Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Voraussetzungen machen Leute

Kobergs Klarsicht: Voraussetzungen machen Leute

Glaubwürdige Bösewichte sind vom Leben gezeichnet. Aber Heldinnen und Helden haben’s ganz alleine geschafft.
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von (DerKoberg)
So sehr Todd Phillips „Joker“ als Film auch heraussticht, so sehr erzählt er doch auch von einem ganz gewöhnlichen Bösewicht: Die Welt ist grausam und unfair. Dem Leid der Einzelnen wird keine Beachtung geschenkt und irgendwann platzt der Kragen. Neben dem Hunger auf die Weltherrschafft sind Verwundungen durch eine rücksichtslose Welt eines der gängigen Muster, um böses Tun nachvollziehbar werden zu lassen. Und Joaquin Phoenix provoziert als leidender Clown auch Momente des Verständnisses für Jokers Wut auf die Welt. Es ist die Idee des Da-kann-er-ja-nicht-Anders, die hier mitschwingt, eine Variante des sozialen Determinismus: Jokers Brutalität ist eine logische Reaktion auf die Welt aus der er kommt.

Auffallend ist, dass die umgekehrte Logik, die des Privilegs als Voraussetzung für besonders gute Handlungen, nicht einmal dort wirklich thematisiert wird, wo das auf der Hand läge. Jokers Gegenspieler, Meme-Ikone Batman, braucht zwar seine Reichtümer, um zum Superhelden zu werden. Herausragend ist an ihm aber, dass er die vorgesehenen Wege verlassen hat – in Christopher Nolans Version, indem er auf Wanderschaft zum Ninja wird. Und natürlich auch dadurch, dass er sich seinen Ängsten (den Fledermäusen) stellt und zu dem wird, was er fürchtet.

Die optimistische Lesart derartiger Geschichten ist die von der Resilienz: Wer es schafft, sich selbst aus der Krise herauszuarbeiten und zurück auf Spur zu kommen, ist heldenhaft. Und böse sind die, die sich der Krise hingeben und sie eskalieren lassen. Und auch da ist ein bisschen Bauchweh mit dabei. Weil Resilienz ganz viel mit Sicherheit und Urvertrauen zu tun hat. Also kann doch der vaterlose Joker mit seiner kranken Mutter erst wieder nichts dafür, dass er aus der Bahn geworfen wird. Und Batmans Unerschütterlichkeit ist ein Produkt seiner geborgenen Kindheit.

Spannend sind diese Überlegungen auch deshalb, weil Privilegien auch im Alltag so gerne übersehen werden. Wo Böses getan wird, wird zumindest punktuell nach Hintergründen und Auslösern gefragt. Aber Erfolgsgeschichten werden fast flächendeckend als herausragende Einzelleistungen erzählt. Und all die Steigbügel und zweiten Chancen, die Elternhaus, Umfeld und Zugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen so mit sich bringen, rutschen in den Hintergrund, weil sie den Heldinnen und Helden ein Stück vom Glanz nehmen.
Der Autor
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DerKoberg


Forum

  • Sehr treffend analysiert

    Die Österreich Variante des Helden beginnt mit Ablehnung von Talent und Begabung und sonnt sich erst im Lichte des Erfolges, für den dann alle verantwortlich gewesen sein wollen.
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    20.11.2019, 12:12 Uhr