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    die Töterinnen

    Der farbige Regisseur Steve McQueen (12 Years a Slave) bringt sich hier als Frauenversteher ein. Und das ist nicht böse gemeint. Er hat einfach einen Plot aus dem Gangster Milieu genommen und die Innenseite nach Außen gewendet. Will sagen: als die Männer ins Gras gebissen hatten und ihren Frauen einen Haufen Schulden hinterlassen, bringen jetzt ihre Frauen, Freundinnen etc. deren Job zu Ende und beschaffen das Geld. Planen wie sie, ballern wie sie und sind teilweise erfolgreicher als ihre Männer. Es sind vier Mädels: Veronica (Viola Davis) hat den Plan ausgeheckt und ist die Bandenchefin. Alice (Elizabeth Debicki) muss ansonsten gezwungenermaßen anschaffen gehen, Linda (Michelle Rodriguez), deren Mann sich verzockt hatte, versinkt in Schulden und als Fahrerin kommt noch Belle (Cynthia Erivo) dazu. In die Zwischenräume hat das Drehbuch des Regisseurs als Füller einige, kleine Problemchen gesteckt, die den Plot verschlimmbessern. So der Zwist zwischen Tom (Robert Duval) und seinem Sohn Jack (Collin Farrell). Jatemme (Daniel Kaluuya) ist der Schuldeneintreiber und Killer vom Dienst. Liam Neeson spielt Veronicas Ehemann und irrlichtert durchs Bild, weil er sich anscheinend noch über seine Rolle klar werden muss. Er passt aber auch so gar nicht ins Bild. Diese kleinen Zwischenaktionen verwirren eher als dass sie veranschaulichen. Am Ende sind alle Frauen in ihrem vertrauten Alltag zurück und Veronica macht eine Stiftung für die Schulbibliothek.
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    21.08.2022
    13:50 Uhr
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    Spannungsgeladener Heist-Thriller trifft auf emotional aufwühlendes Charakterdrama mit politischer Note

    Exklusiv für Uncut
    Regisseur Steve McQueen (nicht zu Verwechseln mit dem Alt-Hollywood-Star mit demselben Namen) wird nicht ohne Grund oft als einer der großen Filmemacher unserer Zeit bezeichnet. Der 49-jährige Brite verblüffte bereits mit seinem erst 2008 erschienenen Debütwerk „Hunger“ die Filmwelt.. Drei Jahre später folgte das ebenso gelobte Charakter-Drama „Shame“, in dem abermals der mittlerweile zum Weltstar erkorene Michael Fassbender in der Hauptrolle zu sehen war. 2013 zeichnete sich dann ein großer Bekanntheitsanstieg in der Karriere McQueens ab, denn sein mitreißendes Sklaven-Drama „12 Years A Slave“ wurde mit dem Oscar für den „Besten Film“ gekrönt und war in insgesamt neun Kategorien nominiert. McQueen war zudem der erste Filmemacher mit schwarzer Hautfarbe, der durch seine zusätzliche Beteiligung als Produzent die Höchstauszeichnung der Academy Awards mit nach Hause nehmen durfte. Plötzlich war aus dem einstigen Indie-Darling eine in ganz Hollywood gefragte Stimme des modernen Kinos geworden. Nach dem Preisregen ist es also wenig überraschend, dass McQueen für sein Folgewerk nun so viel an budgetären Mittel zur Verfügung bekam wie noch nie zuvor. Mit dem Heist-Thriller „Widows“ bewegt sich der Regisseur signifikant von der sperrigen Indie-Herangehensweise seiner vorherigen Werke weg und hat damit seinen ersten Genre-Film gedreht. Zumindest scheint es nach außen hin so, denn tatsächlich ist es McQueen hier gelungen, klassische Heist-Film-Elemente mit tiefgehendem Charakterdrama zu verbinden und dem Ganzen sogar noch zusätzlich ein gesellschaftspolitisch relevantes Häubchen aufzusetzen. Aber zunächst: Worum geht's überhaupt?

    Die drei Frauen Veronica (Viola Davis), Linda (Michelle Rodriguez) und Alice (Elizabeth Debicki) müssen den Alltag seit kurzem als Witwen bewältigen. Deren kleinkriminelle Ehemänner sind nämlich bei einem schiefgegangenen Raubüberfall ums Leben gekommen. Veronicas Ex-Mann Harry (Liam Neeson) hatte bis zu seinem Tod noch 2 Millionen US-Dollar an Schulden beim mächtigen Gangster-Boss Jamal Manning (Brian Tyree Henry) offen, der das Geld für seine politische Kampagne gegen den mächtigen Jack Mulligan (Colin Farrell) benötigt und sie nun dazu drängt, ihm die Summe zu besorgen. Sie entschließt sich dazu, mithilfe der zwei anderen Witwen Linda und Alice sowie der Friseurin Belle (Cynthia Erivo), die ihnen als Fluchtfahrerin aushilft, einen gefährlichen Coup durchzuführen, den ihr Ex-Mann bereits lange zuvor geplant hatte.


    Mit „Widows“ hat Steve McQueen einen Film geschaffen, der als spannungsgeladener wie auch unterhaltsamer Heist-Thriller, zur selben Zeit jedoch auch als Charakter-fokussiertes Drama mit gesellschaftskritischem Unterton funktioniert.

    Die Heist-Elemente erzeugen durch die technische Finesse der Umsetzung eine erstklassig exerzierte Hochspannung, wie man sie im aktuellen Mainstream-Kino Hollywoods nur selten erleben darf. McQueen erweist sich einmal mehr als handwerklicher Meister und zeigt, dass einzelne Szenen oft mehr Wirkung zeigen, wenn man diesen mehr Zeit zum Entfalten gibt, anstatt hektisch gleich zur nächsten Szene zu schneiden. Die kristallklare und in grünlichen Farben getränkte Kinematographie von Kameramann Sean Bobbit geht Hand in Hand mit den präzise platzierten Schnitten und den nervenaufreibenden Score von Meisterkomponist Hans Zimmer. Die fantastische Kameraarbeit kommt besonders in den Plansequenzen des Films zur Geltung, die mittlerweile schon zum signifikanten Stilmittel McQueens geworden sind. Eine lange Einstellung, die von oben herab gefilmt einer fahrenden Limousine folgt, in die im Anschluss zu einer politischen Kundgebung der von Colin Farrell gespielte Jack Mulligan einsteigt, sei besonders hervorzuheben.. Während die Kamera in dieser Sequenz stets auf das Äußere des Autos gerichtet ist, sehen wir wie dieses sich in kürzester Zeit von einer von Armut gezeichneten Gegend in ein Reichenviertel, in dem Mulligan selbst haust, bewegt, während dieser im Auto sitzend eine rassistische Schimpftirade von sich gibt. Diese ironische Gegenüberstellung kann als Sinnbild für die allgemeine soziopolitische Brisanz des Films angesehen werden, die sich durch das gesamte Werk hindurchzieht und auf subtile Art und Weise Rassismus-Probleme innerhalb der US-Gesellschaft anspricht.

    Das Drehbuch aus der Feder von „Gone Girl“-Autorin Gillian Flynn und McQueen selbst ist jedoch nicht rein an den Heist- und Polit-Elementen interessiert, sondern schafft es zudem den Film mit fein ausgearbeiteten Figuren zu schmücken.

    Mithilfe der exzellenten Darstellerriege konnte den Charakteren dann sogar noch ein zusätzliches Maß an Glaubwürdigkeit und Tiefe abgewonnen werden. Ob nun eine Michelle Rodriguez, die man zuvor noch nie so ausdrucksstark erleben durfte, ein ruchloser Colin Farell oder eine toughe Elizabeth Debicki - ein/e jede/r kommt dazu, seine Bestleistung zu zeigen. Aus der erstklassigen Besetzung stechen jedoch zwei Namen noch mal besonders heraus: Viola Davis und Daniel Kaluuya. Oscar-Preisträgerin Davis schafft es, die innere Zerrissenheit und Trauer wie auch den harten Kern ihrer Figur schauspielerisch auf den Punkt zu bringen. Kaluuya, der letztes Jahr noch für den Horrorthriller „Get Out“ seine erste Oscar-Nominierung kassierte, verkörpert hier hingegen einen kaltblütigen Mafia-Vollstrecker, der gleichzeitig auch der Bruder von Gangsterboss Jamal Manning ist. Mit seiner Darstellung zeigt sich Kaluuya hier von einer völlig anderen Seite und kann mit seiner wahrlich unheimlichen Präsenz alle Szenen, in der sein Charakter auftaucht, völlig für sich einnehmen.

    Es könnte durchaus kritisiert werden, dass das Skript sich gegen Ende in die eine oder andere Wendung verstrickt und auch einzelne Handlungsstränge zu geschwind vom Tisch gekehrt werden. Obwohl man also meinen könnte, dass der Film szenenweise fast schon zu viel auf einmal versucht, sollte man nicht außer Acht lassen, dass McQueen dieses Unterfangen zum Großteil nichtsdestotrotz völlig gelungen ist. „Widows“ ist nervenaufreibender Heist-Thriller, mitreißendes Charakter-Drama wie auch politisches Statement zugleich und schafft es sowohl in diesen einzelnen Dimensionen als auch als Gesamtwerk absolut aufzugehen.

    Ein großartig gespielter und virtuos inszenierter Genre-Mix, der eine Vielseitigkeit und Durchdachtheit mit sich bringt, die man im heutigen Blockbuster-Kino oft vergeblich sucht - ein Hoch auf Steve McQueen!
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    07.12.2018
    16:02 Uhr