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  • Bewertung

    Teils amüsante Ekelparade ohne Tiefe

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2019
    Sundance sein Ted Bundy, der Berlinale ihr Fritz Honka. Während der deutsche Serienmörder am Kiez nicht ganz so glamourös wirkt wie sein amerikanischer Counterpart, war „Der Goldene Handschuh“, eine Rekonstruktion der Prostituiertenmorde Honkas in den 70ern in Hamburg, ein gefragter Film auf der Berlinale. Fatih Akin inszeniert die Buchvorlage von Heinz Strunk als einen Grind-verliebten Verliererfilm mit viel Liebe zu ekelhaften Details aber wenig Auge für die sozialkritische Vorlage.

    Der Film verwendet nicht allzu viel Zeit auf die Etablierung und den Hintergrund Honkas (Jonas Dassler), sondern steigt direkt im Jahr 1970 ein, als Honka die erste Prostituierte in seiner Wohnung zerstückelt. Die Entscheidung, Honka bereits als den sozial und beruflich verwesten, im Gesicht zerquetschten Dauertrinker zu präsentieren ist zwar durchaus legitim, allerdings schafft es Akin nicht der Figur darüber hinaus mehr Komplexität zu verleihen. Honka wirkt wie eine Lachnummer. Das liegt nicht daran, dass unter dem schweren Make-up ein Darsteller steckt, der nur halb so alt ist wie Honka, der damals Ende 30 war, und das ganze manchmal etwas bizarr wirkt. Vor allem in dem Hinblick, dass alle anderen Darsteller perfekt gecastet sind und Dassler einen wahnsinnig guten Job macht.

    Vielmehr kann Akin die Vorlage im weiteren Verlauf nicht ausreichend umsetzen, nachdem die Handlung ins Jahr 1974 springt und Honkas weitere Morde und seinen Versuch, ein geordnetes Leben zu führen, zeigen. Strunks Roman ist nicht nur die Geschichte eines Mörders. Es ist ein Abgesang auf die Verlierer des Wirtschaftswunders, die Identitätslosigkeit der Nachkriegsgeneration und den Aufstieg der Meinungspluralität, der Feministen und Aktivisten. Strunk reflektiert die gesellschaftlichen Unterschiede beispielsweise in der Figur des Schülers und Sohn aus besserem Hause Willi (Tristan Göbel), der in Buch seine eigene Storyline hat, im Film aber immer wieder nur episodenhaft auftaucht, und von dessen Privileg nur das schicke Schulgebäude am Anfang zeugt. Die Schalunke, in der Honda verkehrt und in denen er seine Opfer aufgreift wirkt eher wie ein billiges Set in einem ARD-Schinken als ein tragisches Zeugnis verlorener Seelen.

    Akin findet zu viel seiner Bildsprache in der Zelebrierung dieses Schunds, dieses Ranz der quasi von der Leinwand trieft und sich wie ein Tuch über jede Figur, jede Location legt. Manchmal wirkt es, als würde der Film diesen Look geradezu idealisiert, dass seine einzige Existenzberechtigung in dem Ausschlachten dieses Milieus liegt. Die Sozialkritik, die gescheiterte Figur Honda bleibt dabei auf der Strecke.

    Der Film wird somit zu einem weiteren filmischen Endprodukt, in dem Frauen halt abgeschlachtet werden aber der Film weniger selber zu sagen hat. Er habe Honka ambivalent gelassen, weil er nicht wolle, dass die Leute mit ihm sympathisieren, so Akin. Aber irgendeinen Sinn muss der Zuschauer in dem Film finden und Schmutz und Dreck als filmischer Fetisch reichen einfach nicht aus.
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    (Susanne Gottlieb)
    15.02.2019
    11:40 Uhr
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