten des nach ihm benannten Films. Der namhafte Regisseur Wim Wenders macht einen Film über seinen Freund, die Berühmtheit Anselm Kiefer.

    „Na früher war das halt so“ werden manche anführen, aber wir leben 2023, wo ich nur schwer über diesen Umstand der Misogynie hinwegblicken kann, der sich leider wieder mal „unbemerkt?“ in diesen Film eingeschlichen und sich auch in ihm manifestiert hat.
    (Dominika Krejs)
    27.10.2023
    20:59 Uhr