Exklusiv für Uncut
Mit „Teenage Mutant Ninja Turtles - Mutant Mayem“ reiht sich nun der nächste Beitrag in die lange Geschichte der reptiloiden Verbrecherjäger ein. Warum der aber mal lieber im Abwasserkanal geblieben wäre, hier in meiner Kritik.
Leonardo, Raffael, Michelangelo und Donatello leben mit ihrem Vater unter den Straßen von New York City. Warum? Weil er sie vor der grausamen Menschenwelt verstecken möchte. Die 4 Jungs sind nämlich keine gewöhnlichen Teenager sondern Mutanten. Doch auch die würden gern ein normales Leben an der Oberfläche führen…
Die vier Schildkrötenjungs sind ja schon lange Teil der Populärkultur und begleiteten auch mich immer wieder. Ob die großartige Animationsserie Ende der 80er, die durch die Nostalgiebrille betrachtet echt charmanten Realverfilmungen der 90er, ja sogar die CGI-lastigen Michael-Bay-Blockbuster; irgendwie konnte ich zumindest den Figuren immer etwas abgewinnen. Sie unterschieden sich stets viel mehr als nur durch die Farbe ihrer Masken, was immer zu besonderer Dynamik innerhalb der Gruppe geführt hat. Umso mehr schmerzt das Fazit, dass das größte Verbrechen welches dieser Film begeht ist, den Turtles beinahe jegliche Persönlichkeit zu nehmen, auch wenn sie diesmal (selbst ohne Augenbinde) optisch leichter zu unterscheiden sind. Nun könnte man argumentieren, es sind ja Teenies, die müssen erst zu sich finden. Fehlen tut dadurch trotzdem etwas. Der Teenager-Aspekt wird also hervorgehoben, der Ninja-Aspekt verkommt dafür in seiner Erklärung zu einer fast banalen Randnotiz. Ihr Werdegang steht im Vordergrund.
Was uns hier nämlich vorgesetzt wird, ist wieder nur der nächste schamlose Versuch ein Franchise aufzubauen, mit einem Superheldenblockbuster nach Schablone. Bösewicht mit generischem Weltherrschaftsplan und noch klischeehafterer Exposition. Check. Actionfinale mit Riesenmonster, dass die Stadt unsicher macht. Check. Sogar als man nach dem Abspann gerade glaubt, nur ein (zugegeben echt spaßiges) Gag-Reel zu bekommen, schon kommt der obligatorische Teaser für die Fortsetzung. Als würden sie gar nicht mehr probieren sich mal auf den Film selbst zu konzentrieren.
Nicht nur da werden Erinnerungen an Spider-Man wach, auch sonst sind Parallelen erkennbar. Die Stadt New York spielt eine zentrale Rolle (inklusive vielen sehr dicken Akzenten), ihr Charakter zeigt sich jedoch erst viel zu spät. Hätten sie das „Aus großer Kraft, folgt große Verantwortung“-Ding abgekupfert, wäre zumindest irgendein emotionaler Faden erkennbar gewesen. Hier erhält man aber nie wirklich das Gefühl, warum sie die Menschen beschützen sollten, das wird von Leonardo wortwörtlich einfach so hingestellt. Und einen ähnlichen Animationsstil haben wir auch gerade erst in „Across the Spider-Verse“ bekommen. Der ist optisch ein Highlight des Films, nur wirkt er in manchen Sequenzen durch gewisse Bewegungen und Proportionen fast Stop-Motion-artig. Außerdem fürchte ich langsam ein bisschen die Verwässerung dieses bisher so besonderen Stils.
Ich kann nicht mal 100% sagen, für wen dieser Film eigentlich gemacht ist. Tonal ist er eher lustig und entfernt sich damit noch weiter von der angeblich sehr düsteren Comicvorlage, was per se überhaupt nicht schadet. Leider hat für mich kein Witz wirklich funktioniert, Humor ist nunmal extrem subjektiv. Im Gegenteil, manche wurden mir durch den Drang sie mir mehrmals erklären zu müssen einfach kaputt gemacht; die Filmemacher scheinen ihrem Publikum nicht viel zuzutrauen. Die Eröffnungssequenz glänzt mit sehr atmosphärischen Horrorelementen, doch auch sie ist vermutlich zwecks Vermarktbarkeit an ein jüngeres Publikum ein wenig entschärft worden. Auch durch seine manchmal äußerst hektische Art wirkt er wie für die Gen Z geschaffen (Um erneut den Vergleich zu Spider-Man zu ziehen, der hat sich trotz Schnittfeuerwerk weniger gehetzt angefühlt und doch spürte ich die über 2 1/2 Stunden Laufzeit weniger, als die hier nur knapp 100 Minuten). Aber ob die was mit den zahlreichen Referenzen an die reale Popkultur anfangen kann, ist fragwürdig. Ebenso wartet der Soundtrack mit (teilweise echt obskuren) älteren Popsongs auf, die im Gegensatz zu „Guardians of the Galaxy“ so gar nicht reinpassen wollen. Da hat „Across the Spider-Verse“ mit seiner modernen hip-hop-lastigen Musikuntermalung deutlich besser funktioniert, unerheblich ob mir diese gefällt oder nicht.
Im Endeffekt ist sogar genug da, dass ich mich auf die Fortsetzung freue, aber den hier hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Mal sehen, ob wir die Fortsetzung überhaupt kriegen.
UPDATE (3. 7.2023):
Da ich mit meiner Kritik so gar nicht den allgemeinen Konsens getroffen habe, habe ich ihn mir direkt zu Kinostart noch einmal angesehen (auch um die Reaktion eines jüngeren Publikums mitbekommen zu können).
Und ich muss schockierenderweise berichten, dass ich bei meinem Fazit bleibe, und das das Bedürfnis ausgelöst hat es noch mehr zu rechtfertigen. Zuvor hatte ich noch die Annahme, dass ich vielleicht im Mindset als Kritiker, bewusst nach Fehlern suche, und dass, falls ich ihn beispielsweise in einer Sneak Preview gesehen hätte, ich ihn einfach von Grund auf mehr genossen hätte. Es wäre aber komplett unfair, ihn nicht nach denselben Kriterien zu bewerten, wie ich es bei jedem anderen Film tue.
Nun war ich also bereit ihn zu mögen, und er hat mich doch wieder enttäuscht. Mein Zugang zu Filmen ist und war immer schon die emotionale Schiene. Sie müssen irgendein Gefühl in mir auslösen. Und hier hab ich einfach wenig bis gar nichts gefühlt.
Und bei der zweiten Sichtung ist mir mehr bewusst geworden warum. In meiner Kritik habe ich ja davon gesprochen, dass der Soundtrack oft unpassend eingesetzt wird. Nun bin ich zu dem Schluss gekommen, dass auch die teilweise falsche Filmmusik des öfteren völlig den Moment ruiniert. Denn wenn schon die Szene nicht für sich allein sprechen kann, wäre mir selbst kitschige Manipulation durch Musik lieber, als was teilweise hier geschieht. Ein paar Szenen funktionieren, doch sind die dann lediglich ein Tropfen am heißen Stein.
Im selben Atemzug werden ständig emotionale Höhepunkte durch Humor zerstört (da fühlt man sich an die schlechtesten Momente des MCU erinnert). Ich beziehe mich in der Kritik ja immer wieder auf den jüngsten Spider-Man-Film. Nun bewerte ich grundsätzlich immer nur was ich vor mir habe, nicht was ich gerne bekommen hätte, aber hier liegt der Vergleich einfach nahe. Und Spidey hat das alles nunmal um einiges besser hinbekommen.
Im Grunde genommen begeht TMNT in Dauerschleife DIE Kernsünde des filmischen Erzählens: er erklärt mehr als es zu zeigen. Besonders deutlich wird dies in zwei Flashbackszenen, die eigentlich die Motivation zweier Hauptfiguren spürbar machen sollen; bei mir kommt davon leider wenig an.
Die Referenzen an die reale Welt, haben mich erneut gestört, und es waren sogar um einige mehr als mir beim ersten Mal aufgefallen sind. Seit Deadpool will irgendwie jeder Deadpool sein, und diesen Trend sehe ich immer problematischer (ebenjener wurde mir dadurch mittlerweile sogar rückwirkend kaputt gemacht). Wen es nicht stört, good for you, mir macht es nur einfach immer öfter die Immersion kaputt, die ich an Filmen liebe.
Was mir beim wiederholten Lesen meines Textes aufgefallen ist, dass ich bezüglich des Bösewichtes etwas unklar war. Es gibt nämlich zwei davon. Die „Super Fly“, eine mutierte Fliege, ist der zentrale Widersacher, und der funktioniert eigentlich ganz gut, inklusive halbwegs nachvollziehbarer, wenn auch wie bereits beschrieben, kaum fühlbarer Motivation. Den erwähnten generischen Weltherrschaftsplan hat dafür eine Wissenschaftlerin, die den zweiten Bösewicht darstellt. Und die dient im Gesamtkontext des Films eigentlich nur dazu, in der Post-Credit Szene die Fortsetzung anzukündigen. Ansonsten könnte man sie getrost rausstreichen. Das (wortwörtliche) Riesen-Finale wäre ja nicht per se problematisch, nur wenn ich zu dem Zeitpunkt kaum etwas fühle, ist die Luft einfach raus.
Ich habe ebenfalls die fehlende Persönlichkeit der Turtles kritisiert. Nun habe ich zumindest Andeutungen davon gesehen, am ehesten sticht noch Rafael mit einem Aggressionsproblem hervor. Es wird lediglich erklärt, was sie gerne mögen, aber Hobbies sind nunmal keine Persönlichkeit, und so wirken auf mich immer noch alle wie lauter gleiche Teenager. Ich hab ja schon akzeptiert, dass ich ihn vielleicht als Neuinterpretation der Geschichte sehen muss, aber das stößt mir immer noch sauer auf. Und die Erklärung des Ninja-Daseins ist für mich ungefähr auf demselben Level wie die Namenserklärung von Han Solo in „Solo: A Star Wars Story“.