Dead Girls Dancing

Bewertung durch UR_000  55% 
Durchschnittliche Bewertung 63%
Anzahl der Bewertungen 2

Forumseintrag zu „Dead Girls Dancing“ von UR_000

img20220906174347_4f70242d41.jpg
UR_000 (09.12.2023 11:53) Bewertung
Mysteriöse und oberflächlich magische Maturareise in die Geisterstadt
So manch eine/r wird sich an das Ritual erinnern, um das sich „Dead Girls Dancing“ dreht: die Maturareise. Die Pilgerfahrt also, die die Zwischenwelt zwischen Schule und Zukunft markiert. Sie ist in gewisser Weise Teil auf dem Weg des Erwachsenwerdens, ein Thema, das im Kino gerade aktuell zu sein scheint. Ein weiterer Coming-of-Age-Film. Auch Molly Manning Walkers „How to Have Sex“ etwa verfolgt eine Gruppe junger Mädchen bei ihrer Reise nach der großen Prüfung.

Anna Rollers Debütfilm „Dead Girls Dancing“ könnte allerdings kaum unterschiedlicher sein. Hier laute, organisierte Party in Griechenland inklusive Tanzen, Tanzen, Tanzen, und mit einigen traumatischen Erfahrungen. Dort ein chaotischer Roadtrip auf Nebenstraßen, der in ein Geisterdorf in Italien führt. Vom im Titel versprochenen Tanzen wird sehr wenig eingelöst. Da ist die Bildsprache noch näher dran, die manchmal einer Melodie folgt, sich in tanzenden Bewegungen den Figuren nähert.

Die Matura, also eigentlich das Abitur, da „Dead Girls Dancing“ ein deutscher Film ist, haben Ira, Malin und Ka in der Tasche. „Wohin geht es jetzt?“ Eine Frage, die die Mädchen schon nicht mehr hören können. Sie möchten diese Zwischenzeit, vielleicht sogar Zwischenwelt, zwischen Schule und Erwachsenen-Zukunft noch nutzen und begeben sich auf Reise. Ein Roadtrip nach Italien soll es werden. Den fängt die Kamera wunderschön ein, man kann die Landschaft vorbeiziehen sehen und fühlen. Eigentlich ein vielversprechender Beginn. Sommer, Sonne und Freiheit kündigen sich an.

Auf dem Weg gabeln die drei die geheimnisvolle Zoe auf, sind bald auf der Flucht vor einem verärgerten Motelbetreiber. Bald folgen weitere Wendungen und Hindernisse, die stark konstruiert wirken. Da der Pannendienst 48 Stunden (!) braucht, erkunden die Mädchen allein die Gegend und kommen in ein verlassenes Dorf. Die Bilder dieser Geisterstadt sind schon beeindruckend, die Erkundungstour ganz interessant. Wenngleich man sich schon fragt, wie häufig so verlassene Orte in Italien sind, wie authentisch das ist. (Es gibt eine Erklärung dafür, immerhin.)

Wenn die Katze nicht zuhause ist … stellen die Mädchen allerlei illegalen Blödsinn an in den verlassenen Häusern. Sie brechen auch in den Supermarkt ein, um an Nahrung zu kommen. Untereinander kommen durch die Neue in der Gruppe, Zoe, immer wieder Spannungen auf. Das ist allerdings der einzige Aspekt, der annähernd Spannung bringt.

Anna Rollers Film lässt sich, wahrscheinlich absichtlich, nicht zeitlich einordnen. Alles wirkt etwas entfernt von der heutigen, schnelllebigen Zeit. Ja, es gibt ein Handy. Das wird aber nur zum Telefonieren benutzt, nicht für Social Media. Nichts mit TikTok-Videos oder Partyimpressionen für Insta. Diese Distanz zur aktuellen Lebensrealität kann man gut finden, oder auch nicht.

„Dead Girls Dancing“ will die Spannung dieser eigenartigen Zwischenzeit einfangen, kann aber kaum Tempo, drängende Energie erzeugen. Irgendwie ironisch…

Die Geschichte wartet mit zu wenig echten Konflikten auf. Die Handlungen der Protagonistinnen sind oft kaum nachvollziehbar, wirken daher überkonstruiert. Würde man nicht eher versuchen, Hilfe in der Zivilisation (oder von den Eltern) zu bekommen, anstatt in der Einsamkeit kriminell zu werden? Gehört das wirklich zum Erwachsenwerden dazu? Möchte man nicht lieber etwas entspannen und mit Gleichgesinnten feiern nach dem Schulabschluss, und diese Zeit damit noch zu verlängern, bevor es an die Zukunftsentscheidungen geht? Mit Alkohol und Tanz? Ja, von beiden ist etwas im Film, aber nur sehr wenig.

Die jungen Darstellerinnen harmonieren und geben ihr Bestes. „Dead Girls Dancing“ will allerdings möglichst kreativ und ausgefallen sein, verliert sich dadurch zusehends in oberflächlicher Magie und unerklärten Handlungen. Dadurch schleicht sich Distanz ein, auch wenn viele Bilder intim sind. Das mag manchen gefallen, sie berühren, die Impressionen laden ebenso zum Schwelgen ein. Die überkonstruierten, überkandidelten Wendungen könnten manchen aber auch zu viel sein. Noch dazu ist das Tempo gering. Ein spannungsarmes, eher erstaunlich wenig energetisches Debüt.

Wer’s mag!
 
 

zum gesamten Filmforum von „Dead Girls Dancing“
zurück zur Userseite von UR_000