Berlinale 2007
Interview mit August Diehl

Interview mit August Diehl

Auch August Diehl stand uns heute zum Film „Die Fälscher“ Rede und Antwort.
Uncut (Markus Löhnert): Du bist heuer zum zweiten Mal in Folge in einem Film auf der Berlinale vertreten, der im Wettbewerb um den goldenen Bären läuft. Beide, sowohl "Slumming" von Michael Glawogger im letzten Jahr, als auch "Die Fälscher" von Stefan Ruzowitzky haben einen Regisseur aus Österreich. Arbeitest Du gerne mit Österreichern zusammen?

August Diehl: Ja, ich bin auch heuer wieder mit dabei. Wobei das mehr ein Zufall ist als beabsichtigt. Und ich sehe eigentlich keinen so großen Unterschied ehrlich gesagt. Glawogger ist ein sehr spezieller Regisseur, der sehr spezielle Themen verfilmt und auch Ruzowitzky ist ein Regisseur, den man nicht so einfach zuordnen kann und verschiedene Filme gemacht hat: Anatomie, Siebtelbauern, die Fälscher, das kann man ja gar nicht unter einen Hut kriegen.

Uncut: Mann kann zum Beispiel "Anatomie", wo ihr im zweiten Teil schon zusammen gearbeitet habt, und "Die Fälscher" überhaupt nicht miteinander vergleichen. Der Eine ist ein Unterhaltungsthriller und der Andere ein NS-Drama.

August Diehl:
Ja, wäre er ein Schauspieler, dann würde man sagen, er ist sehr wandlungsfähig.

Uncut: Das bringt mich gleich zu meiner nächsten Frage: wenn ich mir so Deine Filmographie durchsehe, dann taucht ein Charakter immer wieder deutlich auf: dieser Revoluzzer, der total von einer Sache Begeisterte. Ich denke da an Filme wie "Was nützt die Liebe in Gedanken" oder auch "Die Fälscher", wo Du einen Drucker spielst, der für die Herstellung von NS-feindlichen Flugblättern in das KZ inhaftiert wird. Sind Dir solche Charaktere wichtig bei der Auswahl Deine Rollen?

August Diehl: Ja, natürlich. Aber sie sind nicht die Favoriten. Sie sind eine Art, die ich sehr interessant finde und ich denke, weil ich das von Anfang an sehr überzeugend gemacht habe, bekomme ich immer wieder Angebote in diese Richtung, so hat das also einen profanen Grund. Aber mich interessieren andere Menschen mit anderen Haltungen genauso. Es hat sich also so ergeben. (lächelt)

Uncut: In einem anderen Film, wo es auch um den NS ging ("Der neunte Tag") spieltest Du eine Rolle auf der anderen Seite, der Täterseite. Ist es Dir leichter gefallen, von den Bösen zu den Guten bzw. von der Täterseite auf die Opferseite zu wechseln?

August Diehl: Also ich sehe die Filme gar nicht so im Vergleich, auch nicht in den Rollen. Ich finde sogar, dass es, wenn es einen solchen gibt, sogar eine starke Ähnlichkeit zwischen den beiden Rollen gibt. Beide kämpfen für ein Ideal, das sie sich gesteckt haben und beide scheitern auch irgendwo. Und beide sind auch irgendwo Täter. Auch der, den ich jetzt gespielt habe, fand ich deshalb interessant, dass er eine korrekte moralische, politische Haltung vertritt, indem er sagt: "Ich mach das nicht mehr, ich helfe den Nazis nicht mehr!", wo wir ja auch sagen würden, das wäre eine korrekte Haltung, dass der sich als jemand heraus stellt, der die ganze Gruppe in Gefahr bringt und als einziger neben dem Sorowitsch auch die Bereitschaft zu Gewalt in sich trägt. Er wird so zu einer ambivalenten Figur, wo er auch der erste in der Geschichte ist, zu dem man sagt: "Du nervst!". Das fand ich sehr spannend, weil diese Haltung eben auch keine Luxushaltung ist, sondern eine sehr unangenehme.

Uncut: ... Und eine sehr kompromisslose Haltung. Er ist überzeugt von seiner Sache und ist bereit, dieser Sache sein Leben und das Leben der ganzen Gruppe unter zu ordnen.

August Diehl: Genau, und diese Haltung setzt ein anderes Verhältnis zum Tod voraus.

Uncut: Der Tod als Notwendiges Übel?

August Diehl:
Nein, Mann, es ist anders. Ich meine, dass die Haltung zum Tod sehr viel erklärt, warum Menschen was tun. Ich glaube, dass wenn jemand sagt: "Mir ist mein eigenes Leben nicht so wichtig!", vor dem sollte man Angst haben. Man sollte zumindest vorsichtig sein, weil der zu vielem bereit ist, zu vielem mehr als andere. Es gibt ja geschichtliche Beispiele von Leuten, die eine große Idee hatten und die auch durchgezogen haben, Einstein zum Beispiel oder Lenin, von denen man weiß, dass sie Leute waren mit einem riesigen Überblick über das Ganze, aber sie waren gleichzeitig auch zwischenmenschliche Krüppel irgendwo. Sie haben ein ganzes Schlachtfeld hinterlassen und den nächsten Menschen nicht mehr gesehen. So eine Figur ist dieser Burger, den ich hier spiele, der übrigens auch eine andere Figur ist als der echte Burger. Das hat mich fasziniert und auch der Grund, warum ich das gerne gespielt habe.

Uncut: Der Eröffnungsfilm der heurigen Berlinale hat je Edith Piaf zum Thema und zeigt zu einem Teil die Kehrseite des Lebens im Rampenlicht und ihr eigenes, sehr dramatisches Schicksal. Wie gehst Du als Star damit um? Gibt es für Dich so etwas wie ein Privatleben, das Du für Dich reservieren kannst? Kann man als Star auch manchmal einfach seine Ruhe haben?

August Diehl: Also ich versuche, das zu trennen und ich hab auch ein riesiges Privatleben und eine Privatsphäre. Ich bin ja auch kein so großer Star, ich bin eher so etwas mittendrin und ich hab immer noch alle Freiheiten und kann mich nicht beklagen. Trotzdem ist so etwas wie die Berlinale so etwas wie ein Spiel, das man mitspielt und dass mir auch Gott sei Dank immer leichter fällt.

Uncut: Nachgehakt: aber es bleibt ein Spiel und ist für Dich nicht diese persönliche Belastung, die an Deinen Kräften zehrt?

August Diehl: Nein, und es ist ja auch so etwas wie ein Geschenk. Ich sitze hier und brauch mich gar nicht mehr anstrengen, im Gegensatz zum Theater, wo ich ja heute Abend Vorstellung hätte, wenn heute die Premiere wäre und hier redet man über den Film. Das ist das Tolle an diesem Festival, dass man sich austauscht. Man redet viel miteinander, nicht nur über Filme, sondern auch über Sichtweisen, über die Art, wie man lebt und es gibt nichts, das einen näher bringt als das.

Uncut: Wie geht es Dir, wenn Du Dich selber auf der Leinwand siehst? Ist das leicht, kritisch?

August Diehl: Nein, sehr distanziert. Das alles erscheint mir irgendwie fremd ehrlich gesagt.

Uncut: Okay, vielen Dank für Deine Zeit, dass wir das Interview noch schnell zwischen den anderen Terminen machen konnten.

August Diehl: Ja, wunderbar! Ebenfalls vielen Dank.

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Die Fälscher - August Diehl

Forum

  • Tolles Interview - Teil 3

    August Diehl ist ein richtig spannender und sympathischer Interviewpartner - vor allem super ist es, dass er immer wieder mit österreichischen Regisseuren dreht ;-)
    leandercaine_0fc45209c9.jpg
    11.02.2007, 15:16 Uhr