3 Einträge
8 Bewertungen
72.5% Bewertung
  • Bewertung

    Der vierte Teil macht leider nichts wirklich gut. Alles was man sieht, hat man schon in den Vorgängern gesehen und die machen es einfach besser. John Wick nimmt sich als Charakter derart zurück, dass er praktisch nur noch in den Actionszenen vorzukommen scheint. Die Handlung ergibt kaum noch Sinn und vorallem hat John Wick irgendwie keinerlei Beweggründe oder Tiefgang. Wie die Kampfszenen in der Öffentlichkeit von Passanten wahrgenommen werden erinnert an GTA.

    Zusammenfassend ist der vierte Teil einfach enttäuschend. Man lässt die Action emotionslos auf sich wirken und ist schon während dem schauen von der schwachen Handlung enttäuscht.
    12.04.2023
    14:42 Uhr
  • Bewertung

    Goodbye to you my trusted friend

    Alles beginnt eigentlich damit, dass sein Hundewelpen Daisy unter brutaler Einwirkung von außen das Zeitliche segnen musste. Und damit, dass sich jene Übeltäter, die das Haustier auf dem Gewissen haben, auch noch seinen Ford Mustang klauen. Einer wie John Wick könnte diese Unbill, unter Berücksichtigung dessen, was er alles schon erlebt hat, auf die leichte Schulter nehmen. Er muss es aber nicht. Wäre seine Frau nicht vor Kurzem erst an einer Krankheit verstorben, wären die weiteren Entbehrungen vielleicht zwar tragisch, aber zu bewältigen gewesen. So kommt alles zusammen – und der Killer im Ruhestand muss leider wieder seinen Instinkt aktivieren, um all jene zur Rechenschaft zu ziehen, die ihm Übles wollten. Unter der Regie von David Leitch und Chad Stahelski erblickte 2014 eine dunkel umwölkte Figur des Actionkinos das Licht der Leinwand, die mittlerweile zur Ikone wurde. Schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, strähnige Haare bis zur Schulter, die ein bärtiges Gesicht umrahmen, aus dessen Mund nur selten viele Wörter kommen. Der lakonische Rächer der Neuzeit war geboren. Eine Mischung aus Clint Eastwood, The Crow und dem Mann aus Stahl, der physische Belastung neu definiert, Schmerzen erduldet und Gegnern gerne aus nächster Nähe ins Gesicht schießt. Wick verfolgt weder ein hehres Ziel noch tritt er für andere ein wie John McLane. Sein Krieg ist reiner Selbstzweck, die Opferbereitschaft gleich null. Erlösung nur für sich selbst ist das Credo eines Egomanen. Und Keanu Reeves, schwerfällig und wortkarg, scheint diesen Finsterling zu lieben. Nach Weltenbefreier Neo aus Matrix ist dies die nächste Instanz – in einer Welt, die genauso projiziert scheint wie das grünstichige Elysium, in welchem die Menschheit in ferner Zukunft dahindämmert. In dieser Welt, unserer recht ähnlich, herrscht die Hohe Kammer – eine Killer-Gilde, die bis in die höchsten Kreise der Welt- und Konzernregierung ihre Bonzen sitzen hat. Niemand kann der Hohen Kammer das Handwerk legen, sie ist so unangreifbar wie Hydra oder Spectre. Bricht einer, der dem Verein angehört, auch nur irgendwie die Regeln, bläst das Syndikat zum Halali. Und die weltbesten Killermaschinen können sich, wenn sie geschickt sind, satte Prämien einstreichen, wenn sie dem Falschspieler das Licht ausblasen.

    Niemand hat mit ihm gerechnet, mit John Wick, der immer noch die Wut ob seines getöteten Hundes im Bauch hat und sich durch Kapitel 2 und Kapitel 3 hindurch gegen den Rest der Welt erwehren hat müssen. In Kapitel 4 scheint nun alles auf eine Götterdämmerung hinzudeuten. Der schmierige und diabolische Franzose Marquis de Gramont (Bill „Pennywise“ Skarsgård), einer der Oberen der Hohen Kammer, hat grünes Licht dafür bekommen, mit Wick zu verfahren, wie er gerne will. Dafür engagiert er den in Killer-Rente gegangenen Chinesen Caine (Donnie Yen, genauso blind und im Stockkampf so versiert wie sein Alter Ego Chirrut Imwe aus Rogue One – A Star Wars Story ). Der will natürlich nicht gegen einen guten alten Freund antreten, muss aber, wenn ihm das Leben seiner Tochter lieb ist. Die erste Begegnung der beiden erfolgt dann im Continental Hotel in Japan, Zuflucht für Jäger und Gejagte. Von da an rast der Body Count wie der Blutdruck eines Cholerikers nach oben, es wird gekämpft, geschossen, gefallen und wieder aufgestanden. Glas splittert, Blut spritzt – aber nur dezent. Wem diese Art der Konfrontation liegt, der wird auch die nächsten zwei Stunden sein Vergnügen finden. Da alles auf ein Finale hinausläuft und die Geschichte am Ende des Films auserzählt sein wird, glänzt das dritte Sequel auch wirklich mit einem viel straffer gezogenen Narrativ, das genug Dramatik besitzt, um auch immer mal wieder Weisheiten vom Stapel zu lassen, die für das Heroic Bloodshed-Kino Asiens so unentbehrlich sind.

    Einen guten Tod gibt es nur für ein gutes Leben. Sagt Hiroyuki Sanada als Hotelchef Koji in den wenigen Dialogsequenzen, die mit John Wick geführt werden. Oder: Wer sich an den Tod klammert, wird leben. Wer sich ans Leben klammert, wird sterben. Und schon ist sie da: die Apotheose der Action-Virtuosen, die jede Kampfkunst beherrschen und für die Frakturen nur antiquierte Schriftzeichen sind. Die vom dritten Stock auf den Asphalt fallen oder überfahren werden. Das passiert, wenn das Actionkino Amerikas so sein will wie die irren Poeten fernöstlicher Bleigewitter eines John Woo, Gareth Evans oder Ringo Lam: Gewalt wird zur Bühnenshow, zur üppig ausgestatteten Oper zwischen Kirschblüten und Eiffelturm. Chad Stahelski hat viel von seinen Vorbildern gelernt, entsprechend zielsicher hat er all sein Können auch in den letzten und womöglich besten Teil der Reihe hineingebuttert: John Wick: Kapitel 4 ist ein Fass ohne Boden, wenn es um stylishe Locations, entfesselte wie fancy Farbenspiele und wummernde Rhythmen geht. Die Kamera liefert ein Comic-Panel nach dem anderen, mixt diese mit Sequenzen wie aus einem Videospiel, wenn minutenlang nur die Sicht von oben John Wicks Eskapaden zeigt. Es ist, als hätte der lakonische Killer mit der Lust am Töten, die man ihm aber seltsamerweise nicht übelnehmen kann, seine ersten Handlungen als Graphic Novel-Antiheld absolviert. So mutet der Streifen als verfilmter Comicstrip an, der gar keiner ist.

    Da sich Stahelski auch von der obszönen Brutalität so mancher asiatischen Alleskönner fernhält, bleibt auch die Gewalt entrückt und irreal. Mitunter kommt es vor, dass Opfer auf wundersame Weise verschwinden, wenn sie eliminiert wurden. Realität spielt also keine Rolle mehr, was zählt ist das schillernde Pathos eines Krieges „Einer gegen Alle“. Zynisch, melancholisch und mitunter auch witzig – Action als theatralische Kunstform.


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    25.03.2023
    19:23 Uhr
  • Bewertung

    The Good, the Bad and John Wick

    Exklusiv für Uncut
    Siebenundsiebzig. Einhundertachtundzwanzig. Vierundneunzig. Insgesamt 299 Personen hat John Wick in den ersten drei Teilen der gleichnamigen Reihe auf dem Gewissen. Was nach Sinnlosigkeit und Blutrausch klingt, hat sich jedoch als äußerst erfolgreiches Kult-Phänomen etabliert. Wieso sticht die John-Wick-Orgie aus dem Action-One-Man-Army-Einheitsbrei heraus (wir denken an Transporter, Taken, Rambo, Stirb Langsam)? Wieso wird die Reihe mit jedem Teil besser? Wieso wird sie von Publikum und von der Kritik gleichermaßen geschätzt – und das bei verhältnismäßig geringem Budget? Nun, eine fast einzigartige Kontinuität auf dem Regiestuhl (Chad Stahelski inszenierte alle bisherigen Filme und auch das vierte Kapitel), ein stilistisch audiovisueller Sog, dem man sich schwerlich entziehen kann, meisterhaft orchestrierte Action-Sequenzen und eine mythische interessante Killer-Parallelwelt mit religiöser Symbolik machen John Wick zu etwas Besonderem. Bleibt nur die Frage, ob das vierte Kapitel mithalten kann?

    Und wie es das kann! Nach 2014, 2017 und 2019 stürzt sich Keanu Reeves aka John Wick in die nächste Kugelhagel-Ballettstunde. Ein paar Jahre sind seit dem Sturz vom Continental-Hotel in Kapitel 3 vergangen. Zu Beginn übergibt der Bowery King (wieder dabei: Matrix-Mitstreiter Lawrence Fishburne) unserem wortkargen Antihelden das neue Tanzoutfit, mit dem John in den Wettkampf um sein Leben und seine Freiheit gehen kann. Neu dabei auf der Gegenseite ist der Vertreter der Hohen Kammer, der Marquis Vincent de Gramont (nicht sehr angsteinflößend: Bill Skarsgård), der mithilfe des blinden Caine (agil wie eh und je: „Ip Man“ Donnie Yen) das „Problem“ John Wick bis zum Old-School-Duell bei Sonnenaufgang in Paris jagen wird. So entsteht ein modernes Western-Szenario zwischen Pro und Antagonist, das inhaltliche Schwierigkeiten, aber stilistische Glanzpunkte hat. Eine letzte Bemerkung zum Cast: Lance Reddick spielt zum vierten Mal den Concierge Charon, bevor er am 17.03.23 wenige Tage vor dem Release für immer seine Augen schloss.

    Bisweilen kann sich „John Wick – Kapitel 4“ auf inhaltlicher Ebene nicht ganz Redundanz und Repetition verwehren. Das liegt in der Natur einer Filmreihe. Am wenig komplexen Handlungsaufbau hat sich im Vergleich zum dritten Kapitel nichts geändert, die Motive wirken im späten Stadium der Reihe zu bemüht und konstruiert. Der Kampf zwischen John und der Hohen Kammer geht in eine weitere Runde, weshalb sich die Wiederholungen etwas schwerfällig anfühlen. Schwerfällig wirken auch die Schritte von Keanu Reeves, der bis zu 90% seiner Stunts selbst macht.

    Als früheres Stunt-Double für Keanu Reeves in der Matrix-Reihe kennt Regisseur Chad Stahelski Genre und Darsteller genau und als ehemaliger Wettkampf-Kickboxer ist er mit Martial Arts vertraut. Diese Konstanz bietet den großen Vorteil einer visuellen und dramaturgischen Konsistenz der gesamten Reihe -und auch des vierten Kapitels. Imposante Kulissen und ein beinahe haptisches Szenenbild bilden den beeindruckenden Hintergrund für waghalsige Action, die es in sich hat. Teilweise wird man, auch getragen vom treibenden Techno-Sound, regelrecht wie in Trance in die Kampfhandlungen gezogen. Entscheidende Stilmittel, auch im Vergleich zu anderen Action-Reihen, sind Plansequenzen und geringe Schnittfrequenz. Wo ansonsten Action regelrecht zerschnitten wird, wo nur noch Beine, Arme und verwundete Köpfe zu sehen sind, bleibt John Wick im Fokus und zeigt ganze Körper im Rausch der Kampfkunst. Judo-Würfe, Jiu-Jitsu-Techniken, Schläge, Tritte, Hebel, Nunchuck-Aktionen. John Wick beherrscht alles, der Film zeigt dies gnadenlos. Ein faszinierender comichafter Realismus, zu dem reflektierte Pastellfarben, Schwarzlicht und Disco-Stroboskop beitragen.

    Fazit: Mit epischen und kurzweiligen 169 Minuten ist „John Wick – Kapitel 4“ ein moderner, rasanter Americano-Western, dem es mitunter an Tiefe und Handlungsoriginalität mangelt, der seine Stärken kennt und diese formidabel ausspielt. Denn Stahelski und Reeves finden auch noch im vierten Teil kreative, neu bebilderte Einstellungen zu den stil- und schusssicheren Kampfhandlungen. Bemerkenswert choreografierte, kinetische Plansequenzen im Neo-Noir-Style vor eindrucksvollen Szenerien erzeugen auch im vierten Kapitel der John-Wick-Reihe ein immersives Erlebnis. Wer dachte, es könnte ein „Zuviel“ an handwerklich gut gemachter Action geben, wird eines Besseren belehrt. Und auch für die Zukunft ist gesorgt: Die Dreharbeiten für den Ableger „Ballerina“ mit Ana de Armas sind abgeschlossen und die dreiteilige Mini-Serie „The Continental“ erscheint noch dieses Jahr. Bleibt nur zu hoffen, dass der einzigartige Stil des Wickversums nicht verloren geht.
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    23.03.2023
    20:26 Uhr