Hannas schlafende Hunde

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Movies Are My Jam (11.03.2016 21:02) Bewertung
Es ist keine Sünde Jüdin zu sein
Exklusiv für Uncut von der Diagonale
Hanna und ihre Familie führen ein bescheidenes zurückgezogenes Leben in Wels. Doch irgendetwas stimmt ganz und gar nicht. Leute werfen ihnen feindselige Blicke zu, sie müssen unterschwellige Gemeinheiten ertragen, aber sie dürfen sich nicht öffentlich dagegen wehren. Das oberste Gebot: Fall nicht auf. Warum? Hanna ist nicht auf den Kopf gefallen, sie stellt die richtigen Fragen und bleibt hartnäckig, bis ihre Großmutter Ruth zugibt, dass sie Jüdin ist. Was bedeutet, dass auch Hanna Jüdin ist. Nun ist auch klar, warum sich die Nachbarschaft ihnen gegenüber so benimmt. In Wels leben nämlich viele ehemalige Nationalsozialisten.

Regisseur Andreas Gruber greif mit diesem Film die Thematik der Nachkriegszeit in Österreich auf: Können Juden und ehemalige Nationalsozialisten 20 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs friedlich miteinander leben?

Die Antwort auf diese Frage lautet „Nicht so wirklich“, denn immer noch ist dieser konditionierte Antisemitismus präsent. Die ehemaligen Nationalsozialisten können nicht so einfach ihre Ideale abschwören. Dies müssen Hanna und ihre Familie am eigenen Leib erfahren: Die Religionslehrerin der katholischen Grundschule demütigt Hanna des Öfteren vor ihren Klassenkollegen mit Aussagen wie „Hannas Herz hat die meisten Sünden der Klasse“; der stets betrunkene Hausmeister Herr Leitinger demonstiert der Familie grausam grinsend wie er einfach so zum Spaß Maulwürfe im Garten vergast und der schmierige Bankdirektor Herr Ölinger, der Hannas Mutter jahrelang missbraucht hat, hat nun einen Blick auf das kleine Mädchen geworfen.

Die fortwährende Abneigung gegen die Juden wird in „Hannas schlafende Hunde“ sehr offensiv präsentiert. Auch wenn der Krieg an der Front vorbei ist, ist er es in den Herzen der Bevölkerung längst noch nicht. Wunderbar berührend wird die Geschichte aus den unschuldigen Augen eines Kindes erzählt, das einfach nur begreifen will, warum die Leute so gemein zu ihr und ihrer Familie sind. Hanna-Darstellerin Nike Seitz verkörpert ihre Rolle großartig, die kindliche Neugier nimmt man ihr als Zuschauer sofort ab. Auch das Ensemble um sie herum, bestehend unter anderem aus Franziska Weisz, Rainer Egger etc. glänzt vor der Kamera. Aber Hannelore Elsner als Oma Ruth stielt hier eindeutig allen die Show, sie ist fantastisch! Ihre Figur drückt so viel Mut und Stärke, aber gleichzeitig auch Verletzlichkeit und Angst aus und bleibt einem als Charakter nach dem Film noch lange in Erinnerung. Ihre bissigen Kommentare, ihr Rückgrat und ihr Beschützerinstinkt gegenüber ihrer Familie verleihen ihr so viel Kraft und das obwohl sie gehandicapt ist durch ihre Blindheit.

„Hannas schlafende Hunde“ ist ein 2. Weltkriegsfilm der etwas anderen Art. Nicht das Kriegsgeschehen per se steht im Vordergrund, sondern alles was danach kam. Wie grausam die Menschen nach wie vor sind. Und dennoch wirft er ein sehr realistisches Bild auf das Österreich der 60er Jahre: Die Feindschaften endeten nicht mit der Friedenserklärung, die Gesellschaft kann nicht von heute auf morgen ihre Weltansichten ändern und traurig, aber wahr, den Weg bis zur Toleranz hat die Welt auch bis heute noch nicht geschafft.
 
 

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