„Als eine Anamorphose bezeichnet man Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel bzw. mittels eines speziellen Spiegels oder Prismensystems erkennbar sind.“ Soweit unser allerliebster digitaler „Weiß-ich-war-ich-bin-ich-schon“-Kumpel, das Wikipedia. In Henry Millers Regieerstling ANAMORPH bedeutet diese Erklärung aber viel, viel mehr, weil dort nämlich killt ein gar sehr verrückter Serienmörder just im Stil der Anamorphose, will heißen: Drapiert seine unschuldigen Opfer auf derart raffinierte Weise, dass die Lösung des Verbrechens eine Sache des Blickwinkels wird. Exakter: Eine Sache von Det. Stan Aubray (genial, Willem Dafoe), einem völlig vereinsamten, schwer „Monk“ischen Charakter, dem noch immer eine fünf Jahre zurückliegende Serialkillerhatz auf den Magen schlägt. Der Mörder von damals wurde zwar gefasst und dabei erschossen, aber ob’s der auch wirklich war, das steht, zumindest für den schweigsamen Aubray, bis heute in den kriminalistischen Sternen. Jetzt jedenfalls ist ein neuer Spieler/Mörder am Feld/Tatort. Ein Killer so klug wie effektiv. Einer, der wohl fünf Jahre Zeit hatte, seine dunklen Pläne in die Tat umzusetzen.
Aber das ist es nicht, was ANAMORPH aus dem üblichen Schwund von mehr oder minder gelungenen „Sie7en“- oder „Schweigen der Lämmer“-Retrospektiven hervorhebt. Das Movie ist für sich eine Anamorphose. Ein beinah avantgardistisch, streng dual zu betrachtendes Gesamtkunstwerk in Wort und Bild. Kaum ein Satz, kaum eine Bewegung lassen sich wirklich klar deuten. Hinter der scharf strukturierten Fassade des Verbrechens lauert ständig das Geheimnis einer Wahrheit, die man nicht wirklich sehen kann; nicht wirklich wissen will. Das Offensichtliche ist in ANAMORPH Schall und Rauch. Aber Hand aufs Herz, liegt die Wahrheit nicht immer im Auge des Betrachters? … (MacGuffin) |
