Forum zu Asche

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    Schrill, radikal und grotesk – Wolff in der Kunstszene

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    Mit ihrem Langfilmdebüt, der Dokufiktion „Para:dies“, bewies Filmemacherin und Kabarettistin Elena Wolff bereits, dass sie den medienreflexiven Naturalismus beherrscht. Wenn auch nicht immer virtuos einwandfrei, hat Wolffs Stimme eine neue, junge Kraft, die sich im österreichischen Kino frisch anfühlt. Nun versucht sie sich an einer Satire, die sich nicht vor fantastischen Elementen, bizarren Überspitzungen und entblößenden Bildern scheut.

    „Ich spür nix, aber hab ein gutes Outfit“

    In „Asche“ steht ein junger Linzer Kunstkreis im Fokus der Geschichte, der sich aus einer Vielzahl an narzisstischen Menschen zusammensetzt – sie alle sind damit beschäftigt, ihr eigenes Ego zu beflügeln, indem sie das der anderen nach und nach zu Asche zertrümmern. Wolff übernimmt neben Regieposten auch die Hauptrolle der Lulu, deren echter Name eigentlich niemand kennt. Und sie traut sich, ihren Körper vor dem Kunstprojekt vollkommen zu entblößen, was fast schon wie ein Metakommentar verstanden werden kann. Die Drastik wird dem Film jedenfalls gerecht. Als Model, Muse und weniger erfolgreiche Künstlerin ist Lulu ihrem Freund Simeon untergestellt, einem prätentiösen Fotografen: Eine in sich widersprüchliche Personifizierung des Alpha-Männchens schlechthin, ebenso grotesk überzeichnet verkörpert durch einen ungewöhnlichen Thomas Schubert. Seine Tattoos und Modeentscheidungen mögen zwar an einen Leto-Joker erinnern, sind in „Asche“ aber sehr viel unterhaltsamer. Neben den beiden Hauptfiguren überzeugt aber die gesamte Besetzung in noch so kleinen Rollen wie einem in nur zwei Szenen auftauchenden Ex-Freund. Hervorzuheben sind hier Selina Graf, die sich von ihrer Beziehung distanziert und erotische Faszination für eine Leiche entwickelt, sowie Nils Svenja Thomas, einem in Misere badenden Außenseiter, welcher den Alpha-Männern nacheifert und zugleich verabscheut.

    Kunst, Künstlichkeit und das Bild

    „Asche“ prangert die Kulturbranche an. Und über der steht das Patriarchat. Dem Independent-Film gelingt es, nicht nur Einzelne verantwortlich zu machen, sondern das System selbst in die Mangel zu nehmen. Mit einer guten Schippe an queerem Camp zeigt er die Problematik allzu typischer Geschlechterverhältnisse, weiß aber auch Binaritäten umzudrehen oder bloßzustellen. Im Zentrum steht immer noch die Macht, um die sich jegliche Figuren mit toxischen Beziehungen schnüren. Die Künstlichkeit der Charaktere spiegelt sich auch in dem visuellen Stil wider. Das Bild ist von einer bewusst hochartifiziellen Ästhetik durchzogen, die einzigartig besticht. Wie in einem Rausch, aus dem man trotz Eigenwilligkeit nicht so recht aufwachen möchte, schillern alle möglichen Farben. Kein Wunder also, dass Nora Einwaller für die Kameraführung den Diagonale-Preis der Bildgestaltung erhielt. Zurecht.

    Frische Schreibqualitäten

    Nach wie vor merkt man Elena Wolffs Drehbuch an, dass es etwas auszusagen hat. Gerade in Monolog- und Dialog-Passagen werden Aussagen vorgelegt, die gerne provokanter formuliert sind. Dahinter steckt aber auch immer ein kluger Gedanke, der an Aktualität nicht vermissen lässt. Gleichzeitig muss aber auch erwähnt werden, dass „Asche“ für einen Spielfilm viele lose Enden beinhaltet, die leider keine Pointe zum Ende hinfinden. Eine solche Fülle an Figuren gleichmäßig zu behandeln, das ist ein Balanceakt, der allerdings nicht immer gelingt. Deswegen werden so manche Konflikte auch nicht stringent und konsequent angegangen und können dazu führen, dass der Überblick verloren geht.

    „Asche“ hat dadurch sicherlich seine Macken und nicht die runde Finesse aufzuweisen, die vielleicht angebracht wäre. Aber das macht auch den Reiz des Independent-Kino aus. Ganz nach dem Motto „Das wäre angemessen – Wir gehen einen Schritt weiter“ beweist Elena Wolff, dass sie sich der grotesken Übertreibung vollkommen bewusst ist. Und als eben solch eine Satire überzeugt „Asche“ trotz geringem Budget mit eindrucksstarken Bildern, präzisen Gesellschaftsbeobachtungen und böswilligen Charakteren, deren Hass man lieben lernt.
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    30.04.2024
    21:56 Uhr