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Die Filme von Darren Aronofsky

Die Filme von Darren Aronofsky

Zwischen Selbstzerstörung und religiöser Erleuchtung. Bis 30. Mai läuft im Filmcasino Wien noch eine „Tribute to Aronofsky“.
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von (MaverickHollywood8735)
Dieser Tage kämpft der unlängst Oscar-gekrönte Brendan Fraser als fettsüchtiger Englischlehrer um die Vergebung seiner Tochter. „The Whale“ von Autorenfilmer Darren Aronofsky ist extremes Kino, wie es nur von einem Enfant Terrible wie ihm stammen kann. Der 54jährige New Yorker hat sich seit seinem Debüt vor 25 Jahren zu einem der interessantesten Filmemacher hochgearbeitet, die Hollywood in jüngerer Vergangenheit hervorgebracht hat. Aber wie kann man die Filme Aronofskys auf gemeinsame Nenner herunterbrechen und seine cineastische Handschrift anhand ausgewählter Markenzeichen bestimmen?

Den ersten seiner mittlerweile acht Langfilmen drehte Aronofsky 1998. Der Harvard-Absolvent nutzte eine Crowdfunding-ähnliche Strategie, um das ohnehin recht knapp bemessene Budget für „Pi“ zusammenzubekommen, indem er Familie und Freunde um ein Darlehen bat. Es zahlte sich für alle Beteiligten aus, und der klaustrophobische und paranoide Thriller wurde ein kommerzieller Erfolg, der den Startschuss zu seiner Regiekarriere bildete.

Pi Bild aus dem Film „Pi“ (Studio Canal, Arthaus)


Bereits mit seinem zweiten Spielfilm sorgte Aronofsky 2000 dann auch international für Furore: gemeinsam mit dem Autor Hubert Selby Jr. adaptierte er dessen bedrückenden Roman „Requiem for a Dream“ für die große Leinwand. Das bildgewaltige Suchtdrama nimmt sich des gesellschaftlichen Tabuthemas auf vielfältig reflektierte Weise an: so schlittern Jared Leto, Jennifer Connelly und Marlon Wayans in einer ungewohnt ernsten Rolle in die Drogensucht, während die für ihre Tour-de-Force-Darstellung für alle großen Preise nominierte Ellen Burstyn eine gefährliche Abhängigkeit zu Diätpillen entwickelt, um dem Schönheitsideal des Fernsehens entsprechen zu können. Die mitunter schwer zu ertragenden Bilder, eindrückliche Performances und der unvergessliche Soundtrack Clint Mansells machen „Requiem for a Dream“ zu einem Kultfilm des jungen 21. Jahrhunderts.

Requiem for a Dream Bild aus dem Film „Requiem for a Dream“ (Highlight Film)

Erst 2006 kehrt Aronofsky dann mit seinem dritten Streich zurück: das verkopfte, ambitionierte und letztendlich enttäuschende Science-Fiction-Drama „The Fountain“, in dem er Hugh Jackman und seine damalige Lebensgefährtin Rachel Weisz in drei verschiedenen Epochen lieben und leiden lässt. Zurückhaltender, dafür umso bewegender geht es zwei Jahre später in „The Wrestler“ zu. Ein bittersüßer Abgesang auf eine gescheiterte Existenz, nur noch am Leben gehalten durch die Hoffnung auf Versöhnung und das unwahrscheinlich geglaubte Comeback im Ring. Mickey Rourke als Wrestling-Legende Randy „The Ram“ Robinson gibt hier die Schauspielleistung seiner Karriere. Verdienter Lohn: der Goldene Löwe der Filmfestspiele von Venedig für Aronofsky, ein Golden Globe sowie eine Nominierung für den Oscar für Rourke.

The Wrestler Bild aus dem Film „The Wrestler“ (Filmladen, Kinowelt)


Diesen Erfolg sollte Aronofsky gleich mit seinem nächsten Film noch einmal übertreffen: der surreale Psychothriller „Black Swan“, angesiedelt in einem renommierten New Yorker Ballett, wird 2010 nicht nur zu einem großen Hit bei Kritikern, die 13 Mio. Dollar teure Produktion spielt weltweit knapp 330 Mio. wieder ein. Bei der Oscar-Verleihung 2011 wird der Film fünfmal nominiert, darunter auch Aronofsky für die Beste Regie. Gewinnen kann Natalie Portman als perfektionistische und verbissen ehrgeizige Primaballerina Nina. Aronofsky befindet sich am Höhepunkt seines Schaffens. Daran knüpft er 2014 mit einem Epos biblischen Ausmaßes an: er erzählt mit Russell Crowe und Jennifer Connelly die Geschichte von „Noah“, der den göttlichen Auftrag erhält, eine Arche zu bauen, um Mensch und Tier vor einer drohenden Flut zu retten. Der Film war zwar ein großer Erfolg an den Kinokassen, wurde von Kritikern aber kontrovers und gespalten rezipiert.

Noah Bild aus dem Film „Noah“ (Universal Pictures International)

Noch umstrittener, und weitaus weniger massentauglich, gestaltet sich Aronofskys religiöse Allegorie „Mother“, in dem vor mittlerweile sechs Jahren Jennifer Lawrence auf einen buchstäblichen Höllentrip geschickt wird. Nach diesem filmischen Kraftakt zog sich der Regisseur für fünf Jahre zurück, bevor er letztes Jahr triumphal zu alter Stärke zurückfinden konnte: „The Whale“ holt Brendan Fraser nach Jahren der beruflichen und privaten Rückschläge ins Rampenlicht und gibt dem sympathischen Mimen endlich die Chance, sein schauspielerisches Potenzial vollends zur Entfaltung zu bringen.

The Whale Bild aus dem Film „The Whale“ (A24, Pandafilm)


Damit reiht sich Fraser in eine lange Liste von Protagonisten in Aronofskys Filmen ein, die von ihren eigenen Dämonen übermannt und zerrieben werden. Der Hang zur Selbstzerstörung, der nahezu allen seinen Figuren inhärent ist, macht es dem Publikum ungemein schwer, sich mit ihnen zu solidarisieren, gibt ihm aber dennoch die Chance, sich zumindest ein Stück weit mit ihnen zu identifizieren. Aronofskys Faible für gescheiterte Menschen, am Rande des persönlichen Untergangs und das ultimative Opfer, das sie für ihre Überzeugung zu bringen bereit sind, zieht sich wie ein roter Faden durch sein filmisches Gesamtwerk, ebenso der Wunsch nach familiärer Geborgenheit und Akzeptanz, den etwa Sara und Harry Goldfarb in „Requiem for a Dream“, Randy in „The Wrestler“ und Charlie in „The Whale“ so vergeblich ersehnen.

Gleichzeitig versteht sich Darren Aronofsky aber auch als religiöser, spiritueller Geschichtenerzähler, der vor allem in seinen drei bislang letzten Filmen sehr viel mit biblischen Anspielungen, mal mehr, mal weniger offensichtlich, arbeitet. Während „Noah“ noch als einigermaßen konventionelle Bibelverfilmung durchgeht, treibt er es mit „Mother!“ und seinem ungemein pessimistischen und aggressiven Grundton auf die Spitze. Gerüchten zufolge innerhalb von drei Tagen geschrieben, entlädt sich hier Aronofskys tiefreligiöse Ideologie auf metaphorischer Ebene, die durchaus den gegenwärtigen Zeitgeist zu reflektieren versucht, dies aber mit einer derart intensiven und gewalttätigen Ästhetik ausgestaltet, dass man dem entweder fasziniert beiwohnt oder sich angewidert abwendet. Wanderprediger Thomas, Ty Simpkins‘ Figur aus „The Whale“, hingegen präsentiert sich als verlorene, verstoßen geglaubte Seele, der die Antworten auf seine Fragen in umstrittenen biblischen Schreckensszenarien zu finden glaubt, aber durch die schicksalhafte Begegnung mit Charlie und dessen hasserfüllter Tochter Ellie (Sadie Sink) den Mut findet, sich seiner Vergangenheit und seiner Familie zu stellen und die Welt um sich herum akzeptiert – eine Inversion zu „mother!“ gewissermaßen. Überhaupt scheint auch das Thema „Familie“ in Aronofskys Oeuvre ein gerne wiederkehrendes zu sein: die Abhängigkeiten der Goldfarbs, Ninas fragile Beziehung zu ihrer Mutter, die allegorische Familienkonstellation in „Mother!“ – und natürlich die beiden gescheiterten Väter Randy und Charlie. Aronofsky generiert viel von seinem Konfliktpotenzial über zerrüttete Familien.

Wer sich gerne selbst ein Bild vom filmischen Werk Darren Aronofskys machen möchte, der hat diesen Monat im Wiener Filmcasino dazu Gelegenheit: anlässlich der Kinoauswertung von „The Whale“ zeigt das Kino eine Werkschau mit allen acht Langfilmen des umstrittenen Regisseurs.

Kommende Vorstellungen im Filmcasino Wien:

Samstag 27.5. 22:30 Requiem for a Dream
Sonntag 28.5. 20:30 Noah
Montag 29.5. 20:30 Requiem for a Dream
Dienstag 30.5. 20:30 Mother