Pandoras Vermächtnis

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Forumseintrag zu „Pandoras Vermächtnis“ von Snowbit

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Snowbit (12.04.2024 21:06) Bewertung
Geheimnisse eines Regisseurs: G. W. Pabst im Fokus
Exklusiv für Uncut von der Diagonale
Vor rund einem Jahrhundert in der Zwischenkriegszeit beflügelte sich Deutschland mit dem facettenreichen Weimarer Kino zu einer international anerkannten Filmbranche. Namen wie Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau und Ernst Lubitsch prägten mit ihren Stumm- und frühen Tonfilmen die Kinogeschichte nachhaltig. Zu dieser Riege zählt auch Georg Wilhelm Pabst, „der große Unbekannte“ des frühen Films.

Nun widmet Regisseurin Angela Christlieb ihre neueste Dokumentation „Pandoras Vermächtnis“ (in Referenz an Pabsts Film „Die Büchse der Pandora“) der ambivalenten Persönlichkeit des G.W. Pabst. Das Künstlerporträt zählt vermutlich zu einer der am häufigsten genutzten Genres der Dokumentation, aber Christlieb entwickelt einen ganz eigenen Ansatz. Denn statt einzig der Filmografie, steht die Familie im Fokus. Anhand von Tagebucheinträgen und Briefen von und an die Ehefrau Trude Pabst, die ihren Gatten bei Filmprojekten auch oft unterstützt hatte, hangelt sich „Pandoras Vermächtnis“ an den familiären Beziehungen Pabsts entlang. In enger Zusammenarbeit mit den Enkeltöchtern und -söhnen merkt man dadurch eine sensible Detailtreue und verdeutlicht das Erbe des Regisseurs als Familienvater. In eigenen Aufnahmen werden die drei Enkelkinder Daniel, Marion und Ben Pabst begleitet und interviewt, zusammengeschnitten mit Filmausschnitten von Pabsts Werken und realem Archivmaterial.

Zwar wird dadurch ein zumindest etwas fortgeschrittenes Wissen über G.W. Pabst und seine Filme vorausgesetzt, aber Christliebs Zugang ist auch ein adäquater. Denn Pabsts Figur lebte von Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Pabsts künstlerisches Oeuvre ist von linken, sozialistischen Wertvorstellungen geprägt, aber während des zweiten Weltkrieges blieb er hierzulande und drehte unter dem Dritten Reich zwei Filme. Ebenfalls inszenierte er oftmals starke Frauenrollen, in der Familie galt er aber als Patriarch und unterdrückte selbstverständlich Frau und Söhne. All diese komplexen Inkonsequenzen schafft es „Pandoras Vermächtnis“ umzusetzen und abzubilden. Dabei erbringt der Film auch in seiner Archivarbeit die Leistung, in die Schatten gedrängte Frauen wie Trude Pabst es war, ins Licht zu ziehen.

Filmisch geht Angela Christlieb ebenfalls essayistische Wege. Mit der assoziativen Montage spielt hier der Schnitt eine wichtige Rolle, das Material zu selektieren und zu verbinden. Auf kluge Weise werden Szenen aus den Filmen Pabsts in einen Kontext mit den anderen Ebenen der Dokumentation gesetzt, wodurch die eigentlichen Inhalte umgedeutet, erweitert oder vergleicht werden. Konsequent ziehen sich auch Themen wie das Universum und Spiritualität, auch bedingt durch Trudes Traumtagebücher, durch den gesamten Film, wodurch neben der eigentlichen Geschichte auch ein roter Faden zu erkennen ist.

Dementsprechend brilliert „Pandoras Vermächtnis“ als Dokumentation, die einen erfrischenden Ansatz wählt, der historischen Persönlichkeit G.W. Pabst näherzukommen. Jedenfalls ist festzustellen, dass sie der Filmografie Pabsts und seinen Nachkommen in einer Kurzweiligkeit und gleichzeitigen Faszination gerecht wird.
 
 

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