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    Sie werden lachen, es ist ernst

    Filme über den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Kontext katholischer Schulen oder Heime gab es (leider) schon mehrere. Allesamt arbeiteten sie das Thema in der Form eines Dramas auf, bei dem das Leid der Gequälten im Vordergrund stand und die Institution "Katholische Kirche" als Schuldige oder zumindest strukturell Verantwortliche kritisiert wurde. In diesem Film geht es nicht um den Missbrauch hinter verschlossenen Türen und unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit sondern um eine im Grundsatz humorvolle Auseinandersetzung mit dem Erwachsenwerden, dem Entdecken der eigenen Sexualität und den Rahmenbedingungen, mit denen Jugendliche in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in katholisch geführten Schulen konfrontiert waren. Nun ist eine jede Auseinandersetzung mit diesem Thema von sich aus niemals vollständig, da sie das Ganze aller von katholischen Orden oder Pfarreien geführten Bildungseinrichtungen wiedergeben müsste, was von sich alleine aus schon nicht geht (Stichwort: Weltkirche) und in der Länge eines Spielfilmes von nur 78 Minuten schon gar nicht richtig Platz hat.

    Wenn man das Thema aber dennoch abhandeln möchte, dass kommt man um zwei zentrale Hilfsmittel nicht herum: das Stereotyp und das Klischee. Und so finden sich in diesem Film von den Machern des (zurecht)Oscar-nominierten Filmes "Call Me By Your Name" beide Hilfsmittel großzügig im Einsatz, was zwar dem Humor des Ganzen Vortrieb leistet (zu offensichtlich sind sie nämlich von Anfang an), dem Anliegen des Filmes aber einen Bärendienst erweist. Will er als kritischer Streifen im Gewand einer Komödie Kritik an der Moral der katholischen Kirche üben, fehlt ihm leider der nötige Ernst, will er nur als Komödie über Doppelmoral und Scheinheiligkeit funktionieren, gerät er insgesamt zu oberflächlich, was entweder nur bereits sehr oft benutzte Vorurteile unreflektiert einzementiert oder alles, was mit Glauben, Moral und Verantwortung für den eigenen Körper zu tun hat, pauschal lächerlich macht. Dann gilt am Ende nämlich jener Satz von Karl Valentin, wo er meinte "Sie werden lachen, es ist ernst!" und religiöse Menschen fühlen sich mit Filmen dieser Art (die sie ohnehin kaum freiwillig anschauen werden) eher noch bestätigt darin, wie verwerflich die Welt, in der sie wohnen, doch geworden ist. Eine kritische Auseinandersetzung mit den blind übernommenen Moralvorstellungen täte ihnen eigentlich gut, funktioniert so aber leider nicht.
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    19.01.2021
    12:34 Uhr
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    Brave Mädchen tun das nicht

    Exklusiv für Uncut
    In schwierigen Zeiten, wie wir sie aktuell erleben, greift man vor allem gerne auf leichte und erheiternde Feel-Good-Movies zurück, die uns daran erinnern, nicht immer alles so ernst nehmen zu müssen. Mit viel Herz und einer unglaublich charmanten Hauptdarstellerin erzählt die Coming-of-Age-Komödie „Yes, God, Yes“ von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens in einer konservativ-katholischen Umgebung.

    Das Langspielfilmdebüt von Karen Maine feierte seine Premiere am South by Southwest Festival 2019 und basiert auf dem gleichnamigen Kurzfilm der Regisseurin, nachdem die Komödie Anfang November endlich auch in deutschsprachigen Kinos hätte starten sollen, wurde der Release erneut wegen der Corona-Situation verschoben. Die Rolle der unerfahrenen Protagonistin Alice wird von Jung-Aktrice Natalia Dyer dargestellt, die den meisten wohl durch die Rolle der Nancy Wheeler im Netflix-Hit „Stranger Things“ ein Begriff sein dürfte.

    Wir schreiben das Jahr 2000: Das Internet steckt noch in den Kinderschuhen und ist weit weniger komplex als es heute der Fall ist, Mobiltelefone sind wenig verbreitet und höchstens zum Snake-spielen ein guter Zeitvertreib. Die 16-jährige Alice besucht eine katholische High School, der Sexualunterricht besteht aus Abstinenzpredigten, Homophobie und Drohungen von der ewigen Verdammnis. Alice hadert mit diesem schwierigen Zugang zum Thema Sexualität, das unerfahrene Mädchen versucht sich an Cyber-Sex, immer wieder kommt ihr jedoch das durch die Religion indoktrinierte schlechte Gewissen in die Quere. Als sie nach dem Wochenende in die Schule kommt, hört sie von einem schwerwiegenden Gerücht, das jemand über sie und einen Klassenkollegen in die Welt gesetzt hat. Nachdem die strenge Lehrerin Mrs. Veda Wind von dem Gerücht bekommt, ermahnt sie Alice wieder auf den rechten Weg zu finden und schlägt ihr dafür das Kirkos-Kirchenlager vor. Doch auch durch das Gruppenbeichten, Teamübungen und gemeinsame Gebete dort findet Alice keine Ruhe vor ihren unterdrückten sexuellen Gefühlen, viel mehr wird ihr die Doppelmoral und die Heuchelei der Glaubensgemeinschaft vehement vor Augen geführt.

    Obwohl Hauptdarstellerin Natalia Dyer im Jahr 2000 gerade mal fünf Jahre alt gewesen wäre, fügt sie sich gekonnt in die Szenerie der damaligen Zeit ein und avanciert ob ihres Charmes und ihrer gewinnenden Naivität zur eindeutigen Sympathieträgerin, der es gelingt den Film, vor allem in seinen etwas schwächeren Momenten, beinahe alleine zu tragen.

    Die Prämisse des Films ist ungewöhnlich und gleichzeitig eine Art Neuheit, denn zumeist sind Filme, die streng gläubige Glaubensgemeinschaften skizzieren, eher dem Dramagenre untergeordnet. Auch die berechtigte Kritik an der Scheinheiligkeit vieler vermeintlich Gläubigen ist ein erfrischendes Merkmal, diese könnte allerdings sehr viel tiefer gehen und verliert sich gegen Ende des Films leider ein wenig in die Belanglosigkeit.

    Ein kurzweiliger, unterhaltsamer, spaßiger Film, der es zwar nicht schafft, tiefgreifend die Maske bigotter Religiosität zu enttarnen, aber zumindest an deren Oberfläche kratzt.
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    05.12.2020
    21:39 Uhr