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    Briefträger und Poet

    Der Film beginnt saustark und flaut dann in der zweiten Hälfte stark ab. Von der ersten Einstellung mit der Assoziation des ‘Armen Poeten von Spitzweg‘ folgen noch mehrere Highlights, die alle vom äußerst sympathischen Postmann Mario (†Massimo Troisi) weitgehend mitgetragen werden. Er fordert die Empathie der Zuschauer mit seiner etwas einfältigen Strahlekraft von innen heraus ein. Dabei ist er keineswegs einfältig nur ungebildet. Und die Gespräche mit dem großen Pablo Neruda (Philippe Noiret) führen von anfänglicher Komik z.B. über Metapher zu einem gehaltvollen Dialog. Darüber hinaus hat Regisseur Radford die Atmosphäre der süditalienischen Insel vortrefflich eingefangen.
    Es geht also um die Liebe in zweifacher Hinsicht: die zur Poesie und die zu Marios Angebeteten Beatrice (Maria Grazia Cucinotta). Mario lernt von Neruda Liebesbriefe an sie zu schreiben und gewinnt ihr Herz. Nur im Tischfußball verliert er gegen sie. Ihr Ausschnitt lenkt ihn zu sehr ab.
    Mit dem inhaltlichen Schwenk auf die politische Szene in Italien und dem Bau einer Wasserleitung auf die kleine Insel Salina, auf der wir uns hier befinden, wird der Plot zusehends blasser. Nerudas Heimkehr nach Chile und seine Rückkehr nach Salina werden ähnlich wie Marios Hochzeit eher lustlos erzählt, man vermisst das Herzblut und den anfänglichen Charme.
    Jetzt punktet der Film mit echter Tragik: im Film kommt Mario bei einer politischen Demo ums Leben. Das geht ohne große Dramatik von statten. Sein kleiner Sohn Pablito hat seinen Vater nie gesehen. Er hebt nur für Neruda später den Ball vom Tischkicker auf. Er ist quasi dessen Kind. Massimo Troisi opferte sich für die Fertigstellung des Films auf und verstarb einen Tag danach an einem Herzinfarkt. Das hatte mit dem Film eigentlich nichts mehr zu tun. Man möchte sich am Ende vielleicht nur den Anfang nochmals gönnen mit der oscarprämierten Titelmusik von Luis Bacalov.
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    24.10.2017
    12:02 Uhr