Forum zu Good Boy

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    Vom Tinder-Date zum tierischen Horror

    „Good Boy“ lockt mit einem Titel, der auf die Geschichte verweist, aber auch ironisch deutbar ist. Spielerisch, genial. Verheißungsvoll. Angekündigt als schräger Horror aus Skandinavien, weckt das vielleicht Erinnerungen an andere gelungene Genreperlen wie „Sick of myself“. Es könnte einem ebenso etwas allgemeiner Kino aus dem hohen Norden in den Sinn kommen. Das schürt gewisse Erwartungen, etwas Einzigartiges zu sehen zu bekommen.

    Bereitet man sich etwas mehr vor, lässt einen der Plot eventuell an einen Thriller aus den USA, an „Fresh“, denken. (Was von einigen anderen im Kinosaal ebenso geflüstert worden ist.) Die Parallelen sind auffällig: Junge Frau fährt mit einem attraktiven Mann, den sie erst kurz kennt, in ein abgelegenes Haus. Dort beginnt das Psychospiel. Es stellt sich die Frage, ob sie wirklich in Gefahr ist oder sich das seltsame Verhalten des Partners nur einbildet.

    Die Konstellation und einige Elemente der Geschichte sind also nicht so einzigartig. Bei „Good Boy“ ist das Geheimnis immerhin tierisch. Der ausnehmend attraktive, reiche Mann hält einen Hund, aber keinen gewöhnlichen. Ein Mensch im Hundekostüm ist das Haustier, was die Studentin Sigrid nur kurz abschreckt.

    Reicher, schöner Mann mit schrägen Vorlieben, da gibt es doch noch eine andere prominente Figur, die ähnlich gelagert ist, oder? Genau. Herr Grey (von den 50 Shades) höchstpersönlich hat gewisse Gemeinsamkeiten mit Christian. Er teilt sich mit dem Protagonisten von „Good Boy“ nicht nur den Vornamen. Böse Zungen könnten diese Charakterisierung als wenig kreativ und alles andere als einzigartig bezeichnen. Aber man kann auch ein Auge zudrücken und diese plumpe Anspielung hinnehmen, wie sie ist.

    Somit wären die wichtigsten Filme und Figuren genannt, die gewisse Erwartungen wecken können. „Good Boy“ ist etwas moderner angelegt: Christian und Sigrid matchen sich über eine Dating-App. Leiser Humor schleicht sich in das erste Treffen. Christian im teuren Designeranzug muss auf die chaotische Studentin warten, die in Jogginghosen auftaucht. Overdressed und underdressed, werden Dating-Experten sagen. Vielleicht. (Definitiv aus meiner persönlichen Wahrnehmung, Maßanzug ohne Erklärung würde ich schon fast als Red Flag empfinden …) Trotzdem entwickelt sich ein nettes Gespräch, Sigrid lässt sich zu Christian nach Hause einladen. (Das geht ziemlich schnell, manch eine Dame wäre beim Online-Dating wohl vorsichtiger.) Dort verschreckt sie zwar der Mann, der so tut, als sei er ein Hund, aber die Alarmglocken schrillen nicht lange. Sigrids Freundin zeigt ihr die Vorzüge von Christian: attraktiv, sehr sogar, reicher Erbe, charmant. Da kann man doch über so ein eigenartiges Haustier hinwegsehen. Oder? Doch. Wenn nicht, wäre der Film nämlich zu Ende, egal wie flott der Sinneswandel bei der Studentin eintritt und wie plausibel er wirklich ist.

    Sigrid lässt sich jedenfalls sehr schnell umstimmen und macht nur wenig später einen Ausflug mit dem feschen Millionär. Ab da wird es erst etwas spannender, obwohl die meisten Elemente ebenso ziemlich genretypisch sind. Der abgelegene Ort, mehr Wald als Zivilisation. Idyllisch, aber gefährlich. Die Eigenheiten des Millionärs bieten dann dunklen Humor und erzeugen Spannung. Lange ist nicht klar, ob und wie viel er Sigrid vorspielt. Ist er nicht der perfekte Partner, den man nach außen sieht? Dann fängt der Hund zu sprechen an, wie ein Mensch, … und die Situation eskaliert.

    „Good Boy“ greift gekonnt auf typische Elemente zurück, hebt sich innerhalb des Horrorgenres nicht allzu sehr ab. Die Grundidee, vielleicht auch als Kommentar zu Reichtum, Gesellschaft und der modernen Lebensweise, verspricht zwar viel, allerdings wahrscheinlich zu viel. Irgendwie kommt am Ende das Gefühl auf, dass der Film nicht sein gesamtes Potenzial ausschöpft, viele Aspekte anspricht, aber nicht weiterverfolgt. Die eine oder andere Wendung im Skript zu viel oder zu wenig ist. Zu stark auf die eigenartige Kraft des Menschen im Hundekostüm gesetzt wird, könnte man ebenfalls anmerken.

    Manchmal ist die Figurenzeichnung eher dramaturgisch notwendig als annähernd glaubwürdig. Nicht nur einmal möchte man Sigrid anschreien. Sie könnte doch mehr hinterfragen … Sich mehr Gedanken machen. Und nicht alle Bedenken in den Wind schlagen, nur weil die Freundin den reichen Promi als Nonplusultra darstellt. Oder wenigstens später auf ihre Bedürfnisse und Grenzen achten, ernsthaft kämpfen. Leider wird man permanent enttäuscht von dieser naiv-chaotischen Frauenfigur.

    Hängen bleiben einige Szenen, in denen Christian zwischen Traummann und Psychopath wechselt, da wird man am stärksten in die Geschichte hineingezogen. Es macht fast Spaß, ihm zuzusehen, wie er seine Spielchen spielt. Hätte er eine ebenbürtige Gegnerin, wäre das wahrscheinlich noch spannender.

    Vermutlich braucht man nicht extra erwähnen, dass auch einige Szenen mit dem menschlichen Hund oder dem tierischen Menschen markant sind, gut funktionieren, um die ungewöhnliche Atmosphäre zu unterstützen, Unbehagen zu verbreiten.

    „Good Boy“ hat gute Anlagen, entfaltet sich aber nie richtig, bleibt oft oberflächlich. Etwas mehr Tiefe und mehr Sorgsamkeit bei den Figuren, deren Handlungen manchmal zu sehr nach Notwendigkeit für eine dramaturgische Wendung riechen und dabei nicht unbedingt selbstironisch markiert sind, hätten dem Film gutgetan.

    Vielleicht waren auch die Erwartungen zu hoch bei den Vorbildern, an die „Good Boy“ erinnert.
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    07.10.2023
    16:20 Uhr
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    Bellende Hunde beißen nicht (?)

    Der junge Norwege Christian – gutaussehend, reich und charmant – scheint auf den ersten Blick völlig normal zu sein. Doch als sich die Studentin Sigrid nach einem besonders erfolgreichen Tinderdate in seinem Haus wiederfindet, offenbart sich ihr eine andere Seite: Christian lebt gemeinsam mit Frank, einem Mann der ununterbrochen vorgibt ein Hund zu sein und auch als ein solcher behandelt werden möchte. Nachdem Sigrid anfangs von Christians ungewöhnlichem "Haustier" abgeschreckt ist, siegt ihre Zuneigung ihm gegenüber doch und sie lässt sich auf eine Beziehung ein. Als die beiden allerdings ihren ersten gemeinsamen Urlaub antreten kommen ihr erste Zweifel auf, ob Frank seine Hunderolle tatsächlich so genießt und auch Christians offenbart allmählich andere Seiten seiner Persönlichkeit.
    Genretechnisch ist der Film äußerst schwer zu verorten: Was zunächst wie eine schrullige Liebeskomödie anmutet, verwandelt sich sukzessiv in einen gnadenlosen Folter-Psychohorrorfilm. Der finale Twist sorgt beim Publikum gewiss für erstaunte Gesichter, selbst hartgesottene Horrorfans sollten sich hier für eine Überraschung bereithalten.
    Ohne die hervorragende Darstellung von Gard Løkke als charismatischer Christian würde Viljar Bøes Dating-Albtraum „Good Boy“ möglicherweise weniger gut funktionieren, ihm gelingt es eindrucksvoll mit wenig Gestik und Mimik, die Ambivalenz seines sinisteren Charakters perfekt aufzuzeigen.

    Ein Film der einen definitiv nicht so schnell wieder loslässt!
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    26.09.2023
    11:24 Uhr