![Chanshi](/pics/2023/sundance-chanshi1.jpg)
Protagonistin Chanshi (verkörpert von Chanowitz selbst), einer jüdisch-orthodoxen Familie aus Brooklyn entstammend, steht kurz vor der mehr oder minder arrangierten Heirat mit Mendy. Sie schiebt den Besuch der Hochzeit ihrer ehemals besten Freundin Noki in Tel Aviv vor, um sich aus dem Staub zu machen, mit der Alijah im Sinn – der Einbürgerung in Israel. Wem diese Prämisse bekannt vorkommt, der hat vermutlich Maria Schraders „Unorthodox“ auf Netflix gesehen und/oder Deborah Feldmans gleichnamiges Buch gelesen, auf dem die Serie beruht. „Chanshi“ ist ein bisschen „Unorthodox“ mit einem Twist. Denn wo die Netflix-Serie recht düster und erschütternd wirkt, trotz der Emanzipation der Hauptfigur Esti, da macht das Empowerment von Chanshi vor allem eines: sehr viel (bösen) Spaß.
Denn Chanshi ist keineswegs ein Opfer. Sie ist eine ausgesprochen ergiebige komödiantische Figur: Selbstzentriert, laut, unpassend, aufdringlich, weitgehend empathiefrei, in sozialen Situationen um keinen Fauxpas verlegen; Einsicht danach: Null. Dass sie in Tel Aviv aufgrund ihres verfrühten und unangekündigten Erscheinens von Noki und ihren Mitbewohnerinnen nicht gerade mit offenen Armen empfangen wird, kann sie nicht erschüttern. Im Gegenteil. Kaum gelandet, macht sie sich auf die Suche nach Männern. Beuteschema: Soldaten. Aber nicht solche, die in der Cyberverteidigung arbeiten, sondern die mit Waffen, die auch schießen und am besten schon mal jemanden getötet haben. Das ist eine Menge Chuzpe, die dem Publikum da präsentiert wird.
![Chanshi](/pics/2023/sundance-chanshi2.jpg)
Nebenbei gibt es subtile Filmzitate, beispielsweise eine Abhandlung über Motorräder, die sehr an jene aus „Pulp Fiction“ erinnert, es gibt tiefschwarze Witze über den Holocaust und – meine Lieblingsszene: Als Chanshi mitten in der Nacht aufgrund des Jetlags nicht schlafen kann, am Fenster steht und raucht und sich über die Straße hinweg mit ein paar (wie könnte es anders sein) Soldaten unterhält. Dabei stimmen irgendwann alle das israelische Songcontest Siegerlied aus dem Jahre 1979 „Hallelujah“ von Gali Atari/Milk and Honey an. Ein richtig romantischer Moment.
Originaltrailer zur Serie „Chanshi“ (englisch/hebräisch)
Wohin sich die Serie entwickelt, das ist nach den ersten vier Folgen dennoch nicht ganz klar. Im Laufe der Zeit wird das Tempo nämlich zurückgefahren, die Dialoge bekommen mehr Substanz, die Persönlichkeiten der Hauptfiguren werden stärker herausgearbeitet, es geht in die Tiefe. Auf alle Fälle würde man sofort alle weiteren Folgen „bingen“ wollen. Daher kann der interessierte Zuseher bzw. Zuseherin nur hoffen, dass „Chanshi“ auch in unseren Bereiten bald großflächig gestreamt wird. Aleeza Chanowitz könnte eine Entdeckung in der Nachfolge von Phoebe Waller-Bridge („Fleabag“) werden.