Am 9. Dezember war es auf Sky soweit: Die ersten beiden Folgen von „And Just Like That…“, der neuen Mini-Nachfolgeserie von „Sex and the City“ feierten ihre Premiere. Rekapitulieren wir: „Sex and the City“ war Anfang der 2000er Jahre eine der innovativsten Serien überhaupt, sie lief auf HBO und war vollkommen am Puls der Zeit. Eine Serie, die den Singlefrauen Mitte 30 in Gestalt von Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha, ein Sprachrohr gab, die ihre Wünsche, Ängste und Hoffnungen artikulierte und die vor allem eines war: ein Plädoyer für Selbstbestimmung.
Gleich in der allerersten Folge wurde damals klargestellt: Frauen können Männer für eine Nacht haben, ganz ohne Gefühle, sie können mit ihnen im Bett tun was immer sie wollen und anschließend im Coffeeshop darüber reden, sodass es jeder hört, und sie sind deshalb keine Schlampen. Das erlebten viele jüngere und auch ältere Frauen damals als zutiefst befreiend. Die Serie entwickelte sich weiter, Carrie und Co gingen Beziehungen ein, die Themen änderten und Liebesbeziehungen vertieften sich, aber die Selbstbestimmung blieb.
Nach dem Ende der Serie im Jahr 2004 wurden noch zwei Filme gedreht, die man auch „Der Tragödie erster und zweiter Teil“ hätte nennen können. Ich habe beide als verzichtbar empfunden und sie hier in meiner Kolumne im Jahr 2011 eine „grob fahrlässige Demontage der Kultserie“ genannt. Weil die Protagonistinnen sprachlos geworden waren und nur noch Konsum zählte; ja schöne Schuhe spielten in SatC immer eine Rolle, aber als nettes Beiwerk zu intelligenten Gesprächen. Nun gabs es keinen Humor, keinen Erkenntnisgewinn, ja noch nicht Mal mehr Sex in den Filmen.
Nun gut und jetzt, im Jahr 2021, sind die Damen zurück, wieder im Serienformat und quasi mitten aus der Pandemie, auf die gleich in Szene Nummer 1 Bezug genommen wird. Ich darf verraten: das Serienformat ist der Qualität der Erzählung zuträglich und die Miniserie startet besser als die Filme das waren - wie gut „And Just Like That“ tatsächlich noch werden wird, bleibt nach den ersten beiden Folgen aber abzuwarten. Etwas hat sich nämlich grundlegend verändert: während SatC revolutionär war und seiner Zeit voraus, sind Carrie und Co heute deutlich hinterher, sie sind „late to the party“ in praktisch jeder Beziehung. Sie kommen mit dem Zeitgeist nicht mehr mit. Und das ist ihnen bewusst und wird in vielen, sehr vielen Szenen auch genau so thematisiert. Oder, wie Miranda sagt: „Wir können doch nicht ewig das sein, was wir waren?“
Da wird diskutiert ob es ok ist, graue Haare zu haben oder sie lieber zu färben; ob man heute noch Bücher liest und nicht lieber seinen Kindle mitnimmt; wie öde es tatsächlich ist, eine Cis-Frau zu sein, die Hemmungen hat, in einem queeren Podcast (Podcast, auch so ein neumodisches Ding) über die eigene Sexualität zu sprechen. Wie schwierig es sein kann, mit den besten Absichten in jedes Black-Lives-Matter-induzierte Fettnäpfchen zu treten, das sich vor einem auftut, Stichwort: Weißer Retter Syndrom. Und ist man nun spießig, wenn einem vor den gebrauchten Kondomen des eigenen Nachwuchses ekelt? Und ist es schlimm, dass manche schwerhörig oder herzkrank geworden sind und/oder Gleitgel verwenden? Ich schwanke zwischen dem Eindruck, dass diese mangelnde Hipness sehr menschlich und daher auch irgendwie charmant ist, aber auch dem Impuls, dass das alles eine Spur zu geriatrisch daherkommt. Ich meine die ProtagonistInnen sind Mitte 50 – nicht 80 plus!
Symptomatisch dafür ist eine Szene in der ersten Folge von „Just Like that“, die mich eingermaßen ratlos zurückgelassen hat. Wir bedenken nochmal folgendes: Carrie hatte eine Sexkolumne, sie ist eine halbe Ewigkeit mit Big zusammen, die beiden haben sich in diversen (Stunden)hotelzimmern geliebt, in Aufzügen und auf der Rückbank seiner Limousine etc., sie haben sich gegenseitig betrogen, sie haben sich vom Sex mit anderen erzählt und dann betritt Carrie 2021 das gemeinsame Schlafzimmer und fragt Big in einer wirklich unheimlich peinlichen Szene, ob er denn masturbiere und wie er das denn mache. Es mag ja sein, dass man sich diese Frage nicht beim dritten oder vierten Date stellt, aber in einer halbwegs aufgeschlossenen sexuellen Beziehung – und eine solche sollten Big und Carrie wohl doch führen – spricht man früher oder später über solche Dinge. Und mit später meine ich nicht 20 Jahre nach der ersten Begegnung.
Dafür wird das Fehlen von Samantha offener und ausführlicher thematisiert als ich das erwartet hätte. Und bei manchen Dialogen spürt man wieder die Scharfzüngigkeit und den Witz, die SatC in den 2000er-Jahren ausgemacht haben. Aber alles wirkt doch etwas mühselig, manchmal auch wie eine verunglückte Karikatur der einstigen Kultserie, und recht viel Plot gibt es auch nicht in den ersten beiden Folgen, wiewohl durchaus spektakuläre Dinge passieren; ich frage mich, wo das noch hinführen wird, ob aus guten Ansätzen mehr wird – aber das werde ich ja sehen.
Wer sich auch ein Bild machen möchte: „And Just Like that“ läuft auf Sky, sogar in der bereits synchronisierten Fassung. Und jeden Donnerstag erscheint nun eine neue Folge, noch acht weitere Episoden stehen auf dem Programm.
10. Dezember 2021, 09:06 Uhr
Streaming, Heidi@Home
Heidi@Home: And Just Like That...
Die Damen von „Sex and the City“ sind zurück – 20 Jahre älter und minus Samantha. Kann das gutgehen?
von
Heidi Siller (Heidi@Home)
Weitere „Heidi@Home“-Kolumnen:
Forum
-
Revolutionäre Serie
Damals habe sogar Männer gerne SATC geschaut, mich eingeschlossen. Mochte de Humor und die unterschiedlichen Charaktere.
Man(n) konnte was lernen.
Ob AJLT… im Jahr 2021 funktioniert, wage ich zu bezweifeln. Und diese erste Kritik scheint die Befürchtungen zu bestätigen.