Forumseintrag zu „Ivo“ von chrosTV

Der Tod ist und bleibt ein Tabuthema – selbst wenn dieser unentrinnbar scheint. Auch Ivo (Minna Wündrich), die Titelheldin im neuen Film von Eva Trobisch, will den Sensenmann nicht so recht ins Auge schauen. Das ist insofern verwunderlich, wird sie sowieso zwangsläufig jeden Tag mit dem Sterben konfrontiert. Als Palliativpflegerin ist es ihre Aufgabe, schwerkranke Klientinnen und Klienten auf ihren letzten Lebensmetern zu begleiten. Mit professioneller Distanz, versteht sich. Doch was tun, wenn das dienstliche Verhältnis ins Private überschwappt? Wenn plötzlich ein nahestehender Mensch nicht mehr viel Zeit übrig hat? Die an ALS leidende Solveigh (Pia Hierzegger in einer ihrer bislang stärksten Darbietungen) ist für Ivo nicht nur eine Patientin, sondern auch eine gute Freundin. Umso schwerer fällt es ihr damit umzugehen, dass das Ablaufdatum naht.

Auf große emotionale Gesten verzichtet Eva Trobisch („Alles ist gut“) in ihrem aktuellen Drama. Die meiste Zeit über wird mit gediegener Ruhe Ivo gefolgt: auf vier Rädern geht es von einem Haus zum nächsten, von Patient zu Patientin. Alles scheint höchst professionell und routiniert. So distanziert und emotional losgelöst vom Geschehen, dass es nicht einfach ist, sich in die zuschaugestellte Tristesse einzufühlen – ein Gefühl von Gleichgültigkeit macht sich breit. Selbst die eingerostete Beziehung zur eigenen Tochter lässt kalt. Doch die Gleichgültigkeit ist Kalkül des Films, lässt sie einen unmittelbar teilhaben am abgestumpften Innenleben seiner Protagonistin. Sobald die Fassade zu bröckeln droht und der bitteren Realität nicht mehr entflohen werden kann, schleicht sich eine schmerzhafte Rohheit an, die einen nicht mehr wieder loslässt. Ohne auch nur einen Hauch von Kitsch oder Künstlichkeit. Und wer weiß, vielleicht steckt die Antwort auf viele Dinge, ja möglicherweise sogar eine Form von Katharsis, ausgerechnet dort, wo es am Unangenehmsten ist: dort, wo einem der Tod auf Augenhöhe begegnet.