Im Anschluss an die Preisvergabe wurde auf der Leinwand der festlichen Innenräume „Departed - Unter Feinden“ gezeigt – der Film, für den Scorsese seinen einzigen Regie-Oscar gewann. Schon am Nachmittag stand er Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt in einer Pressekonferenz Rede und Antwort. Der Andrang war so groß wie sonst nie, man musste sich früh genug einen Platz in der Schlange sichern, um in den Konferenzsaal hineinzukommen. Nach fast dreistündiger Warterei gelang es uns, einen Platz zu ergattern. Noch dazu in der zweiten Reihe. Es folgen exklusive UNCUT-Eindrücke aus der Pressekonferenz.
„Das Kino liegt nicht im Sterben – es nimmt lediglich neue Formen an.“
Ohne Allüren und mit fettem Grinsen im Gesicht betrat der Hollywood-Maestro pünktlich um 16 Uhr 50 den Raum. Erwartbar gab es reichlich Applaus. Nachdem die jubelnde Menge wieder ruhig geworden war, erhoben sich viele Hände. Gefühlt ein jeder der Anwesenden wollte eine Frage stellen, die Zeit war aber natürlich begrenzt. Bei Martin Scorsese wird jeder noch so seriöse Journalist zum ungehaltenen Fanboy. Das spiegelte sich auch in den gestellten Fragen wider. Eine Dame lud ihn zum Weintrinken nach Georgien ein, ein junger, übereifriger Bulgare war der Überzeugung, er müsse Scorsese seine „ach-so-tolle“ Imitation von Jack Nicholson in „The Departed“ vorführen. Vor versammelter Menge. Nebst Momenten des Fremdschams fanden sich auch Fragen wieder, die den redegewandten Altmeister zu profunden Antworten verführten. Emotional wird es, als über die eigene Vergänglichkeit gesprochen wird:
„Mich erfüllt es mit großer Trauer, dass das Leben unbeständig ist, aber es muss noch nicht sofort unbeständig sein. Man sagt, die Welt wird zugrunde gehen und mir ist bewusst, dass wir der Sonne entgegen steuern, aber bis es soweit ist, sind wir alle gemeinsam hier. Also lasst uns miteinander kommunizieren. Lasst uns über Kunst kommunizieren.“
Auch möchte Scorsese Schwarzsehern nicht recht geben und schaut mit vorsichtiger Zuversicht auf die Zukunft des Mediums:
„Das Kino liegt nicht im Sterben – es nimmt lediglich neue Formen an. Es war nie dazu bestimmt, nur eine Sache zu sein. Die Technologie hat sich so schlagartig verändert, dass man sich mehr denn je an individuelle Stimmen festklammern muss. Eine individuelle Stimme kann seine Kunst sowohl auf TikTok, als auch in einem vierstündigen Film, als auch als Miniserie zum Ausdruck bringen. Wir sollten uns vom technischen Fortschritt nicht einschüchtern lassen. Lass dich von der Technologie nicht versklaven, mach sie dir zunutze, um das Medium in die richtige Richtung zu lenken. Und das sollte funktionieren, wenn man der individuellen Stimme Raum gibt, anstatt etwas zu produzieren, das lediglich konsumiert und dann wieder vergessen werden soll.“
Solange Filmschaffende ihre engsten Gefühle und Ängste zum Ausdruck bringen, solange Festivals wie die Berlinale als Forum des interkulturellen Austausch existieren, solange sich junge Menschen von einem Martin Scorsese inspirieren lassen, die Bandbreite des Mediums auf sich zukommen lassen, solange wird die Kraft des Kinos nicht totzukriegen sein. Davon sind wir fest überzeugt.