Berlinale 2009
Interview mit Wolfgang Murnberger

Interview mit Wolfgang Murnberger

Uncut in Gespräch mit dem Regisseur von „Der Knochenmann“.

Uncut: Grüß Gott! Ich bin Markus Löhnert aus Graz.
Wolfgang Murnberger: Aha, aus Graz, schau an! Die Steiermark ... (lächelt)

Uncut: Es gibt ja noch einen anderen Brenner-Roman von Wolf Haas, der im Schnee spielt. Ein guter Bekannter von mir hat mir erzählt, dass Sie eigentlich diesmal gerne einen Film gedreht hätten, der im Schnee spielt. Warum haben Sie sich für den „Knochenmann“ und nicht für „Die Auferstehung der Toten“ entschieden (der hätte nämlich im Schnee gespielt)?
Wolfgang Murnberger: Also ich hab mit dem anderen Roman von allen Plots die größten Plausibilitätsprobleme. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das in einem Film funktionieren soll, dass es eine Frau schafft, alle Leute dazu zu bringen, alle diese schlimmen Dinge zu tun. Das funktioniert im Buch, dort akzeptiert man das leichter, aber nicht bei einem Film. Beim „Knochenmann“ ging das leichter, dort hatten wir die Möglichkeit, endlich eine Liebesgeschichte einzubauen, die wir schon länger erzählen wollten, und keine „Who-done-it“ Geschichte, wie sie ja eigentlich in dem Roman erzählt wird. Ich persönlich finde ja, dass die Romane von einem zum anderen immer besser wurden, am besten finde ich ja „Das ewige Leben“. Für den Film haben wir die Familiensituation herausgenommen und die Liebesgeschichte eingebaut. Die ganze Fußballgeschichte, die im Roman noch dabei ist, haben wir hinaus gekippt, weil wir uns auf weniger Figuren konzentrieren und nach Wien und Salzburg den Brenner nun einmal aufs Land schicken wollten, bevor er bald nach Graz kommen wird in „Das ewige Leben“.

Uncut: „Puntigam links“?
Wolfgang Murnberger: (schmunzelt), ja genau.

Uncut: Steht es schon fest, dass sie diesen Roman verfilmen werden? Wann kommt er ins Kino?
Wolfgang Murnberger: Na ja, das Drehbuch sollte heuer fertig werden. Wenn wir es nicht nächstes Jahr drehen, dann übernächstes Jahr.

Uncut: Die Besetzung steht auch schon fest?
Wolfgang Murnberger: Na ja, der Berti wird auf jeden Fall wieder dabei sein, auch der Josef hat fix zugesagt. Ansonsten werden wir uns umschauen.

Uncut: Die Steiermark als Ort, an dem die Geschichte erzählt wird, hätte ja mit ihrer Backhendlstation in Klöch auch die Chance geboten, den Film in der so genannten „stüdsteirischen Toskana“ zu drehen. Warum diese traurige und düstere Umgebung für den Film, unterhalb der Autobahnbrücke?
Wolfgang Murnberger: Weil mir das viel entrischer vorgekommen ist. Die Originallocation in der Südsteiermark liegt in einer irrsinnig lieblichen, hügeligen Landschaft mit Weinbergen. Ich dachte mir: es geht sich nicht aus dort. Ich wollte das Ganze entrischer haben und im Semmeringgebiet bzw. auf der Pack funktioniert das für einen Thriller viel besser.
Uncut: Die Autobahnbrücke ist also vom Semmering?
Wolfgang Murnberger: Ja, genau. Wir haben dort gedreht.

Uncut: Ist es eigentlich Absicht, dass der Sepp Bierbichler mit bayrischem Akzent spricht?
Wolfgang Murnberger: Ja, das ist eine Anspielung darauf, dass er im Film vor 15 Jahren aus Bayern in die Südsteiermark gezogen ist und deshalb den Akzent hat. Wir wollten mit dem Sepp Bierbichler ja unbedingt drehen, deshalb haben wir ihm auch gleich den ersten Entwurf des Drehbuchs gezeigt, da war er aber noch nicht überzeugt. Erst, als wir die Figur aufgefettet haben, sodass der Brenner und er sich kennen lernen, Freunde werden und dann als Feinde gegeneinander kämpfen müssen. Das macht die Beziehung zwischen den Beiden spannender, finde ich.

Uncut: Es ist jetzt schon der dritte Wolf Haas-Roman, den Sie verfilmt haben. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben und warum machen Sie damit weiter?
Wolfgang Murnberger: Es gab schon einmal die Idee, daraus eine Fernsehserie zu machen. Wolf Haas wollte aber, dass daraus Filme gedreht werden, die ins Kino kommen. Klaus Philipp vom „Standard“ hatte ihn einmal danach gefragt, wer denn sein Wunschregisseur für eine solche Verfilmung wäre und darauf hat Wolf meinen Namen genannt. Also hat uns Klaus Philipp zusammen gebracht, ich habe alle Bücher gelesen und zuerst gemeint: „Das kann man nicht verfilmen.“ Viele haben das gedacht, auch beim ORF war die Idee liegen geblieben. Also hab ich mich mit Wolf Haas getroffen und ihm vorgeschlagen, mit ihm gemeinsam ein Originaldrehbuch für den Brenner zu schreiben. Damals schrieb er aber gerade an „Silentium“ und hatte ein Jahr lang keine Zeit, er meinte aber, man könne den Roman ruhig zerstückeln und nur Teile davon herausnehmen. Darauf hin hab ich in „Komm, süßer Tod“ einige Elemente, zum Beispiel den Showdown am Schluss, entdeckt, die sich sehr gut für einen Film eignen. Auf Basis davon wollte ich es probieren und schrieb ein Treatment. Gemeinsam entstand das erste Drehbuch und die DOR Film war gleich angetan. Auf der Suche nach „dem Brenner“ haben wir gleich einmal den Josef (Hader, Anm.) gefragt und er wollte auch mitmachen, allerdings mussten wir ihm versprechen, dass er beim zweiten Drehbuch mitschreiben darf. Dass er schreiben kann, wussten wir seit „Indien“ ja schon. Weil der erste Film so gut funktioniert hat, kam schnell die Idee, noch einen Film zu machen. Wir wollten uns nur auf keinen Fall auf den Erfolg aufhängen und das Gleiche mit einem anderen Roman machen. Weil wir nicht wieder eine Krimikomödie machen wollten, entschieden wir uns für „Silentium“, weil er eine Thriller-Komödie werden konnte, was uns reizte. Salzburg, diese Stadt, die hochschwanger vom Katholizismus und der Hochkultur ist, bot eine ideale Kulisse dafür. Und weil der auch gut funktioniert hat (lacht), wollte ich „Das ewige Leben“ drehen. Damit das aber keine Tour durch die Landeshauptstädte wird, hat sich angeboten, den Brenner in die Provinz zu schicken. Wie ich schon gesagt habe, fand ich den Plot von „Die Auferstehung der Toten“ problematisch für den Film, deshalb haben wir den „Knochenmann“ ausgewählt, einige Figuren weg gelassen und dafür eine neue Liebesgeschichte im Wirtshaus eingebaut. Wennst am Land bist, musst Du Dich auf die Menschen konzentrieren, weil es ja sonst nicht viel gibt. Ein neues Element kam hier noch dazUncut: der Horror. Die Kombination aus Horror-Krimi-Thriller-Liebeskomödie hat mich gereizt.

Uncut: War es schwer, ein geeignetes Wirtshaus zu finden?
Wolfgang Murnberger: Eigentlich schon. Ich hatte kein so großes Budget, so dass ich auf einer Backhendlstation keine 150 Komparsen sitzen haben konnte. Den Maskenball wollte ich aber unbedingt haben, weil ich den Gegensatz zwischen dem Feiern im Erdgeschoss und dem Morden im Keller unbedingt haben wollte. Deshalb brauchten wir ein Wirtshaus, das vorne, wo gegessen wird, klein genug ist, aber auch einen Saal hat, in den 200 Personen für den Maskenball reinpassen. Das war gar nicht so leicht, weil viele Wirte nimmer so große Säle haben.

Uncut: Ist das Wirtshaus eigentlich sonst in Betrieb?
Wolfgang Murnberger: Wir haben den Betrieb für 3 Wochen völlig still gelegt, deshalb war uns natürlich auch aus budgetären Gründen ein stillgelegtes Gasthaus von Anfang an lieber. Es hat sich dann aber gut ergeben, weil der Wirt eigentlich sowieso aufhören wollte und wir ihm daher keinen Geschäftsentgang vergüten mussten. Übrigens ist die Küche des Wirtshauses viel zu klein gewesen, deshalb haben wir die Küche und die Kellerstiege und das Wurstzimmer in jeweils einem anderen Wirtshaus gedreht. (schmunzelt)

Uncut: Was mir auch aufgefallen ist: in dem Wirtshaus gäbe es immer wieder die Möglichkeit für Product-Placement. Statt dessen sieht man im Film sogar, wenn man genau schaut, das Logo einer bekannten Grazer Brauerei, das abgeklebt wurde. War das Absicht?
Wolfgang Murnberger: Ja, es hat sich nicht ergeben. Wir wären bereit gewesen, aber es hat sich niemand angeboten. Anders als in Salzburg, wo die Brauerei an uns heran trat. Gratiswerbung soll man nicht machen, weil das einem das Geschäft zusammenhaut, sonst hat man beim nächsten Film keine Verhandlungsgrundlage. (grinst)

Uncut: Wieviel wurde eigentlich am Set improvisiert?
Wolfgang Murnberger: Wenn man so gute Schauspieler hat, ergeben sich am Set immer noch andere Dialoge als sie geschrieben sind. Man muss dabei aber aufpassen, dass man nicht zuviel herumbastelt, es wird manchmal nicht besser, sondern nur anders. Wir sind ein so eingespieltes Team, das wir das merken. Wenn der Josef den Hader spielt, merken wir, ob etwas anders noch besser wird, oder nicht.

Uncut: Jetzt muss ich nachhaken. Sie sagten soeben, „wenn der Josef den Hader spielt“. Wie viel von Josef Hader steckt im Brenner?
Wolfgang Murnberger: (schmunzelt) Erwischt... Das fragen Sie ihn am besten selber. (lacht) Für mich ist das schon total verwachsen.

Uncut: Wie schwierig ist es für Sie, in Österreich die Finanzierung für einen Film zusammen zu bekommen? In diesem Jahr hat Österreich im zweiten Jahr in Folge eine Oscar-Nominierung bekommen.
Wolfgang Murnberger: Das ist in der Tat unglaublich. Wir haben halt mit unseren Filmen bisher recht gute Besucherzahlen erreicht, das macht es uns jetzt schon leichter, eine Förderung zu bekommen. Diesmal haben wir nur den ersten Entwurf eingerecht und gleich die Zusage bekommen. Die bayrische Filmföderung hat uns ja abgeleht, weil sie das Drehbuch zu schlecht fanden. Das Land Niederösterreich hat uns dann ausgeholfen, sonst hätten wir den Film niemals finanziert. Österreich geht mit diesen Stoffen aber sehr gut um finde ich.

Uncut: Sie beziehen das auf „Silentium“?
Wolfgang Murnberger: Ja, genau. Wir haben den Film damals ja auch in Frankreich in die Kinos gebracht und dort war die Presse fassungslos, wie es in Österreich möglich sein kann, einen solchen Film über eine Institution wie die Salzburger Festspiele zu drehen. Auch die Katholische Kirche hat sich zu dem Film nicht geäußert, obwohl wir in diesem bösen Märchen ja Fürchterliches behaupten.

Uncut: Ist der österreichische Markt offener?
Wolfgang Murnberger: Es gibt in Österreich die Tradition, dass die Künstler das Nest beschmutzen, deshalb verstehen die Menschen das hierzulande anders und verstehen es als das, was es ist, nämlich ein böses Märchen. In Frankreich würde kein Regisseur einen ähnlichen Film über eine vergleichbare französische Institution drehen können.

Uncut: Ihr Tipp für Revanche bei den Oscars?
Wolfgang Murnberger: Puh, das ist schwierig. Ich bin ja mit dem Götz (Spielmann, Anm.) auf die Filmakademie gegangen... (lange Pause) Es ist auf jeden Fall sein bester Film, besser als Antares. Es ist so eine Frage... ich hab gerne Humor in Filmen, deshalb unterhalte ich gerne das Publikum, auch wenn ich es beizeiten das Fürchten lehre. Ich will es stärker angreifen, mit dem, was ich mache. Revanche ist für mich immer noch ein wenig zu zart... Es ist schwer, das zu beurteilen...

Uncut: Danke für das Gespräch.
Wolfgang Murnberger: Danke auch.

(Markus Löhnert im Gespräch mit Wolfgang Murnberger. Berlin, 9. 2. 2009)

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