Late Night with the Devil

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Forumseintrag zu „Late Night with the Devil“ von Filmgenuss

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Filmgenuss (09.06.2024 18:59) Bewertung
Teuflisch gute Quoten
Ich muss gestehen, ich freue mich schon auf Halloween. Ja natürlich, vorher drängt sich noch der Sommer dazwischen, doch meine Affinität zum Paranormalen und Phantastischen schlägt die überschaubare Lust, in der Hitze nicht enden wollender Tage auf diversen Liegewiesen dahinzudämmern. Wenn’s dunkel wird, lockt das Geheimnisvolle. Und wenn’s dunkel wird, heißen diverse Show-Hosts quer über den Erdball das nocturnale Publikum wieder herzlich willkommen. In unseren Breiten sind das Sterman, Grissemann oder Peter Klien. In Deutschland der kontroverse Jan Böhmermann, in Übersee Jimmy Fallon oder Stephen Colbert. Jetzt stelle man sich mal vor, einer dieser wortgewandten Showgrößen hat sich für die Nacht des einunddreißigsten Oktobers auf den ersten November etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um die Quotenflaute auszumerzen. Etwas, das wie ein Straßenfeger fast die gesamte Bevölkerung eines Landes vor die Bildschirme lockt, und nein, es ist nicht eine erneute Mondlandung, sondern etwas ganz anderes. Der Beweis nämlich, dass gepeinigte Mädels wie jenes aus dem Film Der Exorzist tatsächlich existieren, dass es sogar möglich scheint, vor laufender Kamera endlich mal das Corpus delicti greifbar und überzeugend für alle offen zur Schau zu stellen.

Die Spannung wächst beim Publikum ins Unendliche, die Erwartungshaltung ist hoch, und die Skepsis bleibt, vorallem auch deswegen, weil Fakt und Fake in Zeiten wie diesen nur noch schwer auseinanderzuhalten sind. Doch Moment: In Late Night with the Devil befinden wir uns in einer Talkshow des Jahres 1977. Und auch wenn bahnbrechende Effekte in Filmen wie Star Wars die Welt zum Staunen bringen: Akkurate Illusionen in einer Live-Show vom Stapel zu lassen gestaltet sich dann doch deutlich schwieriger. Aus diesem Grund sollen an diesem Halloweenabend abgeblich echte Phänomene kritisch beäugt werden dürfen, deswegen lädt Showmaster Jack Delroy nicht nur das Medium Christou in die Live-Sendung ein, der mit den Toten kommunizieren kann. Auch der Ex-Magier Carmichael Haig darf die Chance ergreifen, das paranormale Schauspiel zu entlarven. Letztendlich wird sich dieser bei titelgebender Teufelsbeschwörung die Zähne ausbeißen. Und die Show zum grauenhaften Ereignis werden lassen, das als Found Footage-Dokument a la The Blair Witch Project spätere Generationen verstören soll.

Das Konzept dieses Films geht auf. Dämonen, die über ein Mädchen kommunizieren, in eine spätabendliche Talkshow einzuladen, ist tatsächlich ein kreativer Knüller. Es ist, als würde man, offen für jeden Aberglauben, den Sensationen einer jahrmärktlichen Schaubude beiwohnen, wäre man im vorigen Jahrhundert geboren. Hochgerechnet auf das Fernsehzeitalter der Siebziger, mit dem wir uns besser identifizieren können als mit theatralischem Budenzauber, entlockt Late Night with the Devil dem Zuseher eine Sensationslust, die fast schon in eine Gier übergeht; die kaum erwarten lässt, was bald stattfinden wird. Das Publikum weiß, dass die Sache aus dem Ruder laufen wird. Doch wie, bleibt lange ein Geheimnis, ein „Jack in the Box“.

Der Film von Cameron und Colin Cairns ist aber längst nicht so ein konsequenter Footage-Horror wie er letztlich hätte sein können. Eine Erkenntnis, die sich erst gegen Ende des Films niederschlägt. Die Behind the Scenes-Sequenzen lassen sich ja noch halbwegs als Teil einer ungeschnittenen Rohfassung ganz gut erklären, als andersformatige Schwarzweiß-Intermezzi sind sie dazu da, den Showbeitrag mit einer moralisch aufgeladenen Story zu unterfüttern. Hätte es das gebraucht? Ganz und gar nicht. Ich will nicht wissen, was Showmaster Delroy auf dem Kerbholz hat. Was Gäste und Host miteinander verbindet. Noch radikaler wäre es gewesen, hier überhaupt keinen Background zu erzählen, es einfach laufen zu lassen, auf unerklärliche, unheimliche Weise und ohne kausale Zusammenhänge. The Blair Witch Project hat das hinbekommen. Cloverfield ebenso. Late Night with the Devil schafft es über Dreiviertel seiner Laufzeit, wirklich zu fesseln. Doch dann ist die dick aufgetragene Liebesmüh nur noch dazu da, dem phänomenalen Ende einen reichlich konfusen Epilog draufzusetzen, der nur Verwirrung stiftet.



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