Neu im Kino
Neu im Kino (Woche 21/2023)

Neu im Kino (Woche 21/2023)

Ob ein sensationelles Dokuporträt über eine aktivistische Kämpferin oder ein weiteres Remake aus dem Hause Disney: die neue Kinowoche hält ein ein buntgemischtes Programm für Jung und Alt parat.
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von (chrosTV )

All the Beauty and the Bloodshed

Fotografin, Feministin und eine Frau mit unbändigem Kampfgeist: das Leben von Nan Goldin hat viele Gesichter. Seit Jahrzehnten beeindruckt die heute 69-Jährige mit ihrer grenzüberschreitenden, subversiven Kunst, die ihr den Stempel als „eine der wichtigsten Vertreterinnen der New Yorker Underground-Szene der 1980er“ verpasste. Oscar-Preisträgerin Laura Poitras, die sich schon in ihrem bahnbrechenden Edward-Snowden-Poträt „Cititenfour“ dem investigativ-journalistischen Dokumentarfilm hingab, hat nun auch dieser Revolutionärin ein angemessenes Denkmal verpasst.
All the Beauty and the Bloodshed Bild aus dem Film „All the Beauty and the Bloodshed“ (Polyfilm, Neon, Participant)

In „All the Beauty & the Bloodshed“ wird der aufregende Werdegang Goldins nacherzählt, unter anderem auch mittels einer Collage der expliziten Fotografien aus dem LGBTQ+- und Drogen-Milieu, die sie einst zur Ikone der Fotografie machten. Doch Goldin zeichnet sich auch abseits ihres künstlerischen Daseins als aktivistische Kämpfernatur aus. Die Bilder vergangener Tage werden nämlich durch aktuelle Aufnahmen kontrastiert, die Goldins kräftezehrende Schlacht gegen die mächtige Pharma-Familie Sackler zeigen. Diese hat die Massenvermarktung des umstrittenen Medikaments Oxcontin in die Wege geleitet - der Wirkstoff, der als Auslöser für die amerikanische Opioidkrise verantwortlich gesehen wird. Die Doku schildert den langwierigen Leidweg, den Goldin und Verbündete auf sich nahmen, um den kriminellen Konzern zu Fall zu bringen und Suchtkranke von gesellschaftlichen Stigmen zu befreien. Ein emotional aufbrausendes Zeitdokument, das zum behutsam aufbereiten Lehrstück über die enge Symbiose von Kunst und Aktivismus avanciert. Ein Must-See!


Arielle, die Meerjungfrau

Und noch ein weiteres Remake: originelle Ideen sind im Haupthause Disneys zurzeit ein rares Gut, lieber macht man es sich bequem und verfilmt populäre Filme aus dem Firmenkatalog einfach noch einmal. Der handgezeichnete Charme wird für üblich aber missachtet, man möchte doch auch erwachsenes Publikum abholen, das dem Cartoon-Format vermeintlich schon entwachsen sei. Eben die Zuschauerschaft, die nostalgische Gefühle für die Vorlage hegen sollte. Daher das aktuelle, idiotensichere Erfolgsrezept des Mauskonzerns: Zeichentrickklassiker als lebensechte Realfilm-Kopien neuauferstehen zu lassen. Eine Prozedur, die öfter mal im Widerspruch zu dem quirligen, bewusst überzeichneten Spirit der Originale steht. Eine Problematik, die sich auch im neuesten Opfer der modernen Live-Action-Strategie exemplarisch widerspiegelt: „Arielle - Die Meerjungfrau“. Die Zielgruppe scheint klar definiert: zum einen Personen, die mit dem Originalfilm aufgewachsen sind, zum anderen Neuankömmlinge, die man mit verlogener Schein-Diversität zu locken versucht.
Arielle, die Meerjungfrau Bild aus dem Film „Arielle, die Meerjungfrau“ (The Walt Disney Company)

Die Hauptrolle der kleinen Meerjungfrau, die hoch hinaus möchte, wird von Multitalent Hailey Bailey gespielt, die online einem rassistisch motivierten Shitstorm ausgesetzt wurde. Die veränderte Hautfarbe der rothaarigen Wassernixe abzuändern mag im Internet ein paar Berufstrolle empört haben, ist mit Sicherheit aber kein rechtfertigbarer Kritikpunkt. Problematisch ist viel eher wie einerseits der Plot nahezu identisch recycelt wurde, der widersinnige Realismusansatz aber den eigentlichen Geist der Vorlage verfehlt. Kunterbunte Meeresbewohner wie Sebastian, die Krabbe, oder Fabian, der Fisch, verkommen zu hyperrealen Abziehbildern aus einer Naturdokumentation, denen jegliche Gesichtsregung weggenommen wurde. Man darf nur hoffen, dass der Live-Action-Trend die Kassen nicht auf ewig klingen lassen wird. Aktuell kennen die Totengräber Disneys auf jeden Fall noch keine Skrupel: mit „Schneewitchen und die Siebenzwerge“ steht nämlich schon die nächste seelenlose Realverfilmung in den Startlöchern.



Weitere Neustarts


Renfield

In der Horrorkomödie von Regisseur Chris McKay wird Meme-Lord Nicolas Cage in eine Rolle gesteckt, die maßgeschneidert für ihn wirkt: Graf Dracula. Diener Renfield (Nicolas Hoult) hat die Schnauze voll von den Eigenheiten seines blutdürstenden Chefs. Er entscheidet sich ein neues Leben anzufangen, fern von den Fesseln des Grafen.
Renfield Bild aus dem Film „Renfield“ (Universal Pictures International)



Mamma Ante Portas

Der neue Film von Eric Lavaine widmet sich einer Seniorin, die während Renovierungsarbeiten im Eigenheim Unterschlupf im Hause ihrer Tochter findet. Blöd nur, dass sie sich dort etwas zu wohl fühlt. Es bahnen sich Spannungen zwischen Mutter und Kind an. Routinierte Familienunterhaltung made in France.
Mamma Ante Portas Bild aus dem Film „Mamma Ante Portas“ (Filmladen)



Und dann kam Dad

Robert DeNiro spielt im neuen Film von Laura Terruso einen italienischen Einwanderer, der zum ersten Mal den Eltern der zukünftigen Gattin seines Sohnes (Sebastian Maniscalo) gegenübertreten soll. Die gewaltigen Klassenunterschiede zwischen der Familien sorgen aber für den einen oder anderen Fehltritt der peinlichen Sorte.
Und dann kam Dad Bild aus dem Film „Und dann kam Dad“ (Constantin Film, Leonine)



Brainwashed: Sex-Camera-Power

Die neue Doku von Nina Menkes beleuchtet den sogenannten „Male Gaze“, den vorwiegend männliche Blick, der das Filmemachen dominiert. Anhand brisanter Szenenbeispiele wird offengelegt, wie Frauen im Vergleich zu Männern im Laufe der Kinogeschichte oft als pure Objekte der Begierde herhalten mussten.
Der Autor
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