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81.7% Bewertung
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    Mockumentary mit Charme und doppeltem Boden

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    Mit seinen originellen Kurzfilmen hat Medienkünstler Christoph Schwarz bereits in der Vergangenheit Kreativität und vor allem Humor bewiesen. So macht er sich im Short „CSL“, der 2018 im Rahmen des Diagonale Filmfestivals gescreent wurde, beispielsweise auf die Suche nach seinen Namensvettern und ergründet im Zuge dessen Gemeinsamkeiten und Unterschiede sämtlicher Christoph Schwarz‘, die die Gründung einer Art Männerbunds zu Folge haben. Prägend für die Arbeiten des Filmemachers sind vor allem die Kombination dokumentarischer Elemente und fiktiver Handlungsstränge, ein Stilmittel, an welchem sich Schwarz in seinem neuesten Werk „Sparschwein“ erneut bedient. Diesmal nimmt er sich dem Thema Klimaaktivismus und Kapitalismuskritik an, in gewohnter Manier stets mit einem Augenzwinkern. Der Film mit von und über Christoph Schwarz, der gleichzeitig sein Langfilmdebüt darstellt, wurde bei der diesjährigen Diagonale uraufgeführt und ist österreichweit in ausgewählten Kinos zu sehen.

    Künstler und Regisseur Christoph Schwarz ist zwar in seinem Metier durchaus angesehen, doch wie bei so vielen Kunstschaffenden, sieht es bei ihm finanziell nicht besonders rosig aus. Da kommt ihm ein (un-) moralisches Angebot vom ORF sehr gelegen: Für ein Klimaprojekt werden er, wie auch weitere Filmschaffende, dazu angehalten sich im Selbstexperiment mit dem Thema Streik auseinanderzusetzen, großzügige Gage inklusive. Nach eifrigem Kopfzerbrechen entscheidet sich Christoph schließlich den Versuch als einjährigen Geldstreik aufzuziehen, verfolgt mit dem üppigen Filmbudget vor Augen jedoch heimlich ein vermeintlich anderes Ziel.

    Schon während der Sichtung des Films muss man als Zuseher*innen immer wieder innehalten und sich die Frage stellen: Ist das Gezeigte nun Realität oder werden wir hinters Licht geführt? Die ernüchternde Antwort auf diese Frage ist weder ein klares Ja noch ein deutliches Nein, viel eher vermag es Schwarz in „Sparschwein“ spielerisch und selbstironisch Konsumkritik, Aktionismus und Klimaaktivismus zu erörtern, ohne sich über die eigentliche Problemstellung der Klimakrise zu mokieren. So folgen wir dem Protagonisten nicht nur in seinem Lebensalltag ohne Geld, auch Kunstaktionen und Metahandlung, die die Entstehung des Films selbst thematisieren, werden gekonnt ins Narrativ des Films eingebettet. Während die gezeigten thematischen Installationen (zum Beispiel eine zum Erdäpfelfeld zweckentfremdete Grünfläche inmitten eines Kreisverkehrs) allerdings ungelogen dem kreativen Geist des Regisseurs entsprungen sind, soll das symbolische Verbrennen von Christophs Gage, nur die oftmalige Doppelmoral von performativem Aktivismus an den Pranger stellen.

    Der Wahrheitsgehalt des Werks liegt in der Tat höher als es zunächst anmuten lässt, denn Protagonist Christoph hat sich im Jahr 2021 den im Film thematisierten Geldstreik tatsächlich unterzogen. Schwarz ist sich seiner privilegierten Situation, es sich leisten zu können ein ganzes Jahr auf monetäre Mittel verzichten zu können, zweifelsohne bewusst; zeigt im Film aber durchaus realistische Alternativen zum klassischen Konsumverhalten auf, und setzt sich mit Foodsharing und emissionsfreier Mobilität auseinander.

    Ob es sich bei „Sparschwein“ im Anbetracht dessen fürwahr um eine Mockumentary und nicht eher um eine Gesellschaftssatire handelt, obliegt im Endeffekt den Zuseher*innen.

    Mit wenig Budget aber umso mehr Schmäh und Sympathie wertet Schwarz das oft angestaubte und zum moralisieren neigende Thema des Klimawandels auf und präsentiert uns ein einmaliges Filmprojekt, das nicht mit erhobenen Zeigefinger zu belehren versucht, sondern dem Publikum ausreichend Raum zur Selbstinterpretation einräumt.
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    05.06.2024
    10:36 Uhr
  • Bewertung

    Ohne Geld, dafür mit Witz, Innovation, Politisierung und Privilegen

    Auch wenn man das Schwein als Tier als ziemlich ruhig einstufen würde, so wirkt der Film „Sparschwein“ wild. Dieser lässt sich nämlich nicht eindeutig festlegen. Ist er eine Dokumentation, ein Experimentalfilm oder doch ein Spielfilm? Selbst benennt er sich als eine Mockumentary (eine Dokumentation, deren Elemente manchmal erfunden sind) und vermutlich ist das auch die beste Beschreibung.

    Der (eher erfolglose) Filmemacher Christoph Schwarz steht vor seinem 30. Geburtstag. Zwar hat er Frau und Kinder, aber mit dem fortgeschrittenen Alter macht sich das Gefühl breit, nichts erreicht zu haben - weder privat noch beruflich. Die vermeintliche Rettung kommt in einem Angebot des österreichischen Fernsehens daher: Mehrere Filmschaffende werden angefragt, sich bei einem eigens geleiteten Selbstexperiment zum Themenkomplex Klimaprotest filmisch zu begleiten. Schwarz kommt dadurch die Idee, ein Jahr auf Geld zu verzichten. Kapitalismuskritisch kann er sich damit sowohl selbst inszenieren, als auch das eigentliche Produktionsgeld für den Erwerb eines eigenen Hauses im Waldviertel zu nutzen.

    Wo genau verläuft die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktionalisierung? Diese Frage stellt sich die Gattung der Dokufiktion und bietet oftmals keine eindeutige Antwort darauf. So auch „Sparschwein“. Allein das Konzept des Films strotz schon so vor Selbstreflexivität und Meta-Kommentaren. In einem (vermeintlichen) Voice Over leitet Christoph Schwarz seine einjährige Reise ohne Geld an und beweist in der Kombination der Abfolge der Bilder jede Menge Humor mit Ironie, Widersprüchen und satirischen Anmerkungen. Und zugleich vernachlässigt er nicht die hochpolitischen Themen. Es ist durchaus bemerkenswert, in was für einer Sensibilität und gleichermaßen provokativen Haltung der gegenwärtige Diskurs rundum Klimaaktivismus, Umweltverschmutzung, Essensverschwendung, Kapitalismuskritik und Geldversessenheit abgebildet wird. Sicherlich ist Schwarz' Perspektive privilegierten Ursprungs (da er sich immer auf ein finanzielles Federbett von Familie und Bekannten verlassen kann), aber selbst das thematisiert er und stellt die Ungleichheiten in der Bevölkerung aus. An Reizüberflutung wird sich nicht zurückgehalten - da mag der Übereifer an Ideen auch überfordern und Verwirrung stiften, aber umso rentabler erscheint eine wiederholte Sichtung des Films. „Sparschwein“ schafft es in seinem hohen Tempo zu begeistern und beweist, wie sehr eine Frische trotz geringem Budget möglich ist, wenn man eben solch eine Kreativität an den Tag legt.
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    30.04.2024
    18:44 Uhr