
Mit dieser unvorhergesehenen Entscheidung fand die 76. Ausgabe der Venediger Filmfestspiele ihr Ende – ein Festival, das in diesem Jahr in Puncto Filmauswahl von so vielen Höhe- und Tiefpunkten gezeichnet war wie selten zuvor. Neben „Joker“ war ich auch von Roy Anderssons existentialistischer Tragikomödie „Über die Unendlichkeit - Om det oändliga“ sehr angetan und freute mich daher, dass Andersson bei der Preisverleihung am Samstag mit dem Silbernen Löwen für die Beste Regie geehrt wurde. Zu meinen Lieblingen des diesjährigen Festivals gehörten zudem auch Steven Soderberghs smarte wie auch urkomische „Panama Papers“-Satire „Die Geldwäscherei“, das geteilt aufgenommene Anti-Imperialismus-Drama „Die Geldwäscherei“ von Cierro Guerra und die australische Coming-of-Age-Tragikomödie der Regie-Debütantin Shannon Murphy. Enttäuscht war ich hingegen von dem tonal völlig verwirrten Agententhriller (?) „Wasp Network“ des sonst so talentierten Olivier Assayas und dem pseudo-hitchcockartigen Abschlussfilm „The Burnt Orange Heresy“. Mein absoluter Hassfilm war jedoch der im Schneckentempo erzählte chinesische Animationsfilm „No.7 Cherry Lane - Ji Yuan Tai Qi Hao“, weswegen ich umso verärgerter war, dass dieses wirre Machwerk tatsächlich mit dem Preis für das „Beste Drehbuch“ ausgezeichnet wurde.
Aber genug mit den Ärgernissen.
Auch abseits des Filmprogramms entpuppte sich mein allererster Besuch bei den Filmfestspielen von Venedig als wundervolle Erfahrung. So wurde mir die Möglichkeit geboten in Folge meiner Screenings, auch die jeweiligen Pressekonferenzen zu besuchen, in denen Filmschaffende und Schauspieler aus aller Welt fragenden Journalisten Rede und Antwort standen. Dabei beglückten unter anderem Weltstars wie Meryl Streep, Gary Oldman, Joaquin Phoenix, Johnny Depp, John Malkovich oder „Rolling Stones“-Legende Mick Jagger das Festival mit ihrer Anwesenheit und präsentierten sich allesamt von einer erstaunlich offenen Seite. Ein persönliches Highlight war für mich definitiv, Johnny Depp in der Pressekonferenz zu „Waiting for the Barbarians“ über seinen eigenen Alkoholismus witzeln zu hören.

Im Rahmen der 67. Filmfestspiele wurde auch wieder der Goldene Löwe für das Beste Lebenswerk vergeben, der in diesem Jahr an niemand geringeren als Hollywood-Ikone Julie Andrews – bekannt für ihre unvergesslichen Rollen in „Mary Poppins“ oder „The Sound of Music“ – ging. Andrews erklärte sich auch dazu bereit, Fans und Journalisten mit einer eigenen Masterclass zu beglücken, in der sie zahlreiche spannende Anekdoten über ihre Jahrzehnte umspannende Karriere erzählte.

Der wohl einzige Wermutstropfen meines Aufenthalts war die Entfernung meiner Unterkunft zum Festivalzentrum, die mir morgens und abends eine jeweils einstündige Bootsfahrt an Zeit kostete. Abseits dessen war es ein erwartbar großartiges Festival, das ich hoffentlich auch nächstes Jahr wieder besuchen kann!
Arrivederci, Venezia!