Der österreichische Beitrag stammt dieses Jahr von der Grazer Filmemacherin Johanna Moder, die mit „Mother's Baby“, ihrem dritten Spielfilm, erstmals an der Berlinale teilnimmt. Marie Leuenburger spielt die Hauptrolle der Julia, eine Frau, die mit 40 Jahren Mutter wird, aber große Probleme damit hat, eine Bindung zu ihrem Baby aufzubauen. Wird der Traum von der eigenen Familie für sie zum Albtraum? Laut Festivaldirektorin Tricia Tuttle soll der Däne Claes Bang eine besonders eindrückliche Nebenrolle als Dr. Vilfort spielen.

Quasi einen Heimvorteil genießt Frédéric Hambalek mit dem deutschen Wettbewerbsteilnehmer „Was Marielle weiß“. Darin entdecken Julia (Julia Jentsch) und Tobias (Felix Kramer), dass ihre Tochter Marielle (Laeni Geiseler) telepathische Fähigkeiten besitzt: sie kann zu jeder Zeit und überall alles sehen und hören, was ihre Eltern tun. Dadurch werden tief verborgene Konflikte zu Tage gefördert, die das Familienidyll bedrohen.
Ebenfalls mit deutscher Beteiligung ist das Drama „Yunan“ von Ameer Fakher Eldin entstanden. In dem Film verschlägt es den im Exil lebenden syrischen Autor Munir (Georges Khabbaz) auf eine abgelegene Insel in der Nordsee, wo er seinem Leben ein Ende setzen will. Die Bekanntschaft mit einer älteren Frau (Hanna Schygulla) lässt ihn seinen Entschluss noch einmal überdenken. In Nebenrollen treten die aus „Game of Thrones“ auch international bekannten Sibel Kekilli und Tom Wlaschiha auf.
Großen Hollywood-Flair verspricht der neue Film von Richard Linklater. Nachdem er 2004 mit „Before Sunset“ und 2014 mit „Boyhood“ bereits den Berlinale-Wettbewerb bestreiten durfte, bringt er auch bei seinem dritten Einsatz seinen Lieblingsschauspieler Ethan Hawke mit. In ihrer neunten Zusammenarbeit, „Blue Moon“, spielt Hawke den abgehalfterten Songwriter Lorenz Hart, dessen Leben und Karriere am Abend des 31. März 1943 in der New Yorker Bar „Sardi’s“ eine tragische Wendung nimmt, als dort nämlich sein einstiger Kreativpartner Richard Rodgers einen bedeutenden Erfolg feiert.

Ebenfalls mit viel Vorfreude wird die erneute Zusammenarbeit des mexikanischen Regisseurs Michel Franco mit Oscar-Preisträgerin Jessica Chastain nach „Memory“ (2023) erwartet. In „Dreams“ verliebt sie sich als wohlhabende Jennifer in einen jüngeren, ehrgeizigen mexikanischen Balletttänzer, dessen Ambitionen nicht nur ihre Beziehung, sondern auch Jennifers Leben aus den Fugen bringt.
Gerade erst auf dem Sundance Film Festival uraufgeführt, bringt Mary Bronstein ihre Tragikomödie „If I Had Legs I'd Kick You“ auch in den Wettbewerb der Berlinale. Darin wird Rose Byrne mit der mysteriösen Krankheit ihres Kindes, der Abwesenheit ihres Mannes und einer vermissten Person konfrontiert, und muss obendrein mit ihrem Therapeuten fertigwerden, der von niemand geringerem als Conan O’Brien gespielt wird – ja, der Comedian und Moderator der nächsten Oscar-Gala.

Ein weiteres Werk, in dem die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind im Zentrum steht – ein wiederkehrendes Thema, wie es scheint – ist „Hot Milk“ von Debütantin Rebecca Lenkiewicz. Die an Lähmungserscheinungen leidende Rose (Fiona Shaw) und ihre Tochter Sofia (Emma Mackey) reisen nach Almería an die spanische Küste, um einen rätselhaften Wunderheiler zu treffen. Dann aber verliebt sich Sofia in Ingrid (Vicky Krieps), was Mutter und Tochter zu entzweien droht.
Märchenhaft, aber auch abgründig dürfte es in „The Ice Tower“, dem fünften Spielfilm von Lucile Hadžihalilović zugehen. Die 15-jährige Ausreißerin Jeanne (Clara Pacini) findet Unterschlupf in einem Filmstudio, wo gerade Hans Christian Andersens „Die Schneekönigin“ mit der faszinierenden und geheimnisvollen Cristina (Marion Cotillard) verfilmt wird. Doch je mehr das Mädchen in den Bann ihres Idols gezogen wird, desto gefährlicher wird es für sie. Hadžihalilovićs Ehemann Gaspar Noé spielt eine Nebenrolle.
In ihrem zweiten Spielfilm „Ari“ folgt die französische Drehbuchautorin und Regisseurin Léonor Serraille ihrem Protagonisten, dem titelgebenden 27-jährigen Lehrer Ari, nach einem Zusammenbruch. Von seinem Vater vor die Tür gesetzt, lässt der junge Mann alte Freundschaften wieder aufleben und findet dadurch neuen Lebensmut.
Lionel Baier nimmt sein Publikum in „La cache“ unterdessen auf eine Zeitreise ins Jahr 1968 mit. Inmitten der Pariser Studentenproteste lässt ein demonstrierendes Paar seinen neunjährigen Sohn bei den Großeltern und seinen Onkeln. Dann taucht plötzlich ein illustrer Gast in der Wohnung auf und bringt alles durcheinander. Als Großvater ist der 2024 verstorbene Michel Blanc in seiner vorletzten Rolle zu sehen.
Das Regieduo Hélène Cattet und Bruno Forzani lässt im Mystery-Action-Thriller „Reflection in A Dead Diamond“ einen 70jährigen Ex-Spion aufs Berlinale-Publikum los, der sich eigentlich in einem Luxushotel an der Côte d’Azur zur Ruhe gesetzt hat. Dann aber verschwindet seine Zimmernachbarin, und er wird noch einmal an alte Zeiten erinnert, und driftet in Wahnsinn und Kinoträume ab.

Leider immer noch aktuell und voller Brisanz ist die Dokumentation „Strichka chasu“. Regisseurin Kateryna Gornostai begleitet mosaikhaft den Alltag in mehreren Schulen in der Ukraine, die trotz des bald drei Jahre andauernden Krieges weiterhin geöffnet haben. Sie zeigt, wie Lehrkräfte und Schüler*innen inmitten allgegenwärtiger Bedrohung und Unsicherheit ihren Unterricht beharrlich fortsetzen.
Hong Sang-soo ist mittlerweile ein gern gesehener Dauergast in Berlin. Erst letztes Jahr gewann er für „The Traveler’s Needs“ mit Isabelle Huppert den Großen Preis der Jury, heuer nimmt er zum bereits achten Mal am Wettbewerb teil. Die südkoreanische Komödie „What Does that Nature Say to You“ handelt von einem Dichter, der seine Freundin zum Anwesen ihrer Familie bringt, dort die Bekanntschaft mit ihren Eltern und ihrer Schwester macht und einen langen Tag mit ihnen verbringt.
Ebenfalls zum wiederholten Male im Wettbewerb der Berlinale vertreten ist der rumänische Filmemacher Radu Jude, Bärengewinner 2021 für seine schwarze Komödie „Bad Luck Banging or Loony Porn“. Dieses Jahr erzählt er in „Kontinental '25“ die Geschichte der Gerichtsvollzieherin Orsolya aus Cluj, der Hauptstadt Transsilvaniens. Eines Tages muss sie einen Obdachlosen aus dem Keller eines Hauses vertreiben, was eine Kette tragischer Ereignisse in Gang setzt, die Orsolya in eine moralische Krise stürzen.
Aus Norwegen macht sich Dag Johan Haugerud auf den Weg nach Berlin, um seinen neuesten Spielfilm „Dreams“ (Oslo Stories: Träume) vorzustellen. Es ist dies der Abschluss einer Filmtrilogie über die Komplexität menschlicher Beziehungen und Sexualität. Der erste Teil, „Sex“, lief bei der letztjährigen Berlinale noch in der Panorama-Sektion, während das Mittelstück, „Love“, im September 2024 im Wettbewerb in Venedig uraufgeführt wurde. In „Dreams“ verliebt sich die Teenagerin Johanne in ihre Lehrerin und löst in ihrer Familie intergenerationale Komplikationen aus.

Einen von zwei südamerikanischen Beiträgen des diesjährigen Wettbewerbs steuert Iván Fund mit seiner argentinisch-uruguayisch-spanischen Produktion „The Message“ bei. Darin entwickelt in der argentinischen Provinz ein Kind eine besondere Gabe, die seine opportunistischen Pflegeeltern auszubeuten versuchen, um ihren Lebensunterhalt aufzubessern: indem sie Beratungen mit einem Tiermedium anbieten.
Der zweite Wettbewerbsfilm aus Südamerika ist Gabriel Mascaros „The Blue Trail“, eine Koproduktion aus Brasilien, Mexiko, Chile und den Niederlanden. Damit junge Menschen ungestört und produktiv arbeiten können, werden die älteren in Seniorenkolonien untergebracht. Das aber passt der 77-jährigen Tereza überhaupt nicht und sie begibt sich auf eine schicksalhafte Reise durch das Amazonasgebiet.
Zu guter Letzt haben es auch zwei Produktionen aus China in das diesjährige Wettbewerbsaufgebot in Berlin geschafft. Zum einen das Thrillerdrama „Girls on Wire“ von Vivian Qu, in dem die alleinerziehende Mutter Tian Tian (Liu Haocun) in Notwehr einen Drogendealer tötet und daraufhin erbarmungslos von weiteren Kriminellen gejagt wird. Tian Tian wendet sich hilfesuchend an ihre entfremdete Cousine Fang Di, die sich mit Schulden und Suchtproblemen in ihrer Familie gut auskennt.
Schlussendlich noch das in den 1990er Jahren spielende Familiendrama „Living the Land“ von Huo Meng, in dem der zehnjährige Chuang bei Verwandten unterkommt, während die Eltern in der weit entfernten Stadt arbeiten. In einer Zeit des sozioökonomischen Wandels in der Volksrepublik werden jahrtausendealte bäuerliche Traditionen infrage gestellt.
Berlinale Wettbewerb 2025
AriFrankreich 2025, Regie: Léonor SerrailleBlue Moon
USA/IRL 2025, Regie: Richard LinklaterDreams
USA/Mex 2025, Regie: Michel FrancoGirls on Wire
China 2025, Regie: Vivian QuHot Milk
Großbritannien 2025, Regie: Rebecca LenkiewiczIf I Had Legs I'd Kick You
USA 2025, Regie: Mary BronsteinKontinental '25
Rumänien 2025, Regie: Radu JudeLa cache
CH/F/LUX 2025, Regie: Lionel BaierLiving the Land
China 2025, Regie: Meng HuoMother's Baby
A/D/CH 2025, Regie: Johanna ModerOslo Stories: Träume
Norwegen 2024, Regie: Dag Johan HaugerudReflection in A Dead Diamond
F/IRL/LUX/ B 2025, Regie: Hélène Cattet, Bruno ForzaniStrichka chasu
F/LUX/NL/ UA 2025, Regie: Kateryna GornostaiThe Blue Trail
NL/Mex/BRA/ Chl 2025, Regie: Gabriel MascaroThe Ice Tower
D/I/F 2025, Regie: Lucile HadzihalilovicThe Message
E/Arg 2025, Regie: Iván FundWas Marielle weiß
Deutschland 2025, Regie: Frédéric HambalekWhat Does that Nature Say to You
Südkorea 2025, Regie: Hong Sang-sooYunan
D/I/F/ CAN/SYR 2025, Regie: Ameer Fakher Eldin
Die Bühne für einen spannenden und abwechslungsreichen Wettbewerb ist jedenfalls bereitet. Die 75. Berlinale beginnt am 13. Februar mit der „Berlinale Special Gala“ zu Tom Tykwers „Das Licht“ und endet mit der Preisverleihung am 22. Februar sowie dem Publikumstag am 23. Februar 2025.