Dream Scenario

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Forumseintrag zu „Dream Scenario“ von UR_000

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UR_000 (06.04.2024 10:49) Bewertung
Nicht ganz der Stoff, aus dem Filmträume sind
Träume als Motor für die Geschichte sind nicht unüblich. Kristoffer Borgli („Sick of Myself“) treibt dieses Element auf die Spitze und lässt einen Nobody zum Mann der Träume werden; aber nur wortwörtlich. Der unscheinbare Professor Paul Matthews wird zur Figur in den nächtlichen Traumabenteuern vieler Menschen. Und fortan nicht mehr übersehen. Genüsslich spinnt der Norweger Borgli in seinem ersten in den USA produzierten Streifen mit einem Hollywoodstar in der Hauptrolle die Geschichte vom Traum, der bald zum Alptraum wird, weiter.

Nicolas Cage - from zero to …
In die Rolle des Nobodys, der im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht berühmt wird, schlüpft Nicolas Cage. Der kann, ähnlich wie bei „Massive Talent“, jedoch nicht ganz so grenzgenial, sein komödiantisches Talent ausspielen. Falten, schütteres Haar und ein bisschen Bart unterstreichen sein unscheinbares Wesen. Matthews ist ein Mann, der sich nicht durchsetzen kann, nirgends. Er fällt nicht auf, wird übergangen. Bis er unfreiwillig in Träumen auftaucht.

Plötzlicher Starruhm
Als Mann der Träume wird er bald wiedererkannt. Student*innen füllen (endlich) den Saal. Paul möchte auch bei seinen Töchtern punkten, endlich ein cooler Dad sein. Seine unerklärlichen nächtlichen Auftritte geben ihm die Gelegenheit dazu. Plötzlich reißen sich alle um ihn, wollen ihn als Werbebotschafter in die Träume der Menschen senden. Da könnte sich sein Traum von einem eigenen Buch erfüllen.

Virale Videos und ihre Folgen
Pauls Rolle in den Träumen ändert sich, er wird immer aktiver. Im realen Leben lernt er ebenso die Schattenseite vom Star-Sein kennen. Wie weit ist er bereit, für Ruhm zu gehen? Kann er sich überhaupt wehren? Und ist das wirklich sein Traum, von allen gesehen, manchmal sogar angehimmelt zu werden?

Wenig innovative Moral
Es dauert fast den gesamten Film, bis Paul erkennt, was er möchte. Ein bisschen altbacken ist die Message am Ende dann doch, auch wenn sie kreativ transportiert wird.

Traumlogik?
Borgli hat sich für die Traumsequenzen etwas einfallen lassen. Sie sind manchmal komisch, manchmal erschreckend – so wie Träume eben sein können. Mit Präzision inszeniert er auch Pauls Stellung und Rolle im wahren Leben und in den Träumen. Mit seinem genauen Blick gelingt das Porträt eines Mannes, der nicht das Zeug zum Hauptdarsteller, zum Star, zum Macher hat. Nicht einmal ganz nach seinem Bekanntheitsschub kommt er mit seinem Traum-Ich mit, großartig, fast unangenehm etwa in einer Szene mit einem weiblichen Fan eingefangen.

Medien- und Konsumkritik light
Wie bei Borgli (für Kenner) nicht anders zu erwarten, verarbeitet er Elemente der oberflächlichen Star- und (Selbst-)Darstellungskultur der Jetzt-Zeit für seinen Film, um diese zu entlarven. Stichwort: virale Videos und Dreamfluencer. Auch wenn einige Einfälle wirklich unterhaltsam sind, ist es eher eine lose Anhäufung an Ideen und Bausteinen, etwas gewollt und wenig stringent platziert. Eher Einblicke, Traumbilder – dabei interessant komponierte Bilder, die die Kamera einfängt. Die zusammenhängende Geschichte tritt in den Hintergrund und ist ziemlich dünn.

Diese doch recht simple Aneinanderreihung teilweise schräger Erlebnisse in Träumen, aber auch in der realen Welt, mag der Grund dafür sein, warum nie so richtig Spannung aufkommt. Vielleicht sind die Schattenseiten des (schnellen) Ruhms ebenso zu vorhersehbar. Vielleicht fehlt es an Tiefe bei den Figuren und in der Geschichte an sich. Oder zumindest an satirischer Schärfe, denn Borgli geht kaum so weit, dass es weh tut. Eine Anbiederung ans Mainstream-Publikum? Die Treffsicherheit und das Bitterböse, die „Sick of Myself“ auszeichnen, kommen hier leicht weichgespült daher.

Unterhaltsam, aber kein Traumfilm
Das Ansehen von „Dream Scenario“ ist kein Alptraumszenario, so viel ist sicher! Borglis Film ist nicht zuletzt dank eines großartigen Nicolas Cage in Hochform recht unterhaltsam. Sieht man von wenigen Längen ab, bereiten die kreativen Sequenzen Filmvergnügen. Humor und vor allem bissige Satire kommen trotzdem etwas zu kurz beziehungsweise verbleiben eher an der Oberfläche. So richtig in gesellschaftliche Wunden legt Borgli den Finger diesmal nicht. Es ist schwer, nicht etwas enttäuscht zu sein. (Bei dem Dream-Team …)
 
 

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