Berlinale 2009
Interview mit Franziska Weisz

Interview mit Franziska Weisz

Uncut in Gespräch mit der Darstellerin aus „Distanz“ und „Das Vaterspiel“.

Uncut: Ich möchte mich gleich vorweg herzlich bei Dir bedanken, dass Du Dir so kurzfristig Zeit für ein Interview genommen hast.
Franziska Weisz: Aber klar doch, ich wohne ja hier in der Stadt.

Uncut: Eine österreichische Schauspielerin, die in Berlin lebt. Wie kommt das?
Franziska Weisz: Also nachdem ich schon während meiner Studienzeit in England gelebt hatte, dachte ich mir eines Tages, es wäre Zeit, wieder etwas Neues zu machen und umzuziehen. Nach Berlin hatte ich eigentlich gar keine Beziehungen, ich kannte hier niemanden, auch auf der Berlinale war ich bisher noch mit keinem Film vertreten gewesen, ich hatte mir nur mal ein paar Filme angesehen, aber mehr nicht. Job hatte ich auch keinen. Man könnte sagen, der „Nicht-Plan“ ist gut aufgegangen... (lächelt)

Uncut: Es hatte also nichts mit Deiner Arbeit zu tun, dass es hier einfacher wäre für eine Schauspielerin?
Franziska Weisz: Nein, im Gegenteil. Es ist hier schwieriger! Daheim ist die Szene vertrauter. Hier hab ich das Gefühl, ich muss mich behaupten, der Widerstand ist größer. Ich wollte an einen Ort umziehen, den ich noch nicht kannte. Der deutschsprachige Raum war schon klar, ich hätte ja auch nach München ziehen können. Außerhalb des deutschsprachigen Raumes hätte es wenig Sinn gehabt, weil ich ja als Schauspielerin im deutschsprachigen Raum arbeiten wollte. Nach Spanien zu ziehen, nur weil es dort schön ist, hätte wenig Sinn gehabt. (lacht)

Uncut: Du hast in England studiert. Kostenrechnung und Co. hat Dich nicht wirklich interessiert. Du hast Dein Studium aber trotzdem abgeschlossen (Master of Management and Environment, Anm.). Eine Art Sicherheitsnetz zum Broterwerb, wenn es mit der Schauspielerei nicht klappt?
Franziska Weisz: Das hab ich deshalb gemacht, weil ich in England ein Jahr überbrücken musste, bis ich von der Matura zu studieren anfangen konnte. Es hat nämlich eine Zeit gedauert, bis ich die Bescheide der UNI hatte. Damit ich aus dem Lernen nicht rauskomme, hab ich an der Wirtschaftsuni Betriebswirtschaft inskribiert, damit ich einfach drinnen bleibe im Lernrhythmus.

Uncut: Du bist hier auf der Berlinale heuer mit zwei ganz verschiedenen Filmen vertreten. Ich hab beide gesehen, sowohl „Distanz“ als auch das „Vaterspiel“ (Franziska ist ganz begeistert und stößt einen Jubel aus: „Was, echt?!!") In „Vaterspiel“ hast Du ja nur eine kleine Nebenrolle (die Schwester von Ratz) , in „Distanz“ spielst Du aber eine handfeste Hauptrolle neben Deinem Filmpartner Ken Duken. Er ist im Film der stille Typ mit dem dunklen Geheimnis und Jena daneben ist die sanfte junge Frau, die ihn trotzdem liebt. Was hat Dich an der Rolle gereizt ?
Franziska Weisz: Ich hab das Drehbuch gelesen und mich sofort in Jana verliebt. Jeder Satz, den sie sagt, ist so süß. Sie ist eine Frau, die die Entscheidung getroffen hat, ihre Liebe über alle Vernunft zu stellen. Egal, welche Probleme auftauchen: meine Liebe ist das, was zählt. Das ist so selten... wann im Leben begegnet man schon einem solchen Menschen? Ich bekam den Ehrgeiz, diese Figur so gut wie möglich auszufüllen. Für mich persönlich wäre es nicht vorstellbar, sich so zu verhalten, bei mir würde sich auch die Vernunft zu Wort melden. Jana bringt ihren ganzen Mut auf, um alles mit ihrer Liebe wettzumachen.

Uncut: Der Regisseur Thomas Sieben hat beim Q & A nach dem Film erzählt, er hätte die Geschichte absichtlich so reduziert, damit die Figur spannender bleibt, weil sie keinen Hintergrund hat. Man erfährt ja auch von Jana nicht wirklich etwas in dem Film. Könnte man sagen, dass es bei Jana eben genauso ist, dass sie ihn ohne Motiv oder Wenn und Aber einfach liebt?
Franziska Weisz: Das auf jeden Fall. Aber ein wenig wird von ihr schon erzählt. Sie ist ja auch ein Sonderling, nicht so ganz alltäglich. Sie ist isoliert und ein etwas seltsamer Charakter. Aber das zeigt für mich so schön den Unterschied zwischen den beiden Figuren im Film: er braucht die Distanz in der Beziehung, sie braucht die Nähe. Das ist ein Spannungsfeld zwischen den beiden. Aber er ist für sie die Projektionsfläche, jemand, den sie mit ihrer überbordenden Liebe und Fürsorge überschütten kann und er lässt es einfach zu. Wäre er nicht so zurückgezogen und apathisch die ganze Zeit, dann könnte sie das gar nicht. Sie bringt quasi 99 % in die Beziehung ein und er 1 %.

Uncut: Es gibt eine Szene im Film, wo er krank zuhause liegt und sie zu ihm kommt und unaufgefordert Taschentücher, Hustensaft etc. mitbringt. Außerdem auch noch eine paar persönliche Sachen. Sie sagt dann: „Jetzt, da ich Dich ja quasi pflege, kann ich ja auch gleich ein bisschen bei Dir einziehen". Fürsorge, die mehr als 100 % ist, oder?
Franziska Weisz: Genau das ist ja so spannend. Sie überschreitet nach der Reihe eine Grenze nach der anderen und man wartet irgendwie die ganze Zeit über darauf, dass er sie raushaut. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand, der mich pflegt, auch gleich ein bisschen bei mir einziehen will, dann kann ich nur sagen: ich würde den Typen garantiert rauswerfen!!!

Uncut: Die Handlung des Filmes ist ja sehr ungewöhnlich. Würdest Du gerne immer solche Filme machen, solche kantigen und eckigen Filme?
Franziska Weisz: Ich mag nur kantige und eckige Produktionen. Meine Filme sind ja alle sehr anspruchsvoll. Ich kann mir ja nicht vorwerfen, dass ich anspruchslose Filme machen würde. Ich mag solche Stoffe einfach sehr gerne.

Uncut: Du könntest ja auch einmal einen einfach nur netten, schönen Film machen. Wär das was für Dich?
Franziska Weisz: Warum nicht? Reizt mich total, aber ich glaube, die Leute kommen nicht auf die Idee, mich für einen solchen Film zu besetzen. (lacht) Wer immer dieses Interview liest: ich würde gerne auch mal einen schönen, netten Film drehen...

Uncut: Kommen wir zu Deiner Rolle in „Das Vaterspiel". Dort spielst Du in einer Nebenrolle Ratz's Schwester. Wie war die Arbeit für Dich in dieser doch schon etwas größeren Produktion, auch in Bezug auf den Regisseur Michael Glawogger?
Franziska Weisz: Michael ist der umgänglichste Regisseur, den ich kenne. Ich kannte „Workingman's Death“ und „Slumming“ und dachte mir, das ist ein cooler Regisseur. Als wir dann am Set waren, merkte ich, wie schnell wir einen Draht zueinander gefunden hatten. Fast wie auf einem Ponyhof, könnte man sagen. Ich war ja auch beim Casting, wo wir schon über die Rolle viel gesprochen haben. Wir beide, Michael Glawogger und ich, hatten ein ähnliches Verständnis über die Rolle, wir sahen Klara ähnlich, das hat sicher viel dazu beigetragen, dass ich die Rolle bekommen habe.

Uncut: Hattest Du das Buch vorher schon gelesen?

Franziska Weisz: Nein, mit dem Drehbuch hatte ich den ersten Kontakt zur Geschichte.

Uncut: Helmut Köpping hat mir gestern erzählt, dass es für ihn eine Herausforderung war, der er sich aber gerne gestellt hat. Du warst ja auch schon im Fernsehen mit einigen Produktionen für den ORF zu sehen (SOKO Kitzbühl, Anm.) Möchtest Du in Zukunft lieber beim Kinofilm bleiben oder wär das Fernsehen auch wieder etwas für Dich?
Franziska Weisz: Ich mache das, wo die besten Rollen und Drehbücher daher kommen. Ob das dann einen Riesen-Kinostart hat oder um 4 Uhr morgens im Fernsehen läuft, ist mir egal. Ich will schöne Projekte machen, wer das dann produziert und wie es ankommt, zeigt sich dann ohnehin erst nachher. Ich bin ein Set-Junkie, wenn mir die Rolle gefällt, sage ich zu.

Uncut: Hast Du den zweiten österreichischen Film hier auf der Berlinale „Der Knochenmann“ schon gesehen?
Franziska Weisz: Nein, aber ich möchte ihn mir unbedingt anschauen! Gestern hab ich das Team noch getroffen, das war total nett. Ich werde mir den Film am Sonntag als Berlinale Abschluss anschauen und darauf freu ich mich total. Ich mag die Bücher von Wolf Haas und ich mag die Filme mit dem Josef Hader. Es ist wirklich beides. Der Hader ist eine grandiose Besetzung, finde ich. Er hat hier in Berlin übrigens einen riesigen Fanclub, wusstest Du das?

Uncut: Naja, bei der Pressekonferenz gestern haben sie seinen Namen falsch geschrieben: Joseph Harder. Er hat das Schild dann gleich umgedreht, als er es bemerkt hat. Der Fanclub arbeitet offensichtlich nicht auf dem Festival.
Franziska Weisz: (kichert) Echt? Tja, sowas gibts immer wieder.

Uncut: Hast Du den Eindruck, dass österreichische Regisseure, Schauspielerinnen und Schauspieler von ihren deutschen KollegInnen ernst genommen werden?
Franziska Weisz: Also ich weiß nicht, woher die Österreicher DIESEN Komplex herhaben!!! (runzelt die Stirn) Als ich hergezogen bin, hörte ich überall: bist Du wahnsinnig? Nach Berlin? Hier sagen alle, die Österreicher machen total tolle Filme, ich mache manchmal mit Freunden Filmabende mit österreichischen Filmen und allen gefallen die Filme, auch „Hundstage".

Uncut: Es gibt also kein Akzeptanzproblem?
Franziska Weisz: Nein, überhaupt nicht!

Uncut: Vor einigen Jahren hat Michael Glawogger mit „Slumming“ hier auf der Berlinale einen Film im Wettbewerb gezeigt. Bei der Pressevorführung haben zwar alle vor Lachen gebrüllt, bei der Konferenz anschließend waren fast keine Leute und deutsche Kollegen haben mir erzählt, sie könnten den österreichischen Humor nicht verstehen bzw. teilweise auch die Sprache.
Franziska Weisz: Ich kann mich daran nicht erinnern. Beim „Knochenmann“ gestern haben alle gebrüllt vor Lachen. Jedes Mal, wenn ich mich als Österreicherin oute sagen die Deutschen, ich soll ein bisserl was auf Wienerisch sagen... (grinst)

Uncut: Da möchte ich gleich einhaken. Auf Deiner Website steht unter „Sprachenkenntnisse“ neben Englisch auch „Wienerisch".
Franziska Weisz: Nein, das ist ganz normal. So etwas schreibt man einfach dazu, so wie „Führerschein A, B oder C".

Uncut: Wolfgang Murnberger hat gestern angekündigt, dass er auch den nächsten Wolf Haas Film (Das ewige Leben, Anm.) drehen wird, vielleicht sogar in Graz. Würdest Du gerne mitspielen?
Franziska Weisz: Super ! Ja, total gerne! Natürlich!

Uncut: Lieber einen guten oder einen bösen Charakter?
Franziska Weisz: (überlegt eine Weile) Naja, auch die Bösen halten sich selbst für gut, also ist das keine so strenge Grenze. Ein böser Typ kann auch der Sympathieträger in einem Film sein.

Uncut: Noch eine letzte Frage: Österreich hat jetzt zwei Jahre hintereinander eine Oscar-Nominierung erhalten? Hast Du „Revanche“ gesehen und wie schätzt Du seine Chancen ein?
Franziska Weisz: Ein ganz grandioser Film. Ich hab einmal gesagt: als deutschsprachiger Film musst Du einfach nur Hitler sterben lassen und schon bist Du Oscar-nominiert. Diesmal haben sie das aber NICHT gemacht, deshalb freue ich mich umso mehr. Die Chancen... wieviele sind nominiert.... die Chancen stehen gleich zwischen allen. Deutschland ist ja auch nominiert.... das ist der Klassiker: wenn es keine Koproduktion ist, muss man halt beide nominieren. (lacht laut). Beide sollten sich freuen, von Konkurrenz hier zu sehen, ist Klagen auf sehr abgehoberer Ebene. Ich sehe das so: der deutschsprachige Film ist auf dem Überholkurs und so sehe ich das gerne.

Uncut: Was ist Dein nächstes Projekt?
Franziska Weisz: Derzeit lerne ich gerade Chello. Das Projekt heißt „Renn, wenn Du kannst". Endlich mal was Lustiges. Ein Film, der auch zum Nachdenken anregt, aber er wird lustig werden. Gedreht wird in Duisburg, der Film kommt dann ins Kino.

Uncut: Dann wünsche ich Dir noch viel Spaß auf der Berlinale, bei der Promotion für Deine Filme, aber auch mit den anderen Filmen, die Du Dir noch ansehen wirst.
Franziska Weisz: Danke. „Pink Panther“ möchte ich auch noch sehen, auch wenn der Film nicht so anspruchsvoll ist.

(Markus Löhnert im Gespräch mit Franziska Weisz. Berlin, 10. 2. 2009)

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