Gwendolyn

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Forumseintrag zu „Gwendolyn“ von Pramberger

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Pramberger (05.11.2017 08:26) Bewertung
Ich werde nie wieder lächeln können, aber das macht nichts!
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Ruth Kasserer bildet in ihren Dokumentarfilm eine großartige Persönlichkeit ab. Gwendolyn Leick, 65 Jahre alt, lebt in London seit sie 1975 von Graz dorthin zog, um ihre Doktorarbeit über babylonische Flüche zu schreiben. An ihre alte Heimat bindet sie, außer ihrem deutlich hörbaren Akzent nichts mehr, wie man aus Gesprächen mit ihrem Sohn heraushört. Sie strahlt dabei in allem was sie macht eine unglaubliche Ruhe aus und weiß mit ihrem Wissen und auch ihrer Neugier immer neue Dinge kennenzulernen zu begeistern. So hat sie mit 52 Jahren zum Gewichtheben angefangen und auch auf diesem Gebiet sofort Erfolge feiern können. Nach 13 Jahren, resümiert ihr Trainer dann, hat sie u.a. fünf Europa- und sogar drei Weltmeisterschaftstitel erringen können.

Allein diese Seiten der Person hätten längst schon zu einem Film über diese außergewöhnliche Frau gereicht. Doch ihre Stärke ist noch höher einzuschätzen, da sie nach der Diagnose und der Behandlung von Krebs nicht mit dem Gewichtheben aufgehört hat, sondern immer weiter macht, obwohl die vielfachen Operationen am Hals sie beim Sport außerordentlich einschränken. Diese Stärke und auch Direktheit, wenn es darum geht Niederschläge hinzunehmen und dagegen anzukämpfen wird von der Filmemacherin in der Eingangssequenz sehr schön verdeutlicht. So sieht man hier Gwendolyn mit ihrem Freund Charlie auf der Couch sitzen und die Verbände von einer OP am Auge entfernen. Sie betrachtet dann ihr Gesicht in einem Spiegel. Man sieht dabei als Zuseher, dass manche Partien des Gesichts, darunter auch die Mundwinkel, sich nicht bewegen lassen. Gwendolyns einfache Selbstreflektion auf ihr teils starres Gesicht ist dann: „Ich werde nie wieder lächeln können. Ich weiß das. Das macht aber nichts!“ Diese unglaubliche Stärke, solche schweren Rückschläge mit einer genauso unglaublichen Direktheit und Offenheit wegzustecken ist überaus bemerkenswert.

Die Kamera bleibt dabei auch immer so direkt und zentral auf Gwendolyn gerichtet, wie ihre Persönlichkeit direkt und geradeheraus ist und wahrgenommen wird. Es wird nichts beschönigt. Genauso wenig wird aber besonderes Augenmerk auf ihre Wunden gelegt. Die Schwierigkeiten mit denen sie nach dem Krebs zu kämpfen hatte und hat sind somit im Film zwar stets sichtbar, überschatten aber nicht die Tatsache, dass man es hier mit einem physisch und psychisch bemerkenswert starken Charakter zu tun hat, der vielen Menschen ein Vorbild sein kann. Es scheint fast als würden die Wunden sie nur noch mehr stärken, so als ob sie jeden zeigen wollte und zeigen kann selbst jetzt bin ich noch genauso Stark wie zuvor.
 
 

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