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    Fast Forward

    Großartige Bilder. Aber trotz seiner zweieinhalb Stunden mehr ein Schnelldurchlauf durch das ereignisreiche Leben Napoleons ihn zu sehr ins Detail zu gehen. Etwas mehr über den „Menschen“ Napoleon und seine Beweggründe hätte ich mir erhofft.
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    01.12.2023
    11:24 Uhr
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    Vive le roi

    NAPOLEON wirkt wie eine Fernsehproduktion trotz teilweise außergewöhnlicher Bilder.
    Wahrscheinlich ist der Directors Cut (4 Stunden) interessanter und gelungener. Aber deshalb werde ich kein Apple Streaming Neukunde …
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    29.11.2023
    21:36 Uhr
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    Europa im Schatten des Zweispitz

    Würde man eine weltweite Umfrage starten mit dem Ziel, herauszufinden, welche Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte wohl am geläufigsten sind, dann wäre neben Adolf Hitler, Julius Cäsar und vielleicht noch Kleopatra natürlich Napoleon mit dabei. Vielleicht auch deswegen, weil dieser Merkmale an sich trägt, die unverwechselbar sind: kleine, gedrungene Statur, fransiges Haar, darüber stets ein Zweispitz, den er vermutlich nur zum Schlafen abgelegt hat. Die rechte Hand steckt dabei im Gewand, eine klassische Geste. Der in Korsika geborene Feldherr wird zum Lehrmeister vieler kommender Strategen, es ist eine Mischung aus Bauernschläue, Scharfsinn und jovialer Bärbeißigkeit, die ihn mit allen übrigen Regenten des europäischen Kontinents zum Handshake verhalf und auch gegen diese antreten ließ. Dieser Wicht mit Wirkung, dieser politische Glückspilz, der sich selbst zum Kaiser von Frankreich krönen ließ, darf nun, unter der Regie von Ridley Scott, nochmal in bester Risiko-Manier von West nach Ost über Europa fegen. Und ehrlich: Wer sonst hätte sein Wirken noch verfilmen können? Vielleicht Stanley Kubrick. Dieser hatte schließlich schon Sämtliches an Material zusammengetragen, und es wäre auch nach Eyes Wide Shut vermutlich sein nächstes Projekt gewesen. Hätte er wohl Joaquin Phoenix in der engeren Auswahl gehabt? Könnte sein.

    Der Oscarpreisträger – diesmal nicht so abgemagert wie als Joker, sondern als untersetzter, dreister Tausendsassa – trägt von Anfang bis zum Ende die Miene eines hasardierenden Pragmatikers (sofern dies überhaupt zusammengeht). Ridley Scott veredelt ihn mit seinem Zweispitz, wo es nur geht. Es sind die Schattenrisse, es sind die Blicke hinter seinem Rücken nach vorn, wenn er bei der Drei-Kaiser-Schlacht bei Austerlitz oder letzten Endes bei Waterloo die Szene betritt und sich aus seinem Unterstand schält, meist in grauem Mantel. Er braucht nur die Hand zu heben, schon donnern die Kanonen. Irgendwann reicht ein kaum merkbares Nicken – und die Armee versteht.

    Um eine ganze europäische Epoche unter einen Filzhut zu bekommen, dazu braucht es Zeit. Viel Zeit. Denn es ist ja nicht nichts, was hier alles geschieht, seit Marie Antoinette ihren Kopf verloren hat. Allerhand spielt sich da ab, Staatsstreiche und Tumulte, Umstürze und jede Menge Schlachten. Das alles will seinen Platz in einem Film fürs Auge finden. Und soll gleichermaßen dazu bewegen, dem dadurch erwachten Interesse an Geschichte später ganz von selbst nachzugehen. Es wäre verlorene Liebesmüh gewesen, hätte Scott den Film in ganzer Länge ins Kino gebracht. Kolportiert ist diese mit über vier Stunden – um die Säle zu füllen, sind es nun zweieinhalb, und selbst da hat man schon das Gefühl, angesichts der Fülle weltbewegender Eckdaten alles schon konsumiert zu haben. Hat sich Scott da nicht etwas übernommen? Wäre eine Miniserie nicht besser gewesen? Nein. Denn Napoleon gehört auf die große Leinwand. Niemand anderer kann Schlachten so dermaßen mitreißend inszenieren wie er. Bei niemandem sonst wird Geschichte zum massentauglichen Großevent. Mit der Darstellung der Schlacht bei Austerlitz sprengt Scott wieder mal alles bisher Dagewesene. So und nicht anders muss das gewesen sein, denkt man sich – vermengt mit allerlei Pathos, historischer Verklärung und als lebendig gewordenenes Ölgemälde.

    Diesen zweieinhalb Stunden merkt man an, dass sie geschnitten sind. Doch was soll man sonst tun, außer zu kürzen. Zwischen der Herrschaft als Konsul und der Krönung zum Kaiser fehlt schon mal so einiges, und auch die Schlacht bei Waterloo lässt einige Fakten außen vor. Vielleicht finden wir diese dann später auf Apple+. Mit ziemlicher Sicherheit gehen die biographischen Aspekte Napoleons dadurch um einiges tiefer. Denn mit Phoenix‘ Darstellung des Machtmenschen kann, muss man aber nicht zufrieden sein.

    Warum Bonaparte tut, was er getan hat, bleibt ein Rätsel. Klar ist: Joséphine ist seine große Liebe, es drängt ihn nach einem Thronfolger, es zieht ihn höchstpersönlich immer wieder aufs Schlachtfeld. Wie er tickt, was er denkt – das alles bleibt popkulturelle Ikone, er selbst sein eigenes Merchandising. Phoenix, natürlich Meister seines Fachs, kann diesem gigantischen Ego, dieser Weltfigur, kaum Herr werden. Er begnügt sich mit einer konstanten Performance, die wenig Regung zeigt, sich kaum entwickelt, das Exil in St. Helena ähnlich hinnimmt wie den Befehl der französischen Regierung anno 1793, die Hafenstadt Toulon zu erobern. Im Vergleich dazu ist Vanessa Kirby die emotionale Kraft in diesem Film, wenn sonst nichts allzu Zwischenmenschliches bleibt, da die Eckpfeiler der Politik alles dominieren. Umso mehr nutzt Scott das private Glück und Elend eines Zweiergespanns, was manchmal zu sehr das Gleichgewicht zwischen Geschichtsgewitter und üppiger Romanze kippen lässtt.

    Napoleon ist keine akkurate Chronik der Ereignisse. Vieles ist bekannt, vieles aber auch auf Entertainment gebürstet. Nichts anderes hat Ridley Scott jemals gemacht. Man siehe nur 1492, Königreich der Himmel oder Exodus. Seine Leidenschaft ist es, bewegte Bilderbücher zu kreieren, Schlachten nachzustellen, vergangene Zeiten in verschwenderischer Ausstattung und ohne Scheu vor Massenszenen zum Leben zu erwecken. Im Kino ist es so, als wäre man mittendrin, statt nur dabei. Es sind epische Momente, die man lange nicht vergisst. Sie erzeugen Gänsehaut und Respekt vor Legenden, die längst ihre realen Personen hinter sich gelassen haben. Wie es wirklich war, liest man besser nach. Beide gemeinsam aber, Film und Recherche, werden zum Erlebnis Geschichte.



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    26.11.2023
    16:57 Uhr
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    Ein unvollständiges Schlachtgemälde

    Exklusiv für Uncut
    Vor 23 Jahren schenkte uns das Dreamteam um Ridley Scott und Joaquin Phoenix eines der ikonischsten Sandalen-Meisterwerke. Nach „Gladiator“ widmet sich der stilprägende britische Regisseur Ridley Scott jetzt dem französischen Diktator Napoleon Bonaparte und setzt niemand Geringerem als Joker-Joaquin Phoenix die Kaiserkrone des faszinierenden Feldherrn auf. Gelingt der ambitionierte Husarenritt „Napoleon“?

    Vorweg: ob er wirklich gelingt, können wir noch nicht abschließend beurteilen. Dazu später mehr. Verfilmt sind in linear-chronologischer Form die wirksamen Jahre Napoleons, beginnend bei der französischen Revolution 1789 bis zum Tod im St. Helena-Exil 1821. Dazwischen stürzt sich das Werk in politische Scharmützel, die großen Schlachten und die ewig zerbrechliche Liebe zu Joséphine. Es stürzt in die Zeit, sucht Orientierung und verliert sich in ihr.

    So wie der Feldherr oszilliert der Film zwischen üppigen Schlachtsequenzen und ruhigen Momenten voller Diplomatie oder Sehnsucht nach Joséphine. Brillant demütig, verletzlich und doch kraftvoll porträtiert Vanessa Kirby („Pieces of Woman“, „Mission: Impossible -Fallout“) die einzig wahre Liebe Napoleons, die eigentlich tragischste Figur auf diesem Schlachtfeld. Mit frühfeministischen Untertönen durchbricht sie die Unterwerfung und zeigt dem Kaiser Grenzen auf. Schauspielerische Oberhand gewinnt klarerweise Joaquin Phoenix. Aus dem bisweilen orientierungslosen Drehbuch holt er das Beste raus. Seine nächste sichere Oscar-Nominierung, wenngleich die ihn kennzeichnende Ambiguität hier nicht benötigt wird, der schleichende Wahnsinn, den er so oft bravourös darstellte.

    Denn es fehlt an Stringenz und Fokus. Nicht überzeugend: Drehbuchautor David Scarpa (auch verantwortlich für „Gladiator 2“ unter Scotts Regie, geplant für November 2024). Napoleons Hingabe und Liebe zu Joséphine bleibt erstaunlich kalt, seine Obsession unglaubwürdig, die Reduktion der Beziehung nur auf den Erben oberflächlich. Ob der leichtfüßige Humor passt, muss das Publikum bewerten, er wird polarisieren. Stellenweise artet die Szenerie in infantilen Slapstick aus. Eine passende Würdigung der im Abspann erwähnten 3 Millionen gestorbenen Menschen, die in den Napoleonischen Koalitionskriegen ihr Leben ließen? Mindestens fraglich. Noch schwerer wiegt: das fehlende Innere Napoleons. Eine ausgereifte Charakterstudie bekommen wir (noch) nicht, wir suchen vergebens Tiefe, Ängste und Charisma der blassen Hauptfigur. In der Kinofassung wirkt „Napoleon“ seltsam zerschnitten, das Buch chaotisch angesichts der ehrgeizigen Inhalte, die Kriege wie Fremdkörper. Vielleicht schafft es der von Ridley Scott bereits angekündigte Director‘s Cut mit über vier Stunden Laufzeit die Lücken zu füllen.

    Wo es an Seele mangelt, nehmen andere Elemente ihren Platz ein. Altmeister Ridley Scott mitsamt Dariusz Wolski („Fluch der Karibik“, „Der Marsianer“), inzwischen Haus-und-Hof-Kameramann von Scott, inszeniert erwartbar einen Kostüm-Schinken mit opulenter Ausstattung, mächtigen Armeen und übersättigten Bildern. Er führt uns mit militärischem Marschgetrommel und barocken Klängen nach Paris, nach Ägypten, über Austerlitz bis nach Moskau. Auf dem Schlachtfeld spritzt Blut, aufgeblähte Kavalleriestaffeln reiten umher, hier hat der Film starke Momente. Häufige Zeitlupen sollen die Konzentration schärfen, die dem Drehbuch fehlt. Ob Marie Antoinette nun lange statt kurze Haare trug, ob die Schlacht so filmreif nah an den Pyramiden stattfand –historische Präzision wird Opfer von Kunst und Dramaturgie. Und das wäre völlig in Ordnung, hätten Napoleon ein Innenleben und der Film mehr Klarheit.

    Vor dem Fazit eine Anmerkung, die zum Napoleon-Thema gestattet sein muss. Zeitlebens studierte Visionär Stanley Kubrick das Faszinosum Napoleon. Viele Recherchen verwendete er immerhin für den unterschätzten „Barry Lyndon“ (1975). Und doch bleibt die Frage: Was wäre es für ein Film geworden, hätte Stanley Kubrick sein Lebenswerk vollenden und einen Film über Napoleon drehen können… Zumindest plant Steven Spielberg eine Serie, die auf Kubricks umfangreichen Recherchen basieren soll.

    Fazit: „Napoleon“ zeichnet ästhetisch beeindruckende Schlachtengemälde, leider geht dem Epos im Zeichnen der Charaktere die Farbe aus. Handwerklich, inszenatorisch und schauspieltechnisch sehr solide, ein in Ansätzen interessantes, aber überambitioniertes Epos, dem es an Struktur mangelt. Entweder ist weniger hier mehr mit reinem Fokus auf zwischenmenschliche Tragödien oder politischen Wirrungen. Oder aber der Director’s Cut erfüllt alle Anforderungen des imposanten Lebens des Napoleon. Die 158-minütige Kinofassung ist jedenfalls wie ein Puzzle ohne Ordnung, bei dem am Ende Napoleons ikonischer Hut, der Zweispitz, an der falschen Stelle sitzt.
    bfotok_a43f9b4a6b.jpg
    22.11.2023
    21:39 Uhr