Little Miss Sunshine

Bewertung durch T.W.  80% 
Durchschnittliche Bewertung 79%
Anzahl der Bewertungen 67

Forumseintrag zu „Little Miss Sunshine“ von T.W.


t.w._7d88b397be.jpg
T.W. (17.11.2010 18:17) Bewertung
Little Miss Sunshine
Exklusiv für Uncut
Die siebenjährige Olive Hoover ist pummelig, bebrillt und nicht gerade das, was man als kleine Prinzessin bezeichnen würde. Aber sie hegt einen großen Traum: die Wahl zur Little Miss Sunshine zu gewinnen. Dabei hat sie vollste Unterstützung von ihrer Familie - rein theoretisch. Denn praktisch sind die Hoovers ein Haufen Loser.

Zu Beginn werden die einzelnen Mitglieder dieser amerikanischen Mittelstandsfamilie in einer schnellen Montagesequenz vorgestellt: die Jüngste, Olive (Abigail Breslin) schaut mit ihrer übergroßen Brille direkt in die Kamera - während wir auf sie blicken. Durch die gewählte Kameraperspektive wirkt sie einfach herzerwärmend. Auch scheint sie in weiterer Folge als einziges Familienmitglied gefestigt zu sein und den väterlichen Optimismus verinnerlicht zu haben.

Daddy Richard (Greg Kinnear) hält zwar gern Motivationsseminare aber als Personality Coach ist er ein Totalflop. In der Theorie hat er das Leben voll im Griff, in der Praxis aber besteht Handlungsbedarf. Weder seinen Kunden noch seiner Familie kann er sein Erfolgsrezept verkaufen, was ihm wiederum seine Ehefrau Sheryl (Toni Collette) nur zu gerne unter die Nase reibt.

Olives Bruder Dwayne (Paul Dano) ist ein besessener Nietzsche-Anhänger, der seinem Idol im Kinderzimmer sogar einen Mini-Altar errichtet hat. Auch er ist für seine Familie kein Quell der Freude: seit Monaten hat er kein Wort mehr mit ihnen gewechselt - das Schweigegelübde soll nämlich die Aufnahme in die Air Force erzwingen. Falls er doch ein Mitteilungsbedürfnis verspürt, dann verfasst er kurze Nachrichten auf seinem Notizblock.
Opa Edwin (Alan Arkin) ist ein liebenswerter Tunichtgut, der wegen seines übermäßig freizügigen Umgangs mit Sex und Drogen aus dem Seniorenheim rausgeflogen ist. Nun fällt er daheim seiner Familie ebenso auf die Nerven wie Onkel Frank (Steve Carell). Sheryls Bruder, ein schwuler Uni-Professor, wälzt sich im Liebeskummer seit ihn sein junger Lover verlassen hat und er daraufhin erfolglos einen Selbstmordversuch unternahm.

Diese obskure Reisegesellschaft macht sich nun gemeinsam im altersschwachen VW-Bus auf nach Kalifornien, um die kleine Prinzessin ihrem Traum näher zu bringen. Unterwegs sieht man ein Straßenschild mit dem verheißungsvollen Namen Carefree Highway - doch sorgenfrei wird diese Reise nicht werden; bald liegen die Nerven blank und kleinen Krisen folgen große Katastrophen. Zuerst macht die Kupplung des Vehikels schlapp, dann vergisst man in aller Hektik Olive nach einem Zwischenstopp bei der Tankstelle und kurz darauf verstirbt auch noch Opa. Im Krankenhaus besteht man auf eine zügige Beerdigung, doch die würde die familiäre Mission zum Scheitern bringen. Also entführt man kurzerhand den Leichnam, um rechtzeitig den Veranstaltungsort des Schönheitswettbewerbs zu erreichen. Doch damit sind noch lange nicht alle Probleme überwunden, die sich der Fahrgemeinschaft in den Weg stellen…

Entgegen aller Komplikationen wächst der chaotischen Clan zusammen und beweist seinem kleinen Sonnenschein, wie echte Gewinner aussehen. Nur leider schießen sie bei ihren Versuchen, Olive zum Sieg zu verhelfen, etwas übers Ziel hinaus: Opa hatte mit Olive die Tanznummer für ihren Auftritt einstudiert - doch entsprechend seinem Vorleben ist das ausgerechnet ein heißer Strip!

Was den Reiz dieses Films ausmacht, ist sowohl die Mischung aus bitterböser, tragikomischer Satire mit Roadmoviecharakter, als auch die harmonische Zusammenstellung der durchwegs schrulligen Figuren. Diese sind sorgfältig ausgearbeitet und trotz - oder gerade wegen - ihrer Eigenheiten allesamt sympathisch. Sie werden zudem herrlich respektlos und originell gespielt.

Die Familie wird auf eine Reise geschickt, die gespickt ist voll zündender Einfälle, vergnüglichen Dialogen (Dwaynes erstes Wort nach seinem Schweigemarathon ist „Scheiße“, nachdem er erfahren hat, dass er farbenblind und somit als Pilot untauglich ist) und prächtiger Situationskomik. Zum Beispiel als es im Motel zu einem Elternstreit kommt und der Sohnemann davon nichts mitbekommen soll, wird einfach der Fernseher angemacht - just in dem Moment als George Bush eine Rede hält.

Die bissige Kritik am amerikanischen Schönheitswahn und Konkurrenzdenken, das schon die Kleinsten befällt, ist wohldosiert und rutscht kaum in Albernheit ab. Zudem wirken die tragischen Momente hier wie das Salz in der Suppe.
 
 

zum gesamten Filmforum von „Little Miss Sunshine“
zurück zur Userseite von T.W.