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    Boote deckt auf

    Exklusiv für Uncut
    Bereits in seinem Erfolgsfilm „Plastic Planet“ hat sich Werner Boote als großer Aufdecker inszeniert und die Menschheit auf spannende Art und Weise auf die große Gefahr von Plastik aufmerksam gemacht. Und auch mit seinem neuesten Werk stellt er sich wieder in die von Michael Moore geprägte Tradition des aktivistischen Dokumentarfilms. Das heißt der Filmemacher steht selbst immer wieder vor der Kamera und tritt für die Rechte und das Wohl der Menschheit ein, indem er mit seinen kritischen Fragen versucht, das Böse in der Gesellschaft zu enttarnen.

    Und so reist Boote über den Globus und versucht dem „Problem“ der Überbevölkerung auf den Grund zu gehen. Dabei ähnelt er – bewaffnet mit einem schwarzen Regenschirm – vor allem Tatis Monsieur Hulot. Und somit lockern die Szenen in denen er ebenso verloren wie slapstickartig durch das Bild läuft, das eigentlich ernste Thema auf. Doch genug vom Filmemacher. Denn ungeachtet seiner stetigen Präsenz, die dem Material mehr Beweiskraft und Authentizität geben soll, hat der Film einiges zu bieten.

    Denn bald weicht Boote von der Frage ab, was denn die Überbevölkerung verursacht und widmet sich der Frage, ob es überhaupt so etwas wie Überbevölkerung gibt, oder ob diese nur ein Begriff ist, der von den Mächtigen eingeführt wurde, um die Verantwortung für Entwicklungsländer von sich zu schieben. Man ahnt es bereits: Laut Boote ist Überbevölkerung ein von den vermögenden Staaten erfundenes Wort, was er auch mit zahlreichen Fakten untermauert.

    Der Wiener befragt zu diesem Thema alle möglichen Menschen in allen möglichen Ländern. Die Auswahl der Interviewpartner, ist jedoch zumindest in manchen Fällen etwas fragwürdig. Denn anders als noch in „Plastic Planet“ kommen auch viele Nicht-Wissenschaftler zu Wort und Boote arbeitet noch stärker auf einer emotionalen Ebene. So etwa, wenn er eine x-beliebige chinesische Hochzeit besucht, die Braut zum Thema Geburtenregulation befragt und dies als repräsentative Meinung verkauft. In Szenen wie diesen driftet der Film weg von Faktenwissen und auf eine eher philosophische oder gar spirituelle Ebene zu, in der er vermitteln möchte, dass Kinder und Familie das schönste auf der Welt sind und nicht reguliert werden dürfen.

    Sein Ziel erreicht Boote aber allemal: Wie bereits in seinem ersten Film, bringt er die Zuseher zum Nachdenken, informiert über Missstände und lässt das Publikum verstört und verunsichert zurück. Wieder schafft er es mit seinem packend aufbereiteten Blick hinter die Kulissen das Publikum zu fesseln und beweist, dass die schockierendsten Geschichten immer noch das Leben schreibt. Deshalb ist „Population Boom“ ein gelungener Dokumentarfilm. Doch der Film ist auch gleichzeitig eine beinharte Anklageschrift an die wohlhabenden Industriestaaten. Die Tatsache, dass der Regisseur dabei die Fakten, Interviewpartner, etc nach seinen ideologischen Ansichten und seiner subjektiven Meinung auswählt und gegenteilige Meinungen keinen Platz haben, ist genreinhärent und eine andere Frage.
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    19.09.2013
    11:53 Uhr