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    Wien im Blut und auf der Straße

    Mit dieser knapp um die letzte Jahreswende hirzulande in den Kinos gestartete österreichische Unterweltkomödie geht ein kurioses Phänomen einher, welches nicht nur lokalkolorierte Eigenproduktionen betrifft, sondern mitunter auch Internationales. Bei letzterem könnte man noch verstehen, dass zu wenige Säle zu viele Filme stemmen müssen, denn jede im Verleih befindliche Produktion will seinen Weg zum Publikum finden. Verwunderlich dabei ist, dass die einheimische Filmwelt keinerlei Heimvorteil hat. Anhand von Hades – Eine (fast) wahre Geschichte aus der Unterwelt lässt sich gut erkennen, wie stiefmütterlich Genreproduktionwn wie diese behandelt werden. Denn Hades, zu welchem der renommierte österreichische Filmkritiker Horst-Günther Fiedler auch das Drehbuch verfasst hat, lief gefühlt gerade mal eine Woche in den Lichtspielhäusern, bevor er sang- und klanglos aus dem Kinoprogramm verschwand. Auf der filmgenuss-eigenen Watchlist stehen österreichische Filme generell gerne weit oben, auch dieser hier und nicht zuletzt aufgrund wohlwollender Kritiken. Und dann das. So schnell hätte man als Filmnerd gar nicht die besten Plätze reservieren können, war er weg. Die Chance auf illustre Besucherzahlen bestand gleich gar nicht, ich bin sogar versucht zu sagen: Wenn Kinobetreiber heimischen Werken so derart ans Bein pinkeln, grenzt das – natürlich polemisch formuliert – fast schon an Sabotage.

    Umso mehr freut es mich, Hades im Sortiment von Netflix entdeckt zu haben. War der Umstand der nicht vorhandenen Kinoauswertung vielleicht Teil eines Streaming-Deals? Bringt dieser Entschluss den größeren Reibach? Vermutlich. Was schade ist. Denn österreichische Filme im Kino beleben die kulturelle Landschaft. Mut dazu, sie länger laufen zu lassen als andere, wäre der Glauben an die eigene Sache. Aber genug des Idealismus. Wie sieht es nun mit dem Film selbst aus, der als fast wahre Geschichte von Aufstieg und Fall eines Mannes fürs Grobe erzählt? Interessant wäre dabei zu erfahren: Was genau hat Anoushiravan Mohseni denn wirklich erlebt? Gab es zum Beispiel diesen Kommissar Czermak, diese Figur irgendwo zwischen Inspektor Columbo, Lolli-Kojak und einer Wiener Melange aus Ernst Hinterbergers Dramatis Personae? Als Hommage an den Wien-Krimi bringt Serien-Regisseur Andres Kopriva Stereotypen wie ihn in einen sozialen Dunstkreis ein, in welchem Hauptdarsteller Mohseni Motive aus seiner eigenen Kindheit und vielleicht auch seinem späteren Lebenswandel einbringt.

    In den 90er Jahren nach Wien immigriert, findet der Dreikäsehoch sofort Gefallen daran, Diebesgut zu verhökern. Scheinbar kommt da bereits ein Talent zum Vorschein, welches ihn mit der autochthonen Jugendgang im Gemeindebau auf „ein Packerl hauen“ lässt. Gewalt gehört bald zur Tagesordnung, andere werden verdroschen und bestohlen, ach wie ist das Leben als kleinkrimineller Jugendlicher nicht lukrativ. Jahrzehnte später haben die vier Kids leider nichts dazugelernt, der eine von ihnen hat sich gar zum Nachtclub-Zampano hochgearbeitet, die anderen drei bilden das Trio Infernal der Unterwelt-Exekutive, allen voran eben Reza, der nicht nur auf charmante Wiener Art Furcht und Schrecken verbreitet, sondern dank intensiven Kampfsport-Trainings fast schon in Hill/Spencer-Manier unwilligen Schuldnern die Fresse poliert. Und dann passiert das – was in Unterweltfilmen meistens passiert: Die Liebe, im Idealfall auf den ersten Blick. In Nullkommanix erobert er mit selbstgefälligen Sprüchen, die ihn arroganter erscheinen lassen als er eigentlich ist, das Herz von Beatrice (Alma Hasun), die nichts von seiner Drecksarbeit weiß. Ein Umstand, der Komplikationen birgt. Und Reza langsam, aber doch, zum Umdenken bewegt.

    Ein Perser in der Unterwelt – ich bin ja heilfroh, dass dafür nicht Publikumsliebling Michael Niavarani aus dem Simpl abkommandiert wurde, um aus Hades – Eine (fast) wahre Geschichte aus der Unterwelt eine weitere Kabarett-Komödie a la Salami Aleikum zu machen. Koprivas Film ist da weitaus gelassener, weil sein Antiheld, der aus dem Nähkästchen plaudert, lieber keine Rampensau sein will. Und das ist gut so. Kenner des österreichischen Films wissen vielleicht: Im Tatsachendrama Taktik gab Anoushiravan Mohseni einen der drei Geiselnehmer, die in den 90ern in einem Grazer Gefängnis ihre Freifahrt erpressten. Diesmal wird er zum Erzähler seiner eigenen Geschichte, das gelingt ihm mit selbstironischem Humor und dem zugrundeliegenden Gemüt eines Belehrbaren, der es irgendwann besser machen will. Man könnte Hades tatsächlich als augenzwinkernde Gaunerkomödie betrachten, die zwar auf abgetretenen Pfaden unterwegs ist, um altbekannte Versatzstücke auszuprobieren, die aber noch schärfer und sekkanter hätten sein können, um sich – und da kann man ja dreist genug sein – der schwarzhumorigen Süffisanz eines Guy Ritchie anzunähern. Das Herz hat Hades zwar am rechten Fleck, doch das unüberhörbare Problem an der Sache ist Mohsenis sprachliche Intonation. Einer wie Fritz Karl oder eine wie Aglaia Szyszkowitz werden sofort, nur Sekunden, nachdem sie im Fokus der Kamera stehen, zu denen, die sie darstellen. Bei Mohseni klingt alles, was er zum Besten gibt, wie auswendig gelernt. Die Kunst im Schauspiel liegt ja bekanntlich darin, die Rolle so aussehen zu lassen, als wäre das Gesagte nichts, was jemand anderer geschrieben hätte. Hades nimmt sich durch dieses Defizit vieles an seiner Authentizität. Hinzu kommt, dass Andrea Kopriva aus dem Serienfach kommt und selten kinoformatfüllende Größe erreicht. Vieles, womöglich dem Budget geschuldet, bleibt beschaulich und arrangiert, manches Mal scheint der Erzähfluss gestört, vorallem in den Szenen aus Rezas Jugendzeit.

    Was bleibt, ist unterm Strich der gewinnende Charakter eines Improvisationstalents mit Migrationshintergrund als einer, der nicht alles weiß, vieles kann, aber manchmal eben nicht das richtige tut. Eine umschmeichelte Noir-Figur mit Potenzial ist dieser Reza: er ist einer, dem man nicht böse sein kann. Obwohl das Schauspiel zu wünschen übrig lässt: Mohseni hätte das Zeug. Das Phlegmatische eines Adam Sandler ist da zu finden, das Energische eines Kumal Nanjiani und das Wienerische eines Robert Palfrader, der das Gefährliche mit dem Lausbübischen genauso gut hätte verbinden können wie Mohseni. Hades – Eine (fast) wahre Geschichte aus der Unterwelt ist kleinformatiges Selbstfindungskino mit Hang zu Grätzel und Schabernack, politisch unkorrekten Fausthieben und der verzeihlichen Selbstüberschätzung seiner Figuren. Die Erdung derselbigen gelingt am besten, alles andere hat man mitunter schon besser gesehen. Oder gehört.



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    05.05.2024
    17:15 Uhr
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    Rezas Way

    HADES ist ein starkes und sehr sympathisches Lebenszeichen des österreichischen Kinos mit einem tollen Hauptdarsteller Anoushiravan Mohseni, der im Wesentlichen diesen Film als Wiener Gangster mit Migrationshintergrund mit Herz trägt und einen humorvollen Einblick in die österreichische Unterwelt gibt, wo es aber auch sehr rau zugehen kann.
    Man sollte darauf Acht geben, dass man bei Crime-Aktivitäten sich nicht mit dem echten Vornamen ansprechen sollte.
    Das ist einer von zahlreichen gelungenen Running Gags.
    Nach Möglichkeit bitte HADES im Kino anschauen. Geheimtipp!
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    10.01.2024
    18:14 Uhr