Berlinale 2025, Stars
Ein Ehrenbär für Tilda Swinton

Ein Ehrenbär für Tilda Swinton

Tilda Swinton wurde bei der 75. Berlinale mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet.
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von (cinemarkus)
Mit 64 Jahren einen Preis fürs Lebenswerk bekommen? Tilda Swinton hat ihn sich definitiv verdient. Bei der Pressekonferenz erzählte sie davon was sie antreibt und von den besonderen Menschen in ihrem Leben; und hatte so manch weises Wort auf Lager.

Der Preis fühle sich einfach wie eine Bestätigung an einen guten Job gemacht zu haben, wie beispielsweise in der Schule früher. Und das motiviere sie nur weiter zu machen. Dabei ist der Bär nicht einmal das erste Goldene Tier, dass sie ihr eigen nennen darf, denn bereits vor fünf Jahren gab es in Venedig den Ehrenlöwen für sie. Ein Film dem wir es vermutlich zu verdanken haben, dass wir heute auf ihre fast 40 Jahre andauernde Karriere zurückschauen dürfen ist „The Powers Of Ten“ („Zehn Hoch“). Ein 10-minütiger Kurzfilm, über die Größenverhältnisse unseres Universums. Den hat sie mit ca. acht Jahren wohl viel zu früh gesehen und war damals wie weg geblasen, davon was alles möglich ist in dem Medium. Lange Zeit hatte sie ihn überhaupt nur für einen Traum gehalten. Der Kurzfilm ist übrigens auf YouTube anzusehen, was ich natürlich direkt getan habe und ich kann mir nun sehr gut vorstellen was damals in der kleinen Tilda vorgegangen sein muss.



Mein erster Kontakt mit ihr (wie vielleicht so mancher andere aus meiner Generation) war als weiße Hexe in „Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia“. Zwar hinterließ sie auch schon bei mir damals einen bleibenden Eindruck, doch hatte ich sicher kein Gefühl dafür, welch Schauspielgröße ich da gerade bestaunen durfte. Über die Jahre hat sie mit zahlreichen Meistern der Filmkunst zusammengearbeitet und raus kam dabei stets eine erinnerungswürdige Performance. Die Liste umfasst Leute wie Bong Joon-Ho („Snowpiercer“), Wes Anderson („Moonrise Kingdom“, „Grand Budapest Hotel“), Jim Jarmusch („Broken Flowers“, „Only Lovers Left Alive“), Bela Tarr („The Man from London“), Sally Potter („Orlando“), Luca Guadagnino („A Bigger Splash“, „Suspiria“), Joanna Hogg („The Souvenir“ und „The Souvenir: Part II“) und zuletzt Pedro Almodovar („The Room Next Door“). Auf die Frage wer davon bei einem Film über sie Regie führen würde antwortet sie, sicher auch ein wenig diplomatisch: Alle. Alle gemeinsam. Jeder eine Szene. Das würde einen ziemlich interessanten Film ergeben.
Und sie nennt alle diese Leute ihre Freunde. Denn wenn es eines ist, was sie an diesem Beruf immer noch reizt und was sie darin sieht, dann ist es die Verbundenheit zu Menschen. Die hat sie als Kind schon gesucht und nun immer noch als Schauspielerin. Und das sei auch ihr einziger Rat. Eine Gemeinschaft zu finden, wo Vertrauen herrscht. Wo man gemeinsam abenteuerlich sein kann, und schwierige Dinge sagen, aber sich auch entspannen und Spaß haben kann. Das alles mache schließlich den Reiz am Schauspielen aus. Menschlichkeit sei es auch, an die wir glauben müssten, selbst wenn es um Leute außerhalb unserer Gemeinschaft geht. Wenn wir damit aufhörten, hätten wir schon verloren.

Und einer der wichtigsten Menschen war wohl Derek Jarman. Ihr größter Lehrer und fruchtbarster Kollaborateur. Der Maler und Künstler nahm sie damals in London in sein Kollektiv auf und über die folgenden Jahre sollte sie mit ihm zahlreiche Filme drehen. Er lehrte sie den Wert jeder Rolle an einem Filmset, manchmal auch mehrere Dinge machen zu müssen, sich aber trotzdem auf die eigene Arbeit zu konzentrieren. Für sie sei deswegen jeder einzelne ein Filmemacher, ob Set Designer, Lichttechniker oder Maskenbildner. Filmemachen sei eine kollektive Erfahrung, die sie immer noch genießt. Sie liebe es nach wie vor am Set abzuhängen mit all den Menschen, die an der Realisierung eines Projektes beteiligt sind. Die ultimative Ehre erwies sie ihrem Mentor wohl damit, dass sie später an dem Dokumentarfilm „Derek“ über sein Schaffen mitwirkte, nachdem dieser verstorben war.

Derek Bild aus dem Film „Derek“ (Filmverleih)


Für ihre Auszeichnung durfte sie sich einen Film aussuchen, der im Zuge des Festivals gezeigt werden sollte. Auch diese Entscheidung fiel ihr nicht schwer. Die Wahl fiel auf „Friendship's Death“, ihr zweiter Film jemals. Ein Film, den sie selbst liebe und den jeder sehen solle, und der beinahe nicht mehr existieren würde. Fast glaubte man es gäbe keine Kopie mehr davon. Selbst das British Film Institute hatte sich nämlich gegen eine Erhaltung ausgesprochen. Doch irgendwie müsse da etwas durchgerutscht sein und auf wundersame Weise tauchte eine Kopie auf, die direkt restauriert wurde. +
Friendship's Death Bild aus dem Film „Friendship's Death“ (BFI Distribution)

Das Low-Budget-Drama, spielt während den Unruhen des Schwarzen Septembers in Jordanien und könnte damit thematisch nicht aktueller sein. Tilda Swinton verkörpert im Film ein Alien, das auf die Erde gesandt wurde um über den Frieden zu verhandeln. Eingepfercht in einem Hotel philosophiert sie mit einem britischen Journalisten darüber was Menschsein und Menschlichkeit bedeuten. Und darum habe sie ihn vorrangig ausgewählt. Denn wie sie in ihrer Dankesrede bei der Eröffnungsgala betonte, sei das die Frage die wir uns alle wieder stellen sollten.

Und für sie schloss sich auch mit der Aufführung im Kino ein Kreis. Vor fast 40 Jahren stand sie schon auf dieser Bühne, als Derek Jarman hier im Zoo Palast „Caravaggio“ präsentierte, ihre allererste Rolle. Und als sie sich umschaut kommt sie nicht umhin zu reminiszieren.

Es sei sogar noch derselbe Vorhang…

Tilda Swinton
Tilda Swinton (Foto: Uncut/Markus Toth)
Der Autor
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