Hundreds of Beavers

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Forumseintrag zu „Hundreds of Beavers“ von chrosTV

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chrosTV (12.10.2023 12:21) Bewertung
Ein Überlebenskampf der cartoonhaften Sorte
Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
Cartoons lassen sich nicht in die reale Welt transportieren, heißt es. Wenn man sich die jüngsten Live-Action-Verwurstungen aus dem Hause Disney so anschaut, muss man dieser Annahme wohl oder übel zustimmen. Die Limitierungen eines Realfilms kann man kaum mit der überdrehten, keiner Grenzen ausgesetzten Kreativität vereinbaren, die dem Medium der Animation innewohnt. Nun ja, Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, wie Mike Cheslik mit seinem fulminanten Langfilmdebüt beweist. An der einen ganz bestimmten Vorlage orientiert sich „Hundreds of Beavers“ jedenfalls nicht. Viel eher war es ein Konglomerat von Einflüssen, derer man sich bediente. Besonders die Cartoons der glorreichen Warner-Bros-Ära scheinen es Regisseur Cheslik angetan zu haben. Ein bisschen Chuck Jones hier, ein bisschen Tex Avery da.

Diesen wilden Referenzendschungel umgibt eine Geschichte, die simpel wie abstrus ist. Irgendwo im verschneiten Nordamerika des 19. Jahrhunderts findet sie ihren Ursprung, die schier endlose Odyssee von Jean Kayak (Ryland Brickson Cole Tews). Der bärtige Apfelschnapsverkäufer staunt nicht schlecht als seine heißgeliebte Brauerei, der Quell seiner Existenz, in die Luft geht. Die Übeltäter: eine Horde wilder Biber. Jetzt heiß es, Rache zu nehmen. Blöd nur, dass er es mit einer ganzen Schar von tierischen Gegnern aufnehmen muss. Bei seinem Überlebenskampf kommen ihm neben den titelgebenden Nagern auch Waschbären und Wölfe, Häschen und Hunde in die Quere. Als Ausweg feilt der am Hungertuch nagende Gesell an einem Plan, mit dem er seine Feinde überlisten will. Mehr oder weniger professionell möchte er die Tierchen mit Fallen dingfest machen. Wer weiß, vielleicht darf der hoffnungslose Romantiker ja als Dankeschön um die Hand der Tochter eines lokalen Waffenhändlers anhalten.

Was folgt, ist ein atemloses Katz-und-Maus-Spiel, wie bei Wile E. Coyote und Road Runner. Nicht von irgendwo kommt die Idee, den wortkargen Protagonisten immer wieder in Löcher fallen. Diese nicht die einzigen Momente, in denen die Komödie auf Tricks alter Schule zurückgreift, der gesamte Film hätte wohl genauso vor hundert Jahren entstehen können. Ohne Dialog und Farbe erzählt der Film vom jahrhundertealten Kampf zwischen Mensch und Bestie. Der grenzenlose Irrsinn der „Looney Tunes“ trifft auf den Slapstick-Charme der Stummfilm-Ära. Keaton und Chaplin hätten es wohl kaum anders gemacht. Durch den Einsatz handgemachter Sets, Props und überdimensionaler Kostüme versprüht der Film altmodisch kauzigen Zauber, der schlicht und zeitlos ist. Mitten im Getümmel gerät die sonst so frenetische Energie dieser zweistündigen Verfolgungsjagd etwas ins Stocken. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Spätestens wenn unser dauerbetrunkener Held vom Bibergericht für seine Schandtaten zur Rede gestellt, unterhält dieser zum Leben erweckte Cartoon wieder bestens. „Hundreds of Beavers“ entzündet ein Ideenfeuerwerk, von dessen schieren Wahnsinn man nicht genug bekommen kann. Slapstick-Kino in Reinform.
 
 

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