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    Wirbel ums Wetter

    Schönes Wetter ist langweilig. Blauer Himmel, Sonnenschein von früh bis spät – da kommt zumindest mir das große Gähnen. Wetter ist dann interessant, wenn es sich in Szene setzt. Das beginnt bereits mit einer Wolkenbank, die sich über den Horizont schiebt, mit schwerem dunkelgrauen Regen im Schlepptau. Am schönsten ist es, wenn es gewittert. Wenn dann noch der Sturm bläst, wird’s theatralisch. Zugegeben, das sagt einer, der, wohnhaft im Wiener Becken, von den Konsequenzen eines Unwetters stets verschont bleibt. In der Provinz sieht das schon anders aus. Überflutungen, Murenabgänge, entwurzelte Bäume – Sommer in Österreich.

    In den USA hingegen treiben Tornados ihr Unwesen, vorwiegend und alljährlich in den zentralen Ebenen des nordamerikanischen Kontinents, von Texas über Oklahoma bis nach Kansas, diese Spur der Verwüstung nennt sich Tornado Alley. Erst kürzlich gab’s gar im österreichischen Bundesland Steiermark einen kleinen Tornado, doch diese Kapriolen sind nichts im Vergleich zu den Ungetümen, die dort in Übersee aus ganzen Dörfern und Städten Kleinholz machen. Eine Katastrophe, der man im Grunde nichts Erbauliches abgewinnen kann. Doch da gibt es die andere Seite – jene, auf der die sogenannten Tornadojäger zu finden sind – weniger Wissenschaftler als vielmehr Abenteurer, die den Kick suchen. In Twisters, der sagen wir mal Neuauflage von Jan de Bonts stürmischem Klassiker Twister aus dem Jahre 1996, kommen beide Seiten zu Wort – einschließlich jene der Opfer, die Regisseur Lee Isaac Chung (Minari – Wo wir Wurzeln schlagen) gewissenhaft nicht außer Acht lassen will.

    In diesem Dreieck der Interessen und Befindlichkeiten lässt Chung das Wetter einem wild gewordenen Rodeo-Büffel gleich aus dem Zwinger. Und präsentiert seinem staunenden Kinopublikum Bilder voller Schönheit und Bedrohlichkeit: Die Natur von ihrer dunklen Seite – so steht es zumindest auf den Filmplakaten. Was aber kann Twisters einem Film wie Twister als Mehrwert verkaufen? Was hat der neue Film, was der alte nicht hatte? Ich erinnere mich noch, dass die Darstellung der Unwetter damals das Beste war, was man auf die Leinwand bringen konnte. Die Story: nun ja, klassisches Hollywood-Katastrophenkino mit Trial und Error, Enttäuschung, Hoffnung, Läuterung und persönlichem Sieg. Den Aufbau der Geschichte hat Chung und Drehbuchautor Mark. L. Smith beibehalten – somit ist Twisters ungefähr so vorhersehbar wie das Wetter der nächsten Tage.

    Im Zentrum steht Kate (Daisy Edgar-Jones, Der Gesang der Flusskrebse), die sich nach einer Tornado-Tragödie, während welcher auch ihr Freund ums Leben kam, auch nach fünf Jahren immer noch nicht ganz erholt hat. Javi (Anthony Ramos) der Einzige, der damals noch überlebt hat, will Kate und ihre Fähigkeit, Tornados nachzuspüren, für ein eigenes Projekt gewinnen. Widerwillig kommt sie an Bord, jagt erneut Tornados hinterher und lernt den Youtube-Tornadojäger Tyler Owens kennen, dargestellt von Feschak Glen Powell (A Killer Romance, Top Gun: Maverick), den sie anfangs nicht ausstehen kann.

    Was intensiv nach Screwball-Romanze vor dunklen Wolken klingt, in welcher es nicht wirklich viel zu holen gibt, geht unterm Strich als leidenschaftlicher Beweis dafür durch, dass traditionelles Katastrophenkino in uneitler Hemdsärmeligkeit immer noch bestens funktioniert. Twisters, unter der Obhut von Steven Spielberg produziert, entwickelt trotz seiner konventionellen Plot-Struktur unerhört packende Momente, die sich in knappen Intervallen aneinanderreihen. Auch wenn man ziemlich treffsicher ahnt, wer aus der beeindruckenden Himmelhölle geläutert, verändert und soziomoralisch integriert hervortreten wird – auch wenn man weiß, wer welche Beweggründe für sein Tun überdenken wird: es liegt an der straffen Kunst der dramatischen Inszenierung, wie wann welche Emotionen getriggert werden, um die Spannungsschraube zu spüren. Chung und Spielberg schaffen gemeinsam ein sehr menschelndes und menschliches Wetterabenteuer und einen Naturthriller, in welchem Edgar-Jones und Powell mit ihrer Sympathie das Interesse des Publikums gewinnen. Beide sind nicht irgendwer, sondern Identifikationsfiguren, die im Laufe von zwei Stunden viel über sich selbst lernen und sich dementsprechend auch weiterentwickeln. So sehr wie das Wetter in Twisters im Wandel ist, so sehr wandeln sich die Charaktere. Ein Film, der konsequent in Bewegung bleibt.


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    13.08.2024
    10:21 Uhr
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    Großartiges Popcorn-Kino

    Twisters funktioniert am besten als grandioses Popcorn-Kino. Die Handlung ist schnell erklärt bzw. durchschaut, aber die fantastischen Action-Szenen, die spürbare majestätische Übermacht der Naturgewalten, die der Mensch sich zu zähmen anstellt, wird deutlich spür- und hörbar. Für mich ein sehr gelungener Anschluss an das Feeling des ersten Wirbelsturm-Filmes von damals, das ganz ohne ungewolltem Retro-Feeling auskommt. Ein kleines nostalgisches Wiedersehensgefühl kam bei mir auf, als ich entdeckte, das Maura Tierney (Abby aus "E.R.") mitspielt.
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    04.08.2024
    21:11 Uhr
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    Wind of change?

    Exklusiv für Uncut
    2023 konnte man eine Erschütterung vernehmen. Nach Jahren über Jahren, wo vor allem ein Genre für Einspielrekorde sorgte, die Comicverfilmung, schwächelte es das erste Mal deutlich; große Produktionen wie „Shazam“, „Flash“, „Ant-Man“ oder „The Marvels“, alle blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Ist die lange prophezeite Müdigkeit endlich eingetreten? Die Frage tut sich auf, ob die baldige Rückkehr von Hugh Jackman in seiner Paraderolle als Wolverine da noch gegensteuern kann. Das Blockbusterkino scheint in einem Tief zu stehen, ein Umschwung könnte sich abzeichnen. In Zeiten wo ständig Klimawandel und Extremwetterkapriolen das reale Nachrichtenbild prägen, versucht sich nun Lee Isaac Chung („Minari - Wo wir Wurzeln schlagen“) passend zum Thema an seinem ersten solchen. Nach dem Drehbuch von Mark L. Smith („The Midnight Sky“, Co-Autor von „The Revenant“) bedient er sich nämlich eines Genres, in dem eher Flaute herrschte: dem Katastrophenfilm.

    Der Blick in die Vergangenheit

    Lange her sind die glorreichen Zerstörungsorgien der 90er. Egal ob Vulkane ausbrachen, Stürme wüteten oder Einflüsse aus dem All den Planeten bedrohten; Katastrophen als Spektakel haben im Kino immer schon die Massen begeistert. Spätere Filme, wie beispielsweise die des aus dieser Welle hervorgegangenen Roland Emmerich („Moonfall“), drifteten aber bald in eine übertriebenere, irgendwann regelrecht absurde Richtung ab; der einstige Glanz schien verloren.

    Ein Highlight jener fruchtbaren Ära kam in der Form von „Twister“ mit Bill Paxton und Helen Hunt. Die Geschichte über zwei Meteorologen, die ein Frühwarnsystem für Tornados zum Schutz der Bevölkerung entwickeln wollen, hatte einfach alles: mitreißende Action, große Emotionen und Witz. Nach einer zur Recherche erneuten Sichtung kann ich sagen, dass auch der Film (mit einer Ausnahme) kein Stück gealtert ist. Als gleichwohl spirituelle wie konkrete Fortsetzung, gespickt mit zahlreichen Referenzen, versteht sich nun „Twisters“. Damit folgt er aber in gewisser Weise auch einem weiteren Trend der vergangenen Jahre und kann durchaus als nächster Eintrag in der langen Liste von Requels verstanden werden (ein Kunstwort aus Reboot und Sequel, in dem Jahre später ein Franchise durch Anknüpfen an alte Zeiten und Appell an die Nostalgie, neu gestartet werden soll: vgl. „Jurassic World“, „Ghostbusters“).

    Kate (Daisy Edgar-Jones) hat nach einem traumatischen Erlebnis die Sturmforschung aufgegeben. Als ihr alter Freund Javi (Anthony Ramos) mit einer vielversprechenden Idee zu ihr kommt, lässt das ihren langen Traum wieder aufleben, einen Weg zu finden um Tornados zu bekämpfen. Da mischt sich ausgerechnet Streamer Tyler Owens (Glen Powell) ein, der der zerstörerischen Naturgewalt mit nicht genügend Respekt zu begegnen scheint. Zum Wohle ihrer Mitbürger müssen sie lernen zusammenzuarbeiten während Kate mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird...

    Neue Helden

    Katastrophenfilme bringen also Menschen zusammen, weil Katastrophen Menschen zusammenbringen. Sie können das Schlechteste in uns hervorrufen, doch immer auch das Gute; Mut, Hilfsbereitschaft, Aufopferung. Heldentum eben. In Zeiten wo Pessimismus und Zynismus dominieren, werden moderne Heldengeschichten wie diese rarer, aber vielleicht braucht es die wieder vermehrt. In Verbindung mit adrenalinerzeugender Action, wahrhaft witzigen Momenten und einer an vergangene Zeiten reminiszierenden Filmmusik (Benjamin Wallfisch), kommt ein insgesamt so stimmiger Blockbuster raus, wie ich ihn zuletzt nur bei „Top Gun: Maverick“ erlebt habe. Die im Original verwendeten, eher schlecht gealterten Computereffekte, sind nun Vergangenheit (ironischerweise kam Jahre vor dem ersten Teil bereits der revolutionäre „Jurassic Park“ heraus). Technisch überzeugt er auf jeder Ebene, „Twisters“ sieht zumindest wirklich ansprechend aus.

    Die Zukunft in den Sternen

    Verbindungen zu „Top Gun: Maverick“ kann man aber nicht nur aufgrund von persönlichem Empfinden ziehen. Die Story beispielsweise stammt von niemand geringerem als Regisseur Joseph Kosinski. Und Glen Powell hat nicht nur dort schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern könnte mit Glück auch helfen etwas anderes Totgelaubtes wiederzubeleben: den Typus Filmstar. Die Zeiten wo Schauspieler allein Zuschauer ins Kino bewegten sind vorüber, was zählt sind Marken, Figuren und geistiges Eigentum. Will Smith hat sich mit seiner Oscar-Eskapade wohl selbst aus dem Rennen „gehauen“, Dwayne Johnsons Reiz wirkt durch monotone Rollenauswahl und sichere Entscheidungen schon verloren; einzig und allein Tom Cruise scheint unter anderem mit dem „Mission Impossible“-Franchise (ähnlich dessen wohl bekanntester Sequenz) der einsame Faden zu sein an dem das Konzept noch hängt. Diesen Umstand haben genauso lange vor mir schon weitaus kompetentere Personen festgestellt, wie auch den, dass Glen Powell das Potential hat, in dessen Fußstapfen zu treten. Spätestens mit „Twisters“ könnten aber nun die meisten auf diesen Zug aufspringen. Es reicht doch einfach nur, sich mal seinen Namen auf der Zunge zergehen zu lassen. Weiters glänzt er mit Charisma ohne Ende, solidem Schauspiel, und nebenbei auch noch mit nicht von der Hand zu weisender Optik; die nötigen Voraussetzungen hätte er mit Sicherheit, nun muss man sehen, ob die Zuschauer ihm folgen werden. Natürlich braucht es auch die passenden Filme. Mit „Wo die Lüge hinfällt“ war er bereits in der fast schon obligatorischen romantischen Komödie zu sehen, seriöser ging es dagegen im Koreakriegsdrama „Devotion“ zu (witzigereise auch da als Kampfpilot). Und erst vor zwei Wochen zeigte er verschiedenste Facetten als er in Richard Linklaters „A Killer Romance“ in multiple Rollen schlüpfte.
    Die Chemie mit Daisy Edgar-Jones stimmt hier hervorragend, und als Hauptdarstellerin ist sie gleichwohl fantastisch. Nebenbei fährt Tylers Truppe mit einer Riege sehr sympathischer Charaktere auf; besonders hervorzuheben ist wohl der von Brendan Perea. (Katy O‘Brian wird euch dafür bald in ihrer Hauptrolle in „Love Lies Bleeding“ wörtlich umhauen).

    The Home in Oklahoma

    Als jemand der sonst eigentlich fast kotzen muss, wenn irgendwo in einem Film eine US-Flagge weht und es mit dem Patriotismus mal wieder zu weit getrieben wird, war ich sehr postitiv überrascht, wieviel Lokalkolorit ich offenbar doch vertragen kann. Gezeigt wird ein Bild vom ruralen Amerika, das mal nicht nur zum Fremdschämen anregt. Im Fokus stehen meistens die Menschen, die dort leben, dadurch bekommt Kates Forschung eine gewisse Dringlichkeit. Der Film strahlt auch durch und durch ein Gefühl von Heimat aus, und damit kann wohl jeder irgendwie etwas anfangen. Und der Soundtrack der fast ausschließlich aus Countrynummern besteht (das normalerweise alles andere als mein präferiertes Genre ist), hat dieses Gesamtbild so stimmig abgerundet, dass ich mich ständig beim Mitsummen erwischt habe.

    Mir hat er mit seiner optimistischen Grundaussage nebenbei neuen Optimismus gegeben, dass das Blockbusterkino zur alten Stärke zurückkehren kann. Egal ob „Twisters“ schlussendlich frischen Wind hineinbringt und den Sommer im Sturm erobert oder nur als laues Lüftchen verkommt. Von mir gibts eine klare Empfehlung, für solche Filme wurde das Kino gemacht.
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    17.07.2024
    11:49 Uhr