Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Zurück auf die Bäume

Kobergs Klarsicht: Zurück auf die Bäume

Im Urlaub und im Kino träumen wir gerne von der Freiheit in der Wildnis und ersparen uns dabei alle unschönen Details.
derkoberg_e0b93f0909.jpg
von (DerKoberg)
Urlaubszeit, das ist der alljährliche Höhepunkt der Sehnsüchte. Die breite Masse sucht die verdiente Entspannung im alle Jahre wieder gewohnten Umfeld von Lignano, Rovinj oder Velden und ein großer Teil der anderen ist stolz darauf, genau das auf keinen Fall zu wollen. Das sind die Individualtouristen, die Backpacker und Camper, die am liebsten da Urlaub machen würden, wo sonst keiner ist. Wo die Welt, die Natur und die Menschen noch echt und unverfälscht sind. Wo das wilde Leben vor dem Zelteingang beginnt. Solange es irgendwo ein sauberes Klo gibt. Und eine kleine Bar mit kaltem Bier.

Reisen hat viel mit dem Traum von Exotik und Abenteuer zu tun, mit der in uns schlummernden Überzeugung, dass das wahre Leben irgendwo anders stattfindet, nicht in Bürosesseln und vor HD-Fernsehern. Und weil sie das Aussteigen dann doch zu radikal aber vor allem auch ein bisschen naiv finden, muss der Drang vieler Menschen nach Freiheit und Wildheit sich eben auf die zwei, drei Wochen Sommerurlaub beschränken. Und vielleicht auf den einen oder anderen Kino-Abend.

Hollywood ist sehr konsequent in seiner von der Romantik geprägten Logik, die in Natur und Ursprünglichkeit das Gute sieht. Die Guten hören auf ihre Gefühle, sie haben eine starke Verbindung zur Natur und Geld hat für sie keine Bedeutung. Umso bescheidener und primitiver Menschen leben, umso mehr verfügen sie über Weisheit und ein gutes Herz – alles in allem ein krasser Kontrast zum Alltag in den Städten der westlichen Welt.

Von den Na’vi in „Avatar“ bis zu Tarzan, der gerade wieder in „Legend of Tarzan“ in den Dschungel zurückgekehrt ist, wird uns in Filmen wieder und wieder eine andere Variante derselben Geschichte erzählt, es werden dieselben Sehnsüchte geweckt. Und immer werden natürlich auch Abstriche gemacht, um das romantische Ideal nicht durch unschöne Details zu entzaubern. Tarzans perfekt geschminkte Jane im Urwald des Kongo ist das zwei Mal täglich geputzte Sanitär-Gebäude beim Campen in der Wildnis. Es ist der Punkt, an dem die ästhetischen und hygienischen Bedürfnisse dann doch über der Sehnsucht nach Ursprünglichkeit stehen. Und während die Urwald-Krieger des Kongo ihre unbehaarten Heldenkörper präsentieren wird am Urlaubsfoto vom Traumstrand der angeschwemmte Plastikmüll wegfotografiert.

Die exotische Welt des wilden Lebens fern von Gesetz und Gesellschaft muss konstruiert werden, um so lustvoll erlebbar zu bleiben. Das gilt für Filme wie für Reisen. Der realistische Blick, wie ihn etwa Sean Penn in „Into the Wild“ präsentiert, ist neben aller Faszination dann eben doch auch schmerzvoll desillusionierend.