The Wrong Movie

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Forumseintrag zu „The Wrong Movie“ von anachronista

anachronista (27.02.2024 21:03) Bewertung
Liebe in Zeiten der Unboxing-Videos
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2024
Das Gefühl, im falschen Film zu sein, evoziert „The Wrong Movie“ von Keren Cytter immer wieder. Die Anfangsszene zeigt eine Großaufnahme einer weißen Unterhose vor einem Herd. Die Unterhose gehört zu Alex, der sich einen Kaffee zubereitet, bevor er ein Unboxing-Video für eine Drohne aufnimmt. Allerdings driftet er schnell ab und gesteht seinem Publikum, dass er mit einem Drogenproblem zu kämpfen hat. Kurz darauf bekommt Alex Besuch von seiner Ex-Freundin Angel, mit der er über die zurückliegende Beziehung spricht. Als Angel wieder nach Hause geht, wird sie von der inzwischen ausgepackten Drohne verfolgt, die von Alex gesteuert Angel fortan begleitet und scheinbar eine Art Beziehung zu ihr aufzubauen versucht. Angels neuer Freund hat ebenfalls mit seiner Sucht zu kämpfen. Er bricht mit seinem Dealer in die Wohnung von Alex ein, um an Stoff zu kommen. Und schließlich gibt es noch Nicole, die eine inzestuöse Beziehung zu ihrem Vater hatte und dessen Asche seitdem in ihrer Handtasche mit sich herumträgt. Die Handlung mag merkwürdig klingen und das ist sie auch. Wer einen klassischen narrativen Spielfilm erwartet, wird von „The Wrong Movie“ enttäuscht werden. Denn weder die Handlung noch die Figuren oder die stets extrem synthetisch klingenden Dialoge, die mit theaterhaftem Pathos vorgetragen werden, schaffen es so richtig, eine Spannung aufrecht zu erhalten. „The Wrong Movie“ versucht nicht, den Figuren Authentizität einzuhauchen, sondern sie stellen mit ihren pseudo-aufgeladenen, aber bei näherer Betrachtung eher leeren Phrasen, Klischees hyperindividualisierter postmoderner Großstädter dar. Denn – so viel wird durch die Influencer- und Content-Creator-Charaktere deutlich – „The Wrong Movie“ ist auch als Parabel über soziale Medien und deren vereinzelnden Folgen zu verstehen. Diese Kritik kulminiert überspitzt in einem Suizid, der mittels einer Art Smartphone-Pistole begangen wird.

Stilistisch arbeitet die Regisseurin oft mit Aufnahmen, die lediglich Körperausschnitte zeigen. So sind die Köpfe häufig abgeschnitten und der Blick wird auf Details gelenkt, die eigentlich gerade nicht ins Auge stechen. Wirklich bemerkenswert ist der Soundtrack von Dan Bodan. Die experimentellen Synth-Klänge verleihen der Atmosphäre einiger Szenen zumindest akustisch eine eigenwillige und seltsame Qualität, welche die Bilder meist nicht in der Lage zu kreieren sind.

The Wrong Movie schafft auf jeden Fall zu irritieren. Doch die filmisch und narrativ interessanten Aspekte hätten sich sicherlich auch in verdichteterer Form in kürzerer Zeit unterbringen lassen und dadurch ein kurzweiligeres Vergnügen ermöglichen können.
 
 

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