Diagonale
1000 Takte Film - das Pop-Special der Diagonale’17

1000 Takte Film - das Pop-Special der Diagonale’17

Das Spezialprogramm „1000 Takte Film“ der heurigen Diagonale hat sich auf die Suche nach der österreichischen Popkultur im Film von 1974 bis 2014 begeben und fragt nach den Querverbindungen und Knotenpunkten zwischen Pop und Film.
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von (Nina Isele)
Durch die chronologische Erzählweise erfährt der Zuseher die Entwicklung von der anfänglichen Imitation der Amerikanischen Musikkultur hin zu einer eigenen österreichischen Popszene. Den Anfang stellen die drei Filme „3 amerikanische LPs“, „Langsamer Sommer“ und „Supersommer 23.8.1976“ aus den siebziger Jahren dar.

Der Kurzfilm „3 amerikanische LPs“ bildet mit seiner bildlichen Untermalung von drei amerikanischen Platten von Van Morrison, Creedence Clearwater Revival und Harvey Mandel, ganz nach dem Motto: „Es gibt keine Erinnerung ohne Musik“ (Tennessee Williams), den Einstieg in das Zusammenspiel von Pop und Film. Wim Wenders gedenkt darin beim Auflegen der Platten der amerikanischen Kultur und seiner Erinnerungen daran, denn es handelt sich dabei um Musik, die nicht nur Klänge, sondern auch Bilder entstehen lässt. Dementsprechend liegt der Fokus auch darauf und man hört nur die Musik und Wim Wenders melancholische Stimme, während die Kamera den Zuschauer auf eine Reise durch eine deutsche Landschaft mitnimmt, die von der Automobilindustrie gekennzeichnet ist. Auf diesem kleinen Roadtrip trifft man nicht nur auf den kultigen VW-Bus, sondern auch auf DAS Symbol der amerikanischen Jugendkultur: das Autokino.

Langsamer Sommer

Das Land der großen Möglichkeiten nimmt auch in „Langsamer Sommer“ eine Vorbildrolle des Pops ein, in dem einzelne Figuren der Künstlerelite, darunter auch John Cook selbst als amerikanischer Regisseur, einen tatsächlich langsamen Sommer ohne große Arbeitsmühen verbringen und dem Drifterdasein in schwarz-weiß frönen. Gemeinsam mit seinem ‚Arbeiter’freund Helmut - einem echten Wiener, Michael & Hilde Pilz - einem experimentellen Schriftsteller & seine Frau, und Eva - einem Fotomodell, hat er einen dokumentarischen Film gedreht, der in den Film eingebettet ist und dem Zuseher somit eine doppelte Filmvorstellung geboten wird. Der amerikanischen Musik der siebziger Jahre wird auch hier ein tragender Beitrag zur Popkultur eingestanden, mit dem Vorspielen der ganzen Platte von Lou Reeds „A walk on the wild side“, die den dahinschleppenden Rhythmus des Films widerspiegelt. Denn sowohl der Film, als auch die Personen in ihm, scheinen kein Ziel zu haben, sondern nur durchs Leben zu wandeln.

Etwa zur selben Zeit wird in der Kurzdoku „Supersommer 23.8.1976“, ebenfalls in schwarz-weiß, mit der Besetzung der Arena Wiens die politische Komponente der Popkultur thematisiert, indem der Unmut der jungen Leute mit einem Mikrophon auf dem Spielfeld Gehör verschafft wird. Ausgeschmückt wird der rebellische Akt durch Ausschnitte der anschließenden Konzerte von Georg Danzer, Leonard Cohen etc.

Mit dem zweiten Programm kommen wir dann schon in den achtziger Jahren an mit dem Musikvideo von Rudi Dolezal und Hannes Rossacher zu „Du verstehst mi ned“ von Wolfgang Ambros und dem bunten Popfilm „Malaria“. Hier steht die österreichische Popszene ganz im Vordergrund und tritt aus dem Schatten der amerikanischen hervor. Während „Du verstehst mi ned“ ein Stück Austropop-Geschichte festhält, wird in „Malaria“ die ‚Neue Österreichische Welle‘ (Viele bunte Autos, Plastix, Minisex, Rosachrom…) gehuldigt, unter anderem das gleichnamige Titellied von Karl Gott.

Malaria

Im Café „Malaria“ finden die jungen Popper nun in Wien einen ihrem Lebensgefühl entsprechenden Ort, an dem sie sich treffen können und bunte Brausedrinks mit überraschenden Zusätzen zu sich nehmen können. Spätestens um Punkt sechs Uhr abends legen sie die Arbeit nieder, gehen nach Hause und treffen die nötigen Vorbereitungen um ins Café zu gelangen, die bei manch einem bis in die Nacht dauern, wenn man zum Beispiel einen Parkplatz in der Wiener Innenstadt sucht. Zwischen dem Unglücklichen im Auto und den Glücklichen im „Malaria“ wird hin und her gewechselt, eines haben jedoch beide Schauplätze gemein: die zentrale Rolle der Musik; im Ersteren mithilfe des Autoradios, in dem das Abendprogramm läuft und im Zweiteren mithilfe eines Kassettenrecorders, aus dem der österreichische Pop der achtziger Jahre dröhnt. Neben der bunten, ausgefallenen Kleidung der Klientel des Cafés und den Detailaufnahmen von farbigen Comics, die den Film einleiten, tragen auch verschiedene Effekte zur grellen Popästhetik des Filmes bei, wie zum Beispiel das Bier, das gemeinsam mit einer Rauchwolke aus der Theke emporsteigt. Unter den Poppern findet sich unter anderem der junge Andreas Vitasek wieder und auch der Regisseur Niki List hat seinen Auftritt als Kurier jeglicher Dinge, die für die jungen Ziellosen von Interesse sein könnten und nicht notwendigerweise illegal sein müssen.

Coconuts

Die Reise durch die österreichische Filmgeschichte des Pops geht mit einem Meisterwerk der Sonderklasse weiter: „Coconuts“. Eingeführt durch die schrägen Zusammenschnitte von „Kino Express No.08/1996“ mit Wolfgang Ambros und „Hallo Kino 16/88“ mit Dr. Kurt Ostbahn, steht „Coconuts“ auf weiter Spur alleine in seiner skurrilen Größenwahnsinnigkeit. Die österreichische Produktion aus dem Jahre 1985 von Franz Novotny wartet mit Hanno Pöschl, Reinhard Fendrich, Olivia Pascal und Mario Adorf als Protagonisten auf. Gemeinsam verkörpern sie ein verbrecherisches Team, das sich mit Versicherungsbetrug und Banküberfällen das schicke Leben finanziert. Aufgebauscht wird das Abenteuer durch übertriebene Effekte, die große Actionblockbuster das (Fremd)Schämen lehren und durch die Aneinanderreihung surrealer Handlungswendungen, wie der Überfall einer sizilianischen Bank und die Landung in einem Foltergefängnis in Paraguay. Selbst der Soundtrack zum Film, mit Liedern von Reinhard Fendrich bestückt, kann diese einzigartige Kinoerfahrung nicht retten, sondern trägt eher noch weiter zu der Frage bei: Warum?, die man sich als kritischer Zuseher während des Films durchaus einige Male stellen muss.

Auch eine amerikanische Filmproduktion lässt sich im Programm „1000 Takte Film“ finden: „Kiss Daddy Goodnight“ vom österreichischen Regisseur Peter Ily Huemer aus dem Jahre 1987, gezeigt mit dem Musikvideo zur Coverversion von „All Shook Up“ von The Cucumbers, ebenfalls von Huemer. In diesem unkonventionellen Thriller sehen wir die junge Uma Thurman als Protagonistin, die als Femme fatale durch die Straßen von New York zieht und ihre Opfer - reiche, weiße Männer - gekonnt um den Finger wickelt, um sie danach auszurauben. Auch hier wird mit Uma als Vertreterin der jungen Generation der Kontrast zwischen Jung und Alt und ihren unterschiedlichen Lebensstilen aufgezeigt.

Das Spezialprogramm führt danach weiter über die neunziger Jahre mit „Slidin' - Alles bunt und wunderbar“ (Barbara Albert, Michael Grimm, Reinhard Jud, 1998) und anderen Beiträgen bis in das heutige Jahrzehnt mit „Talea“ (Katharina Mückstein, 2013).
Die Autorin
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Nina Isele

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