One Life

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Forumseintrag zu „One Life“ von UR_000

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UR_000 (31.03.2024 14:33) Bewertung
Eine (routinierte) Heldengeschichte in der Aktentasche
Exklusiv für Uncut
Der ältere Mann mit weißem Haar und Brille ist unscheinbar; sieht man davon ab, dass er von Anthony Hopkins dargestellt wird. Aber er ist es nicht. Langsam rollt Regisseur James Hawes in „One Life“ seine Heldengeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg auf. Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht. Sie erinnert wahrscheinlich an einen anderen preisgekrönten Film, der sich mit der Rettung von Juden beschäftigt: Steven Spielbergs „Schindlers Liste“. Ob „One Life“ einen so hohen Status erreichen wird, ist fraglich. Wahrscheinlich nicht, was aber nicht heißt, dass Hawes Film nicht wichtig ist. Er ruft immerhin in Erinnerung, dass es Menschen gegeben hat, die etwas getan haben. Und setzt diesem stillen Mann ein filmisches Denkmal.

Aufwühlender Fund

London, 1980er: Der ehemalige Börsenmakler Nicholas Winton wird von seiner Ehefrau gezwungen, das Arbeitszimmer aufzuräumen und Platz zu schaffen. Dabei entdeckt er eine alte Aktentasche und ein Album mit Impressionen aus der Vergangenheit. Er studiert sie im Detail, in Nahaufnahme, sodass hunderte Gesichter von Kindern zutage treten. Regisseur Hawes verwebt die Aufarbeitung dieses Fundstückes mit der Geschichte hinter den Bildern.

Rückblick auf eine kühne, menschliche Aktion

Ein junger Nicholas reist nach Prag, als der Einmarsch der Nationalsozialisten bevorsteht. Bewegt vom Leid der vor allem jüdischen Kinder und ihrer Familien in den Flüchtlingslagern ersinnt er eine Mission: Kinder nach England zu holen und sie temporär adoptieren zu lassen.

Glauben an Unglaubliches

Dieses noble Unterfangen ist weder einfach noch ungefährlich. Hawes präsentiert Winton als empathischen, hartnäckigen Mann, der an das Unmögliche glaubt. Und alle Hebel in Bewegung setzt, um die strengen Ein- und Ausreiseregelungen einzuhalten und möglichst viele Kinder aus Prag zu retten. Unterstützt wird er von seiner Mutter (gewohnt charismatisch: Helena Bonham Carter) und einigen Mitstreiter*innen in Großbritannien und vor Ort in Prag.

„One Life“ konzentriert sich voll und ganz auf diese Mission, gibt den Nazis wenig Raum. Ihre Verbrechen werden indirekt, also subtil und daher vielleicht wirkungsvoller als mit stereotyper Darstellung des Bösen, spürbar: über die Zustände in den Flüchtlingslagern, die Angst und schließlich über die Nachverfolgung der Schicksale der Eltern und Geschwister der geretteten Kinder.

Tränenreicher Abschied

Hawes zeichnet in „One Life“ eine geradlinige, routinierte Heldengeschichte. Bei der Thematik ist es nicht verwunderlich, dass manche Szenen etwas melodramatisch daherkommen. Schließlich werden das Leid im Flüchtlingslager, die Trennung von Familien und der Abschied für immer nicht nur einmal gezeigt. Wobei die Dosis der Rührseligkeit wohl erträglich ist.

Ein Held, der sich nicht so sieht

Hawes kommt immer wieder in die 1980er und zu einem älteren Nicholas Winton zurück. Und gibt Einblicke in eine Persönlichkeit, die die Vergangenheit nicht loslässt. Auf einen Mann, den ein Geheimnis beschäftigt, vielmehr verfolgt. Hopkins porträtiert diesen Mann, der sich mit nichts zufriedengeben möchte, der nicht sehen kann, was ihm gelungen ist, mit Würde und Bescheidenheit.

Ein Zeichen für den Helden

Wer die Geschichte rund um Nicholas Winton kennt, weiß, auf welchen Höhepunkt „One Life“ zusteuert. Einen Höhepunkt, den Hopkins meistert, sogar etwas Gänsehaut erzeugt, als seine Figur das Zeichen der Dankbarkeit endlich sieht und erfassen kann.

Routinierte True Story

„One Life“ bietet wenig Innovatives, setzt voll und ganz auf die berührende, wahre Geschichte. Mehr braucht es auch nicht für einen gelungenen Film, der sein Publikum erreicht. Die Spannung mag manchmal etwas fehlen, ebenso wie der Mut zum Risiko. Bilder, Musik und Erzählweise sind nicht gerade neu, eher unaufgeregt routiniert. Vieles hat man so ähnlich schon gesehen und trotzdem kann man sich von „One Life“ berühren lassen und einen Helden kennenlernen, von dem man noch nicht so viel wusste.

Ein würdiges Denkmal also; gegen das Vergessen.
 
 

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