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    Ordinary People


    Wenn man den Film in drei Teile unterteilen müsste, würde man feststellen, dass die Einleitung (Aufstehen der Soldaten und Busfahrt) zirka zwanzig Minuten dauert, der Hauptteil (der Einsatz) zirka fünfzig Minuten und der Schluss (die Rückkehr zur Kaserne) zirka zehn Minuten. Man vermutet pure Langeweile dahinter. Doch trotz der Längen, trotz teilweise Minuten langen Szenen, die nur mit einer Kameraeinstellung aufgelöst sind, kommt bei „Ordinary People“ alles andere als Langeweile auf. Vielmehr ist der Zuschauer grenzenloßer psychischer Gewalt ausgesetzt, die deswegen ihre brutale Wirkung hat, da sie eben kaum realistischer sein könnte: Junge Männer, die nur Befehle befolgen, erschießen unbewaffnete Feinde, die vermutlich gar nie Soldaten waren. Es werden keine Tränen vergossen, Method Acting hat in diesem Werk von Vladimir Perisic keinen Platz. So verfällt der Protagonist Johnny (brillant subtil: Relja Popovic) keinen Depressionen oder Nervenzusammenbrüchen, nachdem er auf Befehl den ersten Mord seines Lebens beganen hat. Viel mehr steigert sich seine Gewaltbereitschaft, scheinbar ohne dass er dabei eine Miene verzieht.
    „Ordinary People“, ein Titel, der genauso stark wirkt wie der Film selbst, versucht nicht dass zu sein, was er nicht ist und nicht sein kann. Der Film ist keine Moralpredigt, keine Anschuldigung, keine Militär- und Befehlskritik. Vielmehr versucht er zu entschlüssen, wie sich Kriegsgewalt entwickelt.

    Auf Johnnys Frage, warum er eigentlich hier eingerückt sei, antwortet ein Rekrut: „Ich weiß es nicht mehr.“. Als Johnny gegen Ende eben diesen fragt, wieviele Menschen er heute erschossen hat, kommt die Antwort: „Ich weiß es nicht mehr. Genauso viele wie alle anderen eben.“

    Wenn man alle Dialogzeilen zusammenfasst, dürfte es wohl weniger als zehn Drehbuchseiten geben. Die meisten Szenen verlaufen ohne große Gespräche, die Tat per se tritt in den Vordergrund. Und die wenigen gesprochenen Worte wirken dafür umso mehr.

    „Ordinary People“ ist sicherlich kein Film für den Mainstreamkunden, der Kriegsthematiken besser verstehen möchte. Und er ist, auf Grund seiner Härte, auch alles andere als ein Film zum Wiedersehen. Jedoch wird man nach diesem Film noch lange darüber nachdenken und immer wieder auf Neues stoßen und vielleicht auch Antworten auf Fragen nach Kriegsverläufen finden.
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    16.08.2009
    23:58 Uhr