Das Medium „Kinofilm“ bleibt weiterhin auf Erfolgskurs. Einige Kinoketten überlegen die Einführung eines Preisoptimierungsprogramms, andere fürchten sich weiterhin vor Netflix und Co. Zu Recht wie ich meine. Obwohl immer betont wird, dass diese Movies on Demand auf mehreren Vertriebskanälen und natürlich vielleicht auch im Kino gezeigt werden wird, möchte ich am Beispiel meines (und nicht nur meines) Favoriten 2018 „Roma“ folgende Realität festhalten: Wenn ich nicht zufällig im Graz-Kinoprogramm fette zwei Vorstellungen entdeckt hätte, hätte ich diesen unglaublich tollen und bewegenden Film im Lichtspieltheater verpasst. Das wäre sehr schade gewesen, weil es das autobiographisch geprägte Meisterwerk von Alfonso Cuarón verdient dort gesehen zu werden, wo Träume noch immer am schönsten sind – im Kino auf der großen Leinwand.
Die Filmfestspiele von Venedig versperren sich nicht dem neuen Distributor und zeichnen einen ROMA mit dem Hauptpreis aus. In Cannes scheint das Thema weiterhin sensibel zu bleiben. Das Paradoxe ist, dass immer mehr namhafte Regisseure ihre Traumprojekte von Netflix und Co. produziert bekommen. Offensichtlich unter einfacheren Bedingungen als von den großen Studios und derer zahlenorientierter und -fixierter Manager. Anderes prominentes Beispiel ist Martin Scorsese, der aktuell „The Irishman“ auf diesem Weg dreht.
Als Cineast wünsche ich mir mehr als nur zwei Vorstellungen im Kino.
Welche Filme sind noch auf meinem persönlichen Film-Olymp 2018 zu finden?
Zur Auswahl standen 61 Filme, die ich mit einem Kinobesuch beehrt habe. Ganz oben steht wie erwähnt „Roma“. Das ist ein sehr einfühlsamer Film über ein Hausmädchen mixtekischer Abstammung (mexikanische Ureinwohner) namens Cleo. Sie kümmert sich liebevoll und aufopfernd um den Haushalt einer wohlhabenden Arztfamilie im Stadtteil Roma in Mexico City. Aber sie tut noch viel mehr. Kocht, bügelt, putzt und sorgt sich ständig um das Wohl der vier Kinder. Die Frau des Hauses, aber auch die junge Hausdienerin werden von ihren feigen Männern im Stich gelassen, in einer Zeit, wo sie am meisten gebraucht werden, einer Zeit, die im Umbruch ist und einen tragischen Höhepunkt beim Fronleichnam-Massaker im Jahr 1971 findet. Magisch und berührend!
„Silber“ geht an „Climax“. Je länger ich den Film auf mich wirken lasse, desto mehr bin ich mir sicher, dass dieser Film außergewöhnlich und wahnsinnig gut ist. In meinen Augen ist das ein Anti-Drogen-Film, der die fatalen Seiten von Drogen schonungslos aufzeigt. Was eine Sangria mit LSD anrichten kann, auch wenn man das als Partyteilnehmer nicht weiß, sieht man in Gaspar Noes Tanzfilm, der sich nach einer beeindruckenden Tanzprobeneinführung in der zweiten Hälfte des Films in einen Höllentrip wandelt.
Um „Bronze“ duellieren sich intelligente wichtige politische Beiträge und Kommentare wie Spike Lees wunderbarem „BlacKkKlansman“ und Ruth Beckermanns „Waldheims Walzer“ (Fred Sinowatz: „Nehmen wir also zur Kenntnis, dass nicht Waldheim bei der SA war, sondern nur sein Pferd.“).
Sparen hätte ich mir können: „Venom“ und „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“.
Im Bereich Blu-Ray entdeckte ich den Director's Cut vom kommerziellen Superflop „Heaven's Gate“. Das ist der Film, mit welchem Michael Cimino seinerzeit das Filmstudio United Artists in den Ruin trieb. Heute glaube ich, dass man eines sagen kann: Der Film ist etwas Besonderes, aber leider zu anspruchsvoll für das Kinopublikum Anfang der 80er Jahre. Kris Kristofferson, Christopher Walken, John Hurt, Mickey Rourke und eine sehr junge Isabelle Huppert machen Geschichte lebendig. Es geht um den historischen Johnson County War, in dem amerikanische Großfarmer osteuropäische Einwanderer vertreiben und ermorden. Obwohl der Film um 1890 spielt, scheint er etwas unheimlich Aktuelles zu haben.
Auch im Seriensektor gab es Phantastisches zu entdecken:
„MC MAFIA“. Die britisch-amerikanische Serie beleuchtet eindrucksvoll und realistisch das Leben von Alex Godman, einem wohlerzogenen und gebildeten Investmentbanker Anfang 30 und Sohn russischer Eltern, der in London entdecken muss, dass die Familie in kriminelle Angelegenheiten verwickelt ist. I know, das ist jetzt nicht die Über-Story, aber der Unterricht in Global (Dirty) Business weiß zu faszinieren.
Wie fällt eure Filmbilanz 2018 aus?
26. Dezember 2018, 19:18 Uhr
Caines Corner
Caines Corner: Jahresrückblick 2018
Meisterwerke on Demand und filmische Höhepunkte des Jahres 2018
von
Leander Caine (LeanderCaine)
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Favourites 2018
Also hier meine Favoriten 2018:
1. Three Billboards out of Ebbing, Missouri
2. 3 Tage in Quibéron
3. Die dunkelste Stunde
4. Maria Magdalena
5. A Star Is Born
6. Lucky
7. Lady Bird
8. Feinde – Hostiles
9. Wind River
Ziemlich gut (und sehr unterhaltsam) waren auch: Mamma Mia! Here We Go Again, Mission Impossible - Fallout; Noch nicht gesehen: Roma, Suspiria, Bohemian Rhapsody.
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Ein großartiges Jahr für das Kino
2018 war tatsächlich eines der besten und vor allem vielseitigsten Kinojahre, das ich je aktiv miterleben durfte. Wenn man meine Festivalbesuche miteinberechnet war ich in diesem Jahr ~120 Mal im Kino und bekam dabei weit mehr Gutes als Schlechtes zu Gesicht. Hier also meine bisher 30 liebsten Filme des Jahres (PS: Ich gehe in meinen Auflistungen stets nach Erstveröffentlichungs-Startdaten, weswegen Filme ala Three Billboards oder "The Shape of Water" noch auf meiner 2017er-Liste zu finden sind. Da zahlreiche potentielle Oscar-Kandidaten bei uns jedoch erst Anfang 2019 starten, wird meine 2018er-Liste wohl erst April-Mai vollständig sein.):
1. Burning
2. Isle of Dogs
3. Spider-Man: Into the Spiderverse
4. First Man
5. 303
6.Mission Impossible: Fallout
7. Roma
8. Mandy
9. First Reformed
10. Climax
11. Suspiria
12. You Were Never Really Here
13. Transit
14. Hereditary
15. Widows
16. A Star is Born
17. Cops
18. Annihilation
19. Blackkklansman
20. The Guilty
21. A Quiet Place
22. Searching
23. Bad Times at the El Royale
24. Under the Silver Lake
25. Zauberer
26. Blue My Mind
27. Waldheims Walzer
28. In den Gängen
29. Vox Lux
30. Shoplifters