Forum zu Krazy House

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    Der Tritt ins Allerheiligste

    Vom Stilmittel der Sitcom, um den American Way of Life zu demaskieren, war schon Oliver Stone überzeugt. In Natural Born Killers turtelten Juliette Lewis und Woody Harrelson unter dem Gelächter eines gebuchten Konserven-Auditoriums in generischen Einfamilienhaus-Kulissen herum, um dann eine blutige, aber medientaugliche Spur durchs Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu ziehen, ganz im Sinne eines Donald Trump, den man trotzdem wählen würde, hätte er auf offener Straße einen Menschen erschossen. Statt den beiden damaligen Jungstars wuchtet sich diesmal ein gottergebener, erzkatholischer Biblebelt-Hausmann namens Nick Frost (diesmal ohne seinen Partner Simon Pegg) von der Palmsonntags-Zeremonie ins traute Eigenheim zurück, mitsamt der nahe am Burnout nagenden Business-Ehefrau Alicia Silverstone und den beiden Kindern, die zwar Papas christliche Affinität mittragen, mittlerweile aber auf den selbstgestrickten Jesus-Pulli verzichten. Der Patriarch sieht das gar nicht gern, und er wundert sich obendrein, was Sohnemann Adam in seinem Zimmer chemischen Experimenten unterzieht. Die klare Sicht auf die Dinge, die die (allem Anschein nach) amerikanische Familie so umtreibt, wovor sie sich fürchtet und was sie niemals hinterfragt, bleibt Nick Frost alias der gutmütig brummige Bernie, verwehrt. Der konservative Glaube ist alles, und gerade in der Karwoche wird dieser blinde sakrale Gehorsam alles wieder ins richtige Lot bringen. Es sei denn, das Schreckgespenst einer russischen Invasion steht ins Haus. Diese wird verkörpert von drei Pfuschern aus dem weit entfernten, kommunistischen Osten – der Vater samt Nachwuchs. Anstatt den Wasserschaden in der Küche zu beheben, zerstören sie nach und nach die gesamten geheiligten vier Wände. Das alles eskaliert, die Gattin versinkt im Burnout und in der Tablettensucht, Adam frönt dem Crystal Meth und Tochter Sarah lässt sich schwängern. Kein Stein bleibt auf dem anderen, und selbst Holy Fucking Jesus, der Bernie immer mal wieder erscheint, um ihn an seine Demut im Glauben zu erinnern, trägt letztlich nichts dazu bei, die Vorstadt-Apokalypse auch nur ein klein wenig zu vereiteln.

    Das niederländische Regie-Duo Steffen Haars und Flip van der Kuil klotzen einen farbenfrohen, derben Gewalt-Exzess vor die Kamera, stets Nick Frost im Fokus bewahrend, der eine Wandlung in drei Etappen durchmacht, die durch ein jeweils anderes Bildformat zumindest den Anschein einer Struktur bewahrt. Blickt man hinter das so bluttriefende wie blasphemische Stakkato grotesker Zustände, erkennt man zwei Autorenfilmer, die durchaus bereit sind, die vom bigotten Westen so stolz gelebten Dogmen und geduldeten Laster von Grund auf zu hinterfragen. Warum der fanatische, evangelikale Gottesglaube, warum die Lust an der Droge, die Sucht nach Tabletten, die Heiligkeit des familiären Vierbeiners, das Feindbild aus dem Osten. Krazy House geht sogar so weit, um Verhaltensmanierismen wie das Kaugummikauen, den Putzfimmel und die heuchlerische Allwetter-Freundlichkeit zu verlachen und auf den gebohnerten Boden zu schmettern. Mit Nick Frost, dessen Zahn- und Zahnlosprothese herrlich irritiert, hat Krazy House gerade aufgrund all der befremdenden Polemik eine Identifikationsfigur zwischen biblischem Hiob und amoklaufendem Normalo gefunden, der in die Fußstapfen eines untätigen Versager-Christus stapft, um all das Übel dieser Welt aus der Bequemlichkeitsblase zu treiben.

    In diesem satirischen Enthusiasmus treiben es Haars und van der Kuil so sehr und so unbedingt auf die Spitze, dass am Ende das Chaos zu gewollt erscheint, zu erzwungen verrückt und häretisch – es ist die Inflation bizarrer Einfälle, die sich gegenseitig ihre Wirkung nehmen, die dann nur noch als dauerfeuernde Destruktionsorgie zwar die Hartgesottenen unterhält, die aufgrund ihrer selbstbewussten Gelassenheit gut damit leben können, dass dem Haushund die Birne weggeschossen wird oder der Sohn Gottes dem Hirntod erliegt, letztlich aber weder wirklich aufregt oder vor den Kopf stößt. Ein Schmunzeln ob des reuelosen Rundumschlags mag Krazy House sicher sein. Doch viel mehr als lautstark herumzutrampeln steht dem pseudohämischen Streifen gar nicht im Sinn.



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    21.05.2024
    18:00 Uhr